Keine Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern mit Festvergütung
Hintergrund: Aufsichtsratsmandat mit Festvergütung
X war leitender Angestellter der S-AG und zudem Aufsichtsratsmitglied der E-AG, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der S-AG. Für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erhielt er – neben Auslagenersatz – eine jährliche Festvergütung von 20.000 EUR, die er nach seinem Anstellungsvertrag an die S-AG abführen musste.
Das FA ging davon aus, ein Aufsichtsratsmitglied übe seine Tätigkeit als Unternehmer aus. Dem folgte das FG und wies die Klage unter Hinweis auf die (bisherige) BFH-Rechtsprechung ab (BFH Urteil vom 20.08.2009 - V R 32/08, BStBl II 2010, 88).
Mit der Revision wandte X ein, er sei über seinen Arbeitsvertrag mit der Konzernmutter (S-AG) weisungsabhängig und daher nichtselbständig tätig gewesen.
Der BFH ordnete im Hinblick auf das beim EuGH anhängige Verfahren in der Rechtssache "IO" das Ruhen des Revisionsverfahrens an. Mit Urteil "IO" v. 13.6.2019, C-420/18 (EU:C:2019:490, Haufe Index 13195834) entschied der EuGH zur Auslegung von Art. 9 und 10 MwStSystRL, dass das Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung eine nichtselbständige Tätigkeit ausübt.
Entscheidung: Nichtselbständige Tätigkeit eines festangestellten Aufsichtsratsmitglieds
Nach Ergehen dieses EuGH-Urteils konnte der BFH über die vorliegende Revision entscheiden.
Bisherige BFH-Rechtsprechung
Der BFH hat bisher die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied einer AG als Arbeitnehmervertreter gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung als selbständige Tätigkeit eines Unternehmers angesehen (BFH Urteil vom 27.07.1972 - V R 136/71, BStBl II 1972, 810; ebenso BFH Urteil vom 02.10.1986 - V R 68/78, BStBl II 1987, 42), ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden. An dieser Auffassung hat der BFH auch nach der unionsrechtlichen Harmonisierung durch Art. 9 und Art. 10 MwStSystRL festgehalten (BFH Urteil vom 20.08.2009 - V R 32/08, BStBl II 2010, 88).
Urteil des EuGH in der Sache "IO"
Nach dem EuGH-Urteil "IO" v. 13.6.2019. C-420/18 (EU:C:2019:490, Haufe Index 13195834) übt ein Aufsichtsratsmitglied allerdings keine selbständige Tätigkeit aus, auch wenn es dem Vorstand oder Aufsichtsrat hierarchisch nicht untergeordnet ist, aber nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei wegen einer Festvergütung auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt.
Geänderte BFH-Auffassung im Anschluss an das EuGH-Urteil "IO"
Der BFH schließt sich der EuGH-Auffassung für den Fall an, dass das Aufsichtsratsmitglied kein wirtschaftliches Risiko trägt. So liegt der Fall hier. Dementsprechend war X nicht als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG selbständig tätig. Denn er handelte für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats und trug aufgrund der Festvergütung ohne jegliche variable Vergütungsanteile auch kein wirtschaftliches Risiko. Selbst fahrlässiges Handeln hatte auf die Vergütung keinen unmittelbaren Einfluss, sondern begründete lediglich eine Verantwortlichkeit nach § 116 AktG (Sorgfaltspflicht eines gewissenhaften Geschäftsleiters).
Der BFH hob daher das noch auf der überholten BFH-Rechtsprechung beruhende FG-Urteil auf und gab der Klage statt.
Hinweis: Der Fall des Aufsichtsratsmitglieds mit variabler Vergütung wurde nicht entschieden
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass X in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Konzernmutter (S-AG) in den Aufsichtsrat der Konzerntochter (E-AG) entsandt war und wegen der Weisungsabhängigkeit und der Abführungspflicht hinsichtlich seiner Aufsichtsratsvergütung gegenüber seinem Arbeitgeber (S-AG) nicht völlig unabhängig war. Auf diese Umstände kommt es jedoch aufgrund des EuGH-Urteils "IO" nicht an.
Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist.
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