"Diese Flexibilität verschafft uns einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt"
Frau Lutz, Sie sind Mitautorin eines Buches über mobiles Arbeiten. Glauben Sie, dass dieser Trend weiterhin Bestand haben wird?
Ja, obwohl einige Unternehmen wie Daimler und SAP dazu tendieren, ihre Mitarbeiter wieder ins Büro zu holen, gibt es starke Gegenbewegungen von Betriebsräten und Arbeitnehmervertretern, die die Flexibilität des Home Office oder hybrides Arbeiten beibehalten wollen. In Deutschland, wo wir einen Fachkräftemangel haben, wird sich voraussichtlich der Wunsch der Arbeitnehmer nach Flexibilität durchsetzen.
Wir können deutschlandweit Stellen ausschreiben und Talente gewinnen, die geografisch eingeschränkt sind. Diese Flexibilität verschafft uns einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt.
Gilt das auch für Steuerberatungskanzleien?
In der Steuerberatung bietet mobiles Arbeiten erhebliche Vorteile, vor allem angesichts des Fachkräftemangels. Wir können deutschlandweit Stellen ausschreiben und Talente gewinnen, die geografisch eingeschränkt sind. Diese Flexibilität verschafft uns einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt. Viele Mitarbeiter schätzen diese Flexibilität und bevorzugen es, zumindest hybrid oder sogar vollständig im Homeoffice zu arbeiten.
Was hat Sie motiviert, ein Buch über mobiles Arbeiten zu schreiben?
Wir sind eine große Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit etwa 20 Niederlassungen, und ich habe festgestellt, dass viele Kollegen sich mit dem Thema mobiles Arbeiten schwer tun. Ich habe versucht, zu unterstützen, indem ich Tipps gegeben und die Strukturen, die wir aufgebaut haben, dokumentiert habe. Diese Strukturen ermöglichen es unserer Kanzlei, effizient und sinnvoll mit hybriden oder vollständig mobilen Arbeitsmodellen zu funktionieren. Da wir all diese Erfahrungen und Handbücher bereits entwickelt hatten, wollte ich dieses Wissen mit der gesamten Branche zu teilen.
Für wen haben Sie dieses Buch geschrieben?
Das Buch richtet sich hauptsächlich an Kanzleiinhaber von kleinen Kanzleien, aber auch an Führungskräfte von größeren Kanzleien. Es bietet viele praxisnahe Tipps für den Arbeitsalltag und grundlegende Informationen, einschließlich der rechtlichen Grundlagen wie Arbeitsrecht und DSGVO, um Stolperfallen zu vermeiden. Das Buch ist jedoch auch für Mitarbeiter geeignet, die vielleicht in ihrer eigenen Kanzlei mobiles Arbeiten einführen möchten und ihre Kanzleiinhaber dazu inspirieren wollen. Es ist hilfreich für alle, die bereits Homeoffice praktizieren, aber noch Verbesserungsbedarf sehen oder offene Fragen haben.
Ein zentraler Aspekt ist das papierlose Büro. Wenn Mitarbeiter ständig Papierordner zwischen Kanzlei und zuhause transportieren müssen, funktioniert das nicht – auch aus datenschutzrechtlichen Gründen.
Warum scheitern Unternehmen beim Versuch, mobiles Arbeiten einzuführen?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zunächst sind die rechtlichen Aspekte entscheidend. Alles muss korrekt vereinbart und in sicheren Tüchern sein. Die Vorgaben und Leitplanken müssen klar besprochen und eingehalten werden. Aber auch im Alltäglichen spielt die Technik eine wichtige Rolle. Ein Mitarbeiter im Homeoffice benötigt die richtigen Tools, um seine Aufgaben effizient erfüllen zu können. Ein zentraler Aspekt ist das papierlose Büro. Wenn Mitarbeiter ständig Papierordner zwischen Kanzlei und zuhause transportieren müssen, funktioniert das nicht – auch aus datenschutzrechtlichen Gründen.
Außerdem ist die Personalführung entscheidend. Wie kommuniziere ich mit den Mitarbeitern? Wie kommunizieren sie untereinander? Ich betone immer die Wichtigkeit einer gut aufgebauten Kommunikationsinfrastruktur. Es geht darum, dass ich als Führungskraft greifbar und erreichbar bin, auch wenn ich nicht physisch anwesend bin. Zudem ist das Zeit- und Selbstmanagement der Mitarbeiter zu Hause ein kritischer Faktor.
All diese Aspekte müssen auf technischer, rechtlicher und menschlicher Ebene gut funktionieren. Wenn das nicht der Fall ist, sind weder die Kanzleiinhaber noch die Mitarbeiter zufrieden, und das Experiment mobiles Arbeiten wird beendet.
Sie haben ein Kapitel im Buch der Führung gewidmet. Warum ist das Thema so wichtig?
Führung bei mobilem Arbeiten und im Homeoffice ist eine ganz andere Herausforderung als die Führung im Büro. Die Kommunikation über Videokonferenzen oder E-Mails und Chats unterscheidet sich stark von persönlichen Interaktionen. Es besteht ein höherer Anspruch, die Mitarbeiter zu binden und ihnen trotz der räumlichen Distanz eine menschliche Nähe zu vermitteln. Es geht darum, Erreichbarkeit und engen Austausch zu gewährleisten und die Kommunikationskanäle klar zu definieren. Es ist eine sehr anspruchsvolle Art der Führung, besonders wenn man Mitarbeiter hat, die vollständig remote arbeiten und gleichzeitig andere, die ins Büro kommen. Es gilt, alle unter einen Hut zu bringen.
Ist das Buch ein Appell, mobiles Arbeiten zu versuchen?
Unbedingt. Wir erleben einen Fachkräftemangel, und es ist schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Gleichzeitig gibt es viele Bewerber auf dem Markt, die aus verschiedenen Gründen an mobiler Arbeit interessiert sind. Ich hatte zum Beispiel eine Mitarbeiterin, die in ihrer Region bleiben, aber gleichzeitig größere Unternehmen betreuen wollte. Durch mobiles Arbeiten konnte sie sich beruflich weiterentwickeln, ohne ihren Wohnort wechseln zu müssen.
Es gibt viele solcher Einzelfälle von talentierten Arbeitskräften, die man erreichen kann. Wenn wir einen solchen Bedarf haben, sollten wir die Türen für mehr Möglichkeiten öffnen. Das betrifft auch hybride Arbeitsmodelle, bei denen Mitarbeiter beispielsweise wegen einer Fernbeziehung oder der Pflege von Angehörigen teilweise von einem anderen Ort aus arbeiten möchten.
Dieser Ansatz eröffnet nicht nur den Arbeitnehmern neue Möglichkeiten, sondern treibt auch die Digitalisierung in den Unternehmen voran. Man muss seine Kanzleiprozesse dokumentieren und optimieren, um mobiles Arbeiten effektiv zu gestalten.
Natürlich ist Vertrauen wichtig, aber es muss auch ein System geben, das die Qualität der Arbeit überwacht, ohne dass es sich wie eine Überwachung anfühlt.
Welche Bedenken begegnen Ihnen im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen immer wieder?
Ein sehr großes Thema ist das Vertrauen und die Kontrolle. Traditionell sieht man die Mitarbeiter im Büro arbeiten, und es gibt eine gewisse Sicherheit, sie direkt zu beobachten. Bei der Heimarbeit befürchten viele Führungskräfte, dass Mitarbeiter vielleicht private Dinge erledigen könnten. Es geht also um das Vertrauen, dass die Mitarbeiter auch zu Hause ihre Aufgaben mit der gewohnten Qualität und im erwarteten Umfang erfüllen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie man die Einhaltung dieser Standards kontrolliert.
Natürlich ist Vertrauen wichtig, aber es muss auch ein System geben, das die Qualität der Arbeit überwacht, ohne dass es sich wie eine Überwachung anfühlt. Es sollte eher ein sinnvolles Controlling sein, das sowohl den Bedürfnissen der Kanzlei als auch dem Bedürfnis nach Vertrauen gerecht wird. Das richtige Gleichgewicht zu finden, ist eine der größten Herausforderungen. Man muss lernen, loszulassen, aber auch rechtzeitig eingreifen, wenn es nicht funktioniert. Nicht jeder ist für die Arbeit zu Hause geeignet.
Gibt es noch einen Schwerpunkt im Buch, der Ihnen besonders wichtig ist?
Ein Thema, das in der Steuerberatungsbranche oft vernachlässigt wird, aber uns besonders am Herzen liegt und das wir bewusst ins Buch aufgenommen haben, ist die Mitarbeitergesundheit und insbesondere die mentale Gesundheit der Mitarbeiter. Unsere Branche ist sehr zeit- und arbeitsintensiv. Wir müssen uns an Fristen halten, und oft kommt es zu Arbeitswellen, die uns überrollen können. Das führt zu Phasen mit hohem Arbeitspensum und Stresslevel. Es ist wichtig, gesund damit umzugehen, nicht nur im Büro, sondern besonders, wenn Mitarbeiter mobil oder im Homeoffice arbeiten. Sie dürfen in dieser Hinsicht nicht alleine gelassen werden.
Zur Person
Dipl.- Finanzwirtin Elisa Lutz ist Geschäftsführerin bei HWS in Stuttgart, Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit liegen in der steuerlichen Beratung der innovativen Branchen, speziell in den Bereichen eCommerce, Blockchain, Kryptowährungen, Saas und IT-Mandate aller Art, sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext. Außerdem betreut sie Künstler, Schauspieler und andere Medienpersönlichkeiten.
Das Buch
Mobile Arbeit in der Steuerkanzlei erschien 2024 bei Schäffer-Poeschel.
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"Diese Flexibilität verschafft uns einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt"
15.01.2025
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