Versendung über inländisches Warenlager
Hintergrund: Lieferung über inländisches Auslieferungslager
Zu entscheiden war, ob die von dem spanischen Lieferanten (L) unter Einschaltung eines inländischen Warenlagers erbrachten Lieferungen als innergemeinschaftlicher Erwerb steuerpflichtig sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) oder ob steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen vorliegen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG). L unterhielt im Inland ein sog. Konsignationslager, d.h. ein Auslieferungslager, aus dem der Abnehmer bei Bedarf Waren entnehmen kann. Über dieses Lager lieferte L in 2001 bis 2008 Waren an F. Den Lieferungen lagen zentrale Lieferverträge zugrunde. Danach ergaben sich die konkreten Lieferungen aus den von F dem L täglich übersandten Abrufplänen. Erst der Lieferabruf führte zu einem verbindlichen Kaufvertrag. L hatte die entsprechenden Kapazitäten sicherzustellen. Für 95 % der Lieferungen lagen bereits bei Beginn der Versendung in Spanien verbindliche Bestellungen des F vor.
Das FA behandelte die Transporte der Waren in das inländische Lager als steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe des L (bei Gewährung des Vorsteuerabzugs in gleicher Höhe) und unterwarf die Entnahmen aus dem Lager durch F der USt als im Inland steuerpflichtige Lieferungen. Das FG gab hingegen der Klage überwiegend statt. Für den Teil der Lieferungen, für den bereits bei Beginn der Beförderung in Spanien verbindliche Bestellungen des F vorlagen, bejahte es trotz der Zwischenlagerung als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfreie Versendungslieferungen.
Entscheidung: innergemeinschaftliche Lieferung bei kurzfristiger Zwischenlagerung und feststehendem Abnehmer
Der BFH bestätigt eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. In Versendungs-/Beförderungsfällen bestimmt sich der Lieferort nach dem Ort, an dem die Versendung/Beförderung an den Abnehmer (oder in dessen Auftrag an einen Dritten) beginnt bzw. wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung/Beförderung an den Erwerber befindet (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Der Abnehmer (Erwerber) muss zu diesem Zeitpunkt feststehen und die Versendung/Beförderung muss dazu führen, dass der Liefergegenstand zu dem Abnehmer gelangt. Die Versendung darf nicht unterbrochen werden. Bei einer nur kurzzeitigen Lagerung nach dem Beginn der Versendung entsprechend dem für die nächsten Tage und Wochen erwarteten Bedarf des Abnehmers liegt jedoch noch keine Unterbrechung vor. Der BFH hat auch bereits entschieden, dass es für die Lieferortbestimmung anhand des Beginns der Versendung/Beförderung unerheblich ist, wenn es dem Lieferer nach dem Beginn der Beförderung noch möglich ist, über den Liefergegenstand neu zu disponieren und ihn an einen anderen Abnehmer zu liefern (BFH, Urteil v. 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl 2009 II S. 552). Es kommt somit nicht darauf an, dass die Verfügungsmacht bereits mit dem Beginn der Versendung auf den Abnehmer übergeht. Dementsprechend bejaht der BFH im Streitfall trotz der Zwischenlagerung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, da der Abnehmer der Waren (F) von vornherein feststand und es sich nur um kurzfristige Lagerungen handelte.
Hinweis: BFH widerspricht der Verwaltungspraxis
Die Auffassung des BFH entspricht der Rechtsprechung des EuGH. Der EuGH stellt für eine Versendungs-/Beförderungslieferung, die zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung und einem korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb führt, darauf ab, ob ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung sowie ein kontinuierlichen Ablauf des Vorgangs besteht (EuGH, Urteil v. 18.11.2010, C-84/09, BFH/NV 2011 S. 179). Dieser Ablauf wird durch eine von vornherein nur vorübergehende Einlagerung nicht beeinträchtigt. Die entsprechende Erwerbsbesteuerung ist vom Erwerber (Abnehmer, F) durchzuführen. Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsanweisung in Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 1 UStAE (ebenso OFD Frankfurt a.M. v. 15.12.2015, DStR 2016 S. 1032). Nach der Verwaltungsauffassung liegt beim Verbringen in ein Auslieferungs- oder Konsignationslager eine nicht nur vorübergehende Verwendung und damit ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender Inlandslieferung vor. Im Übrigen ergänzt der BFH, dass eine im Zeitpunkt der Versendung nur wahrscheinliche Abnehmerstellung einer tatsächlichen Abnehmerstellung nicht gleichzusetzen ist. Andernfalls entständen nicht hinnehmbare Abgrenzungsschwierigkeiten. Gleichwohl dürften sich bei der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen Probleme bei der Feststellung des Abnehmers kaum vermeiden lassen.
BFH, Urteil v. 20.10.2016, V R 31/15, veröffentlicht am 18.1.2017
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