Sustainability braucht Optimismus – und gute Geschichtenerzähler
Zukunftsoptimismus ist in wilden Zeiten wichtiger als jemals zuvor. Klar kalkuliert dieser auch die Tragweite etwaiger Risiken ein. Sein Hauptaugenmerk gilt aber den Chancen. Denn nur der, der eine positive Zukunft für möglich hält, macht sich für sie stark, hilft mit, nach Lösungsansätzen zu suchen und den Fortgang der Ereignisse aktiv mitzugestalten. „Ein Pessimist sieht die Schwierigkeit in jeder Möglichkeit, der Optimist die Möglichkeiten in jeder Schwierigkeit“, sagte einst Winston Churchill.
Konzentration aufs Positive erhöht die Chancen, dass es klappt
Wachsamer Optimismus ist kein bisschen naiv, sondern weitet den Blick für Gelegenheiten, bewirkt Einfallsreichtum und Zuversicht, weckt Tatendrang, spornt uns an, wagemutig zu sein und Erstrebenswertes kraftvoll in Angriff zu nehmen. Je mehr wir uns auf das Positive und die Überwindung von Hindernissen konzentrieren, desto größer sind unsere Chancen, dass es klappt. Denn Energie folgt der Aufmerksamkeit.
Insofern macht Optimismus beharrlich so lange weiter, bis ein Gelingen den Misserfolg überschreibt. Pessimismus hingegen verengt den Blick, igelt sich ein, überzeichnet Gefahren, hüllt alles in eine dunkle Wolke, lähmt uns, macht uns labil und lethargisch. Pessimismus verpulvert Energie in Meckern, Jammern und Angstmacherei, geht in eine passive Opferhaltung und suhlt sich im Misslingen, das ständig heraufbeschwört wird. Sein Fokus liegt auf dem Fiasko. Jedes Leistungshoch wird auf diese Weise blockiert.
Pessimismus verengt den Blick
Zeigt sich die Aussicht auf ein Happy End, schalten Optimisten den Turbo ein. Befeuert wird dies durch Glückshormone. Diese körpereigenen Opiate, allen voran Dopamin, geben uns ein wohliges Gefühl, machen fröhlich, selig, euphorisch. Sie machen uns leistungsfähig, unternehmungslustig, im positiven Sinne auch risikobereit und siegesgewiss. Anhaltende, durch Pessimismus ausgelöste Frustration hingegen sorgt dafür, dass wir unseren Ehrgeiz verlieren, weil die Dopamin-Nachfuhr verebbt.
Negativ-Hysterie und Pessimismus bringt niemanden weiter. Denn dann kommt es wie immer: Wir machen uns Sorgen, und andere starten durch. Trollen, Scharlatanen und Apokalypsenheraufbeschwörern, die mit ihrer Eskalationsrhetorik um Aufmerksamkeit buhlen oder planmäßig Fake News verbreiten, schenken wir besser kein Ohr. Vielmehr sollten wir uns fragen, wer mit welchen machtpolitischen Absichten dahintersteckt.
Dystopie oder Anastrophe? Wir haben die Wahl
Denn aus vielerlei Gründen kann es sehr einträglich sein, Angst und Zweifel zu schüren. Negativschlagzeilen bedienen unsere geradezu unstillbare Lust, Informationen über Gefahren zu sammeln, um selbst mit dem Leben davonzukommen. Lassen wir uns davon bloß nicht paralysieren. Machen wir uns besser mit Volldampf daran, jetzt Hand in Hand mit künstlichen Intelligenzen für eine erstrebenswerte Zukunft zu sorgen. KIs bieten bei Weitem mehr Segen als Fluch, und das sollten wir gezielt für uns nutzen.
Neben der Katastrophe gibt es nämlich ein Wort, das interessanterweise kaum jemand kennt: die Anastrophe. Dieser Begriff beschreibt in der Soziologie eine Kehrtwende zum Guten. Kann also KI für die Menschheit zu einer Anastrophe werden? Kann durch ihr Zutun unser Planet wieder gesunden? Sehr, sehr viele glauben daran. So sind Wissenschaftler längst dabei, einen digitalen Zwilling der Erde zu bauen, wodurch dann durch Simulationen untersucht werden kann, wie etwa Klimaschutz besser gelingt.
Nachhaltigkeit braucht gute Geschichtenerzähler
Missliche Storyteller schmieden Gruselgeschichten vom Weltuntergang. Eine gute Nachhaltigkeitskommunikation hingegen baut auf positive Geschichten. Darin geht es um Veränderungsprozesse, die anhand einer Hauptfigur erzählt werden, mit der wir uns identifizieren können. Dahinter verbirgt sich unsere tiefe Sehnsucht nach dem Helden, der das Böse bezwingt und uns erlöst. Wir gehen mit ihm durch seine Irrtümer und Zweifel, lernen Widersacher und Helfer kennen, feiern schließlich mit ihm den Sieg.
Launige, überraschende, mitreißende Narrative bringen – im Gegensatz zu abstraktem Zahlensalat – unser Kopfkino in Gang. Sie erzeugen eine höhere neuronale Aktivität und damit auch eine höhere Entscheidungs- und Aktionsrelevanz. Bilder und Geschichten werden zudem schnell decodiert und leichter behalten. Gehirnforscher glauben, dass jeder Denk- und Entscheidungsprozess von inneren Bildern begleitet wird, die unser Oberstübchen in einem unaufhörlichen Schöpfungsakt konstruiert.
Entscheidend ist die durchdachte und konstruktive Wortwahl
Anschlussfähigkeit ist dabei entscheidend. Oona Horx Strathern vom Zukunftsinstitut regt zum Beispiel dazu an, dem Stereotyp „grün = weiblich“ entgegenzuwirken. Experimenten zufolge, erzählt sie, sind Männer eher bereit, sich umweltfreundlich zu verhalten, wenn sie sich in ihrer Männlichkeit bestätigt fühlen. So kam ein Logo mit einem heulenden Wolf und dem Schriftzug „Wilderness Rangers“ bei ihnen deutlich besser an als das Logo eines Baumes und dem Schriftzug „Friends of Nature“.
Die Marktforscherin Ines Imdahl gibt zu bedenken, dass das 1,5 Grad Klimaziel aus psychologischer Sicht einfach zu nett klingt, um zu konsequenten Verhaltensänderungen zu führen. „1,5 Grad, das ist eine Minizahl, die sich nicht wirklich schlimm anhört, also leider kein gutes Narrativ für den Klimaschutz“, sagt sie. Schon allein daran ist zu erkennen, wie wichtig eine durchdachte und zugleich konstruktive Wortwahl ist.
Eine wichtige Regel: Kein Narrativ über Verzicht!
Am Kontraproduktivsten ist das strenge Verzichtsnarrativ. Wer Verzicht als Entbehrung erlebt, hält das nur eine Weile lang aus oder schlägt an anderer Stelle über die Stränge. Was als Verzicht gelabelt wird, hat oft aber gar nichts mit Einbußen und Selbstkasteiung zu tun. Verzicht kann sogar etwas sehr Freudvolles sein. Wenn wir autotelisch etwas bleibenlassen, weil uns dies sinnhaft erscheint und/oder einer größeren Sache dient, fühlt sich das gut an. Solches Handeln tut nicht weh, sondern macht glücklich.
Das negative Verzichtsnarrativ ist eine perfide Lancierung der Industrie, die ihre alten Felle davonschwimmen sieht. Doch wie jede auf Längerfristigkeit zielende nützliche Entscheidung ist eine Entscheidung zugunsten von Defossilierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein bewusstes Abwägen von Pro und Contra. Wir verwerfen die wenigen Vorteile von Variante B zugunsten eines größeren Vorteilspakets von Variante A.
„Wir brauchen eine Erzählung, wie ein gutes Leben aussieht – und dass zum Beispiel Solidarität unbedingt dazugehört. Ein Großteil unseres Konsums ist vor allem demonstrativ, er soll zeigen, wie es uns geht. Davon kann man eine Menge weglassen, ohne gleich zu darben“, sagt der Soziologe Ortwin Renn. Es geht also nicht um Verzicht, sondern um informierten, differenzierten, verantwortungsvollen Konsum.
Häufig müssen wir bloß unsere Gewohnheiten ummodellieren, weil wir in solche geraten sind, die nicht die bestmöglichen Resultate bringen. Jeder kann seine Routinen hinterfragen, ungünstige Verhaltensweisen verlernen, umweltfreundlichere Routinen entwickeln. Schließlich müssen wir diese so lange wiederholen, bis sie in Fleisch und Blut übergehen, um damit die schlechten alten Gewohnheiten zu überschreiben.
Ökosoziales Handeln ist cool, lifestylig und kreativ
Nicht nur Handlungsweisen, auch Sprachbilder müssen sich also ändern. Düstere Verlustszenarien schrecken nur ab. Heitere Narrative bringen uns wesentlich weiter. Erzählungen darüber, wie gut wir in einer intakten Natur leben können und was uns das ganz persönlich bringt, ermuntert zu entsprechendem Engagement. Keinesfalls darf dies bescheiden im Verborgenen bleiben. Es gehört auf die Bühne und ins Scheinwerferlicht.
Kluge nachhaltige Lösungen sind cool und bereichernd. Ein ökosoziales Denken und Handeln hat nichts mit Mangel zu tun, sondern ist lifestylig und kreativ, ganz einfach die bessere Party. Feiern wir also die, die sich schon auf den Weg gemacht haben, erzählen wir ihre Geschichten. Sie sind Mutmacher und Inspiratoren für jeden und jede von uns, auch selbst zum Schöpfer zu werden, um eine bessere Zukunft mitzugestalten.
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