Hintergrund
Eine selbständige Finanzdienstleisterin (F) verkaufte in den Jahren 2004 und 2005 über zwei "Verkäuferkonten" bei der Internethandelsplattform eBay an einzelne Erwerber mindestens 140 Pelzmäntel für insgesamt ca. 90.000 EUR. Nach den Angaben der F stammten die Pelzmäntel aus der privaten Pelzmantelsammlung ihrer verstorbenen Schwiegermutter, deren Haushalt sie auflöste. Die unterschiedliche Größe der verkauften Pelze begründete F damit, dass sich eine Kleidergröße "schon mal ändern könne". Der Verkauf einer privaten Sammlung sei keine unternehmerische Tätigkeit.
Das FA, dass durch eine anonyme Anzeige von den Verkäufen erfahren hatte, hielt das Vorbringen der F nicht für glaubhaft und setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest.
Das FG gab der Klage der F statt (DStRE 2013 S. 1249). Es stützte dabei seine Würdigung, dass F mit dem Verkauf der Pelzmäntel nicht unternehmerisch tätig gewesen sei, auf die Rechtsprechung des BFH zu Briefmarken- und Münzsammlern. Für diese hatte der BFH entschieden, dass die Veräußerung als letzter Akt einer privaten Sammlertätigkeit selbst dann nicht zu einer Besteuerung als Unternehmer führe, wenn Erlöse in beachtlichem Umfang erzielt würden (vgl. BFH, Urteil v. 29.6.1987, X R 23/82, BStBl II 1987 S. 744; BFH, Urteil v. 16.7.1987, X R 48/82, BStBl II 1987 S. 752).
Entscheidung
Der BFH entschied, dass F – entgegen der Auffassung des FG – unternehmerisch tätig gewesen sei.
Das FG habe übersehen, dass F keine eigenen, sondern fremde Gegenstände im eigenen Namen verkauft habe. Bereits deshalb sei der Streitfall nicht mit den vom FG herangezogenen Urteilsfällen vergleichbar. Darüberhinaus habe das FG nicht bedacht, dass Pelzmäntel – anders als Briefmarken oder Münzen – keine typischen Sammlerstücke, sondern Gebrauchsgegenstände seien. Mit der Verkaufstätigkeit eines privaten Sammlers habe die Tätigkeit der F somit nichts zu tun.
Vielmehr stelle sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Tätigkeit der F als unternehmerisch dar. F habe aktive Schritte zur Vermarktung der Pelzmäntel unternommen und sich dabei ähnlicher Mittel bedient wie z. B. ein Händler. Damit habe sie das maßgebliche Beurteilungskriterium dafür, dass eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, erfüllt.
Hinweis
Im Streitfall drängt sich die Frage auf, ob die mit den Pelzverkäufen erzielten Umsätze nicht schon deshalb der Umsatzbesteuerung unterlegen haben, weil F in den Streitjahren bereits als Finanzdienstleisterin Unternehmerin war. Der BFH hat diese Frage in seiner Urteilsbegründung kurz aufgeworfen, sie aber letztlich offen gelassen.
Zwar gehören nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH Leistungen, die sich als Nebenfolge einer nichtunternehmerischen Betätigung ergeben – wie z. B der Verkauf gebrauchter Gegenstände aus dem Privatbereich – grundsätzlich zum nichtunternehmerischen Bereich und werden nur dann zu unternehmerischen Umsätzen, wenn sie einen "geschäftlichen" Rahmen i.S. des § 2 Abs. 1 UStG erreichen (BFH, Urteil v. 21.5.1987, V R 109/77, BStBl II 1987 S. 735, unter II.2.b.). Ob diese Rechtsprechung weiterhin Gültigkeit hat, ist allerdings aufgrund eines neueren EuGH-Urteils (EuGH, Urteil Kostov v. 13.6.2013, C-62/12, HFR 2013, 757, Rz 28 ff.) fraglich geworden. Der EuGH geht in diesem Urteil nämlich davon aus, dass eine natürliche Person, die bereits mit ihrer Haupttätigkeit steuerpflichtig ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als "Steuerpflichtiger" anzusehen ist, sofern diese Tätigkeit eine solche i.S. des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL darstellt. Dabei – so der EuGH – steht es mit dem Ziel einer einfachen und möglichst allgemeinen Erhebung der Mehrwertsteuer nicht in Einklang, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen, dass der Begriff "wirtschaftliche Tätigkeit" eine Tätigkeit nicht umfasst, die zwar nur gelegentlich ausgeübt wird, aber unter die allgemeine Definition des Begriffs fällt und von einem Steuerpflichtigen ausgeübt wird, der noch eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der MwStSystRL ausübt.
Das heißt im Klartext: Hätte die F nicht die Pelzmäntel ihrer Schwiegermutter, sondern ihre private Briefmarkensammlung nach und nach veräußert, wären bei richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG die Erlöse aus diesen Verkäufen möglicherweise allein deshalb als umsatzsteuerpflichtig zu beurteilen, weil F als Finanzdienstleisterin bereits unternehmerisch tätig gewesen ist.
Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in einem solchen oder ähnlichen Fall entscheiden wird. Seine Entscheidung im Besprechungsfall jedenfalls hätte der BFH auch mit den Argumenten des EuGH begründen können.
BFH, Urteil v. 12.8.2015, XI R 43/13, veröffentlicht am 23.9.2015
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