Hintergrund
Der Arbeitgeber richtete in 2005 für die Belegschaft ein Sommerfest aus. Daran nahmen nicht nur Arbeitnehmer ohne Begleitung, sondern auch Arbeitnehmer mit einer oder mehr Begleitpersonen (im Wesentlichen Familienangehörige) teil. Das FA teilte den Gesamtaufwand durch die Zahl der Teilnehmer (sog. Durchschnittsberechnung) und ermittelte einen Durchschnittsbetrag von rund 68 EUR pro Teilnehmer. Die auf einen Familienangehörigen entfallenden Kosten rechnete das FA dem Arbeitnehmer zu, sodass bei allen Teilnehmern, die mit zumindest einer Begleitperson erschienen waren, die Freigrenze von 110 EUR überschritten war. Dementsprechend forderte das FA vom Arbeitgeber pauschale LSt nach.
Das FG gab der Klage teilweise statt. Wegen einer anderen Berechnung ermittelte es einen Durchschnittswert von nur rund 54 EUR. Dementsprechend war die Freigrenze nur überschritten, wenn ein Arbeitnehmer mit mehr als einem Angehörigen teilgenommen hatte.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.
Arbeitslohn liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer zwar bereichert wird, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt. Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen können im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegen, denn sie dienen trotz des gesellschaftlichen Charakters dem Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und der Verbesserung des Betriebsklimas. Dabei ist die Teilnahme von Familienangehörigen und Gästen unschädlich.
Zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung hat der BFH typisierend festgelegt, dass von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn die Freigrenze von 110 EUR je Person überschritten ist. Die Zuwendungen sind dann in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren.
Der Wert der den Arbeitnehmern zugewandten Leistungen kann anhand der Kosten des Arbeitgebers geschätzt werden. Diese Kosten werden zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zugerechnet (sog. Durchschnittsberechnung). Der Gesamtbetrag ist daher auch auf Familienangehörige und Gäste des Arbeitnehmers aufzuteilen. Entgegen der früheren Auffassung des BFH wird jedoch bei der Berechnung der Freigrenze der auf die Angehörigen entfallende Aufwand dem Arbeitnehmer nicht (mehr) zugerechnet.
Der BFH begründet die Rechtsprechungsänderung damit, dass in Fällen, in denen sich - wie im Streitfall - die Vorteile auf Beköstigung, Musikunterhaltung und Kinderanimation beschränken, bei der Einladung der Angehörigen aus der Sicht des Arbeitnehmers nicht die Entlohnung für geleistete Dienste, sondern das Interesse des Arbeitgebers an der Förderung des Betriebsklimas im Vordergrund steht. Denn die Teilnahme von Angehörigen ist besonders geeignet, das Betriebsklima und die Arbeitsfreude zu fördern. Solche Feiern können auch das Verständnis der Angehörigen für die betrieblichen Abläufe - etwa Arbeitseinsätze zu außergewöhnlichen Zeiten - und die Bereitschaft, an der Betriebsveranstaltung überhaupt teilzunehmen, erhöhen.
Hinweis
Anders ist es bei Betriebsfeiern, die ihrer Art nach den Schluss zulassen, dass dem Arbeitnehmer über die Angehörigen ein Vorteil zugewendet werden soll. Das gilt für Veranstaltungen, die bereits für sich selbst einen marktgängigen Wert besitzen und vom Arbeitgeber selbst nicht durchgeführt werden könnten. Als Beispiele führt der BFH an, wenn die Belegschaft mit Familienangehörigen gemeinschaftlich ein Musical besucht oder Konzerte berühmter Künstler anlässlich von Betriebsfeiern gegeben werden. Ein marktgängiger Wert wird immer anzunehmen sein, wenn für eine Darbietung ansonsten üblicherweise Eintritt verlangt würde.
Urteil v. 16.5.2013, VI R 7/11, veröffentlicht am 9.10.2013
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