Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers nach "GDPdU" zur Betriebsprüfung
Hintergrund: Unspezifizierte Anforderung von Unterlagen
Das FA erließ für den Streitzeitraum 2012 bis 2014 gegenüber der Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft (P), die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, eine Prüfungsanordnung. Zusammen mit der Prüfungsanordnung bat der Prüfer um "die Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU" (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen nach dem BMF-Schreiben v. 16.7.2001, BStBl I 2001, 415) zu Beginn der Betriebsprüfung.
FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der Verweis auf die GDPdU reiche für die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich Verwertung und Speicherung von Daten in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht aus.
Entscheidung: Die Aufforderung zur Datenträgerüberlassung ist unbestimmt und unverhältnismäßig
Der BFH wies die Revision des FA zurück. Die Aufforderung des FA ist bereits mangels hinreichender Begrenzung des Umfangs des beabsichtigten Zugriffs auf die Daten der P rechtswidrig. Selbst wenn man der Aufforderung den Inhalt beimessen würde, dass das FA mittels des Datenträgers nur auf gemäß § 147 Abs. 1 AO aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Unterlagen und Daten der P zugreifen will, ist die Aufforderung unverhältnismäßig und rechtswidrig, weil sie keine Beschränkung enthält, dass der überlassene Datenträger vom Prüfer nur in den Geschäftsräumen der P oder in den Diensträumen des FA ausgewertet werden darf.
Die Aufforderung ist ein Verwaltungsakt
Die Aufforderung des FA, Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger für eine Außenprüfung zur Verfügung zu stellen, ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt (BFH v. 8.4.2008, VIII R 61/06, BStBl II 2009, 579, Rz 27). Wie der Regelungsgehalt zu verstehen ist, bestimmt sich danach, wie der Adressat den Inhalt des Verwaltungsakts nach dessen objektivem Sinngehalt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte (BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455).
Die Aufforderung überschreitet die Prüfungsbefugnis des FA
Die Aufforderung zur Überlassung des Datenträgers musste von der P dahin verstanden werden, dass das FA mittels des Datenträgers unbegrenzt auf alle elektronisch gespeicherten Unterlagen zugreifen wollte. Damit überschreitet die Aufforderung die Prüfungsbefugnis des FA nach § 147 Abs. 6 AO und ist demnach rechtswidrig (BFH v. 12.2.2020, X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 13, 15, 29). Denn der Umfang der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO und damit zugleich der Umfang der Zugriffsbefugnis des FA nach § 147 Abs. 6 AO ist auf Unterlagen begrenzt, die zum Verständnis und zur Überprüfung der steuergesetzlichen Aufzeichnungspflichten von Bedeutung sind (BFH v. 12.2.2020, X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 20, 21, sowie die Gliederungspunkte I., I.1., I.1.c, I.2. bis I.3. des GDPdU-Schreibens des BMF in BStBl I 2001, 415). Eine hinreichende Begrenzung der Aufforderung ergibt sich nicht aus dem Verweis auf die GDPdU. Daraus lässt sich nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass das FA nur die Überlassung derjenigen Datenbestände verlangt hat, für die ihm eine Zugriffsbefugnis zusteht.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist verletzt
Die Aufforderung zur Datenträgerüberlassung ist unverhältnismäßig. Denn das FA beabsichtigte mittels der Datenüberlassung, auch außerhalb der Geschäftsräume der P und der Dienststelle - etwa auf den Dienstlaptops der Außenprüfer - auf die Daten der P zuzugreifen und diese auszuwerten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es jedoch, die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der geschützten Daten von Berufsgeheimnisträgern zu berücksichtigen und zu verhindern, dass die Daten außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder der Diensträume der Finanzverwaltung (z.B. nach Diebstahl des Prüfer-Notebooks) in fremde Hände geraten können. Auch die Vorgaben der nunmehr geltenden GoBD (BMF v. 14.11.2014, BStBl I 2014, 1450, Rz 168) genügen insoweit nicht, da sie nicht dazu verpflichten, die Daten nicht ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen und des FA auszuwerten.
Anonymisierung von Mandantendaten
P hatte auch eingewandt, die Anonymisierung der Mandantendaten sei nur mit hohem Aufwand möglich und daher unzumutbar. Der BFH ließ diesen Gesichtspunkt unberücksichtigt, da sich die Unverhältnismäßigkeit bereits aus der nicht ausgeschlossenen Möglichkeit der Nutzung der Daten außerhalb der Geschäftsräume ergab. Der BFH weist jedoch darauf hin, dass ein solcher Einwand eines Berufsgeheimnisträgers möglicherweise generell unerheblich sein könnte, weil von ihm verlangt werden kann, seine Datenbestände so zu organisieren, dass bei einer Einsichtnahme des FA in die steuerlich relevanten Datenbestände keine geschützten Bereiche tangiert werden können (BFH v. 26.9.2007, I B 53, 54/07, BStBl II 2008, 415, Rz 24).
Hinweis: Fortführung der Rechtsprechung
Der BFH führt die Grundsätze des Urteils v. 12.2.2020, X R 8/18 (BFH/NV 2020, 1045) fort. Dort hat der BFH bereits entschieden, dass die Datenanforderung nach § 147 Abs. 6 AO akzessorisch zur Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht des Steuerpflichtigen ist. Über die gesetzliche Pflicht hinausreichende "freiwillig" geführte Unterlagen und Daten unterliegen nicht dem Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO. Überschreitet die angefochtene Aufforderung des FA diese Grenzen, kann sie nicht nachträglich auf den zulässigen Bereich der Einsichtnahme eingeschränkt werden, sondern ist als rechtswidrig aufzuheben (BFH v. 24.6.2009, VIII R 80/06, BStBl II 2010, 452, Rz 25). Die Verwaltung wird den Vordruck für die Prüfungsanordnung entsprechend anzupassen haben.
BFH Urteil vom 07.06.2021 - VIII R 24/18 (veröffentlicht am 26.08.2021)
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