B Corp ist die Abkürzung für Benefit Corporation. Dahinter versteckt sich ein Zertifikat, das von der Non-Profit Organisation B Lab ausgestellt wird. Das B Lab hat seinen Ursprung in den USA und ist im spanisch- und portugiesischsprachigen Raum als Sistema B bekannt. Seit der Gründung im Jahr 2006 gibt es heute in mehr als 90 Ländern über 7.000 zertifizierte B-Corporations. Die größte Anzahl (Stand 01. September 2023) weisen die USA mit 2.865, vor UK mit knapp 2.000, gefolgt von Frankreich mit 789, auf. Deutschland liegt derzeit bei 575 bestätigten Unternehmen.
Mittlerweile gibt es rund um den Globus weitere B Lab Sub-Organisationen, welche sich in der Regel geografisch aufstellen, wie B Lab Europe mit Sitz in Amsterdam oder B Lab Germany. Die wohl bekannteste B Corp ist Patagonia. Das Unternehmen sorgte 2022 für weltweite Schlagzeilen, als der Eigentümer Yvon Chouinard die Unternehmensanteile (symbolisch) dem Planeten Erde übertragen hat.
Verwechslungsgefahr: B Corp versus Benefit Corporation
Nicht zu verwechseln ist B Corp mit der amerikanischen Rechtsform der Benefit Corporation. Zwar verfolgen beide ähnliche Ziele. Doch während die Rechtsform ein „Angebot“ des Staates ist und mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen verbunden ist (zum Beispiel Nachweis der Gemeinnützigkeit, erhöhte Transparenz etc.), ist die B Corp-Zertifizierung eine freiwillige Angelegenheit. Die Rechtsform ist in Deutschland am ehesten mit der gemeinnützigen GmbH (gGmbH)vergleichbar. Jedoch darf die Benefit Corporation Gewinne machen.
Die Seele von B Corp: Eine globale Bewegung
Was steckt hinter der Zertifizierung? Auf der Website von B Lab Germany ist die Rede von einem globalen „Movement für eine ökologische und sozial nachhaltige Wirtschaft“. Obwohl B Corp im Grunde eine Zertifizierung ist, fällt der Begriff Movement deutlich öfter. Diese Bewegung, um den Begriff ins Deutsche zu bringen, ist der idealistische Kern von B Corp. Dahinter verbirgt sich das Selbstverständnis, eine große weltweite Community zu sein.
Der sachliche Kern von B Corp verbirgt sich hinter der eigentlichen Zertifizierung und nennt sich B Impact Assessment – kurz BIA. Das Assessment ist eine frei zugängliche Online-Plattform. Damit steht das Assessment allen Unternehmen weltweit kostenlos zur Verfügung. Geld fließt erst dann an das B Lab, wenn eine Organisation mit dem ausgefüllten BIA offiziell in den Zertifizierungsprozess startet.
Ähnlich wie zum Beispiel bei der Gemeinwohl-Ökonomie besteht das Assessment an sich aus verschiedenen Kategorien mit dazugehörigen Fragen. Die Antworten werden anschließend von Analysten des B Labs bewertet und am Ende kommt eine Punktezahl raus, welche entweder zu einer Zertifizierung reicht. Oder eben nicht. Im dritten Teil dieser Artikelserie werden wir genauer in das BIA einsteigen.
Das Ziel: Wirtschaft als treibende Kraft für das Gute
Der englische B Corp Claim lautet: „Make Business a Force For Good.” Die Idee, die dahintersteckt, ist im Wesentlichen simpel. Heute wirtschaften die überwiegenden Unternehmen nur in eine Richtung. Diese heißt Profit. Dabei werden Auswirkungen und (externe) Effekte, welche in der Peripherie der Organisation liegen und nicht direkt Einfluss auf die Erträge haben, übersehen. Oder, um es etwas spitzer zu formulieren, mit einer gewissen Systematik ignoriert. Erfolg wird nur in einer Währung gemessen, die am Ende des Tages auf den Konten einiger weniger Menschen landen.
B Corp liefert uns eine Möglichkeit, Erfolg in der Wirtschaft neu zu definieren. Denn ändern wir das Bezugssystem für Erfolg, haben wir eine Chance, das Denken und damit das Verhalten zu beeinflussen. Dieses alternative Bezugssystem ist das schon kurz angeschnittene BIA. Die Bewertung, welche anhand des BIA erfolgt, versucht, sämtliche Auswirkungen und Effekte eines Unternehmens möglichst ganzheitlich zu erfassen. Das ist der Anspruch. Im denglischen sprechen wir von Impactmessung.
Durch Impact Assessment eine Vergleichbarkeit schaffen
Die Impactmessung basiert auf dem Prinzip der Stakeholder-Orientierung. Das BIA strebt danach, mit seinen Kategorien und Fragen die Interessen möglichst aller Stakeholder zu berücksichtigen. Damit verändern Firmen ihr Erfolgs-Bezugssystem von reinem kurzfristigem finanziellem Profit zu langfristiger Stakeholderentwicklung. Mit Betonung auf Entwicklung. Für eine initiale Zertifizierung muss ein Unternehmen im BIA 80 Punkte erreichen. Doch das ist erst der Anfang. Weil uns spätestens der Kapitalismus das wettbewerbsorientierte Verhalten antrainiert hat, setzt mit der Punktezahl ein willkommenes Verhaltensmuster ein. Organisationen streben bekanntermaßen nach mehr und wollen bei den wiederkehrenden Zertifizierungen immer besser abschneiden als zuvor. Nur geht es eben nicht mehr „nur“ um höhere Erträge, sondern um möglichst viele Punkte im BIA. Und zwar im Vergleich zur eigenen Historie, aber auch, und das ist ein wichtiger Treiber, zu anderen Unternehmen in derselben Branche. Und mit der Zeit manövrieren sich die Organisationen damit in eine positive Wettbewerbsspirale.
Dazu ist der Slogan – Wirtschaft als treibende Kraft für das Gute – passend. Allerdings stellt sich die Frage: wer definiert hier eigentlich was Gut, und was schlecht ist?
Wer definiert „Gut“ und „Schlecht“?
Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. Einerseits ist es offensichtlich, dass wir als Menschheit so nicht weitermachen können, was unsere Art des Wirtschaftens betrifft. Soziale Ungleichheit, wohin das Auge reicht, und der Klimawandel wird immer deutlicher spürbar. Das legt nahe, dass das Gute das Gegenteil dessen ist, was bisher getan wurde. Das reicht als Referenzrahmen aber natürlich nicht aus.
Vielmehr steht das B Lab Europe bei der Weiterentwicklung des BIA einerseits in engem Austausch mit den Behörden. Derzeit entsteht das neue BIA, das den letztgültigen gesetzlichen Rahmen in der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung berücksichtigen wird. Anderseits besteht ein enger Austausch mit der gesamten B Corp Community. Das bedeutet, dass bestehende B Corps Einfluss darauf haben, wie sich das BIA weiterentwickelt. Dies geschieht, indem sie die Entwürfe zum Review bekommen und ihr Feedback abgeben, das entsprechend eingearbeitet wird. Erwähnenswert ist, dass die vorhandenen B Corps nur eine Richtung kennen: sie wollen das Assessment für die Zukunft schwieriger gestalten, um damit die Glaubwürdigkeit der Zertifizierung weiter zu erhöhen und sie zu einem oder gar dem globalen Top-Standard zu machen.
Fazit: Niedrige Einstiegsschwelle in Zertifizierung
Das Ziel von B Corp ist, den Bezugsrahmen für Erfolg in der Wirtschaft neu zu definieren und dabei die Wettbewerbsorientierung der Unternehmen für eine Bewegung zum Guten auszunutzen. Der Vorteil ist, dass zum Start keine große Veränderung notwendig ist. Die Eingangsschwelle ist niedrig und der Weg ist das Ziel. So treiben uns kapitalistische Charakteristiken in bester „höher, schneller, weiter“-Manier zu hervorragenden Punktezahlen im B Impact Assessment. Gleichzeitig lässt sich hier auch Kritik anbringen: Vielfach beobachte ich, dass die Zertifizierung nur auf wenige Schultern im Unternehmen verteilt wird. Entsprechend wird der neue Erfolgsbezugsrahmen nur mäßig bekannt innerhalb einer Gesamt-Organisation. In meiner Erfahrung aus der Organisationsentwickler-Perspektive ist das verschwendetes Potenzial. Die Wirksamkeit des Assessment könnte durch eine partizipative/selbstorganisierte Vorgehensweise deutlich erhöht werden.
Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der B Corps ist mit Sicherheit die Bewegung und die daraus resultierende ausgeprägte Markenpräsenz. Während das BIA jedem Betrieb kostenlos zur Verfügung steht, um dessen Impact zu messen, ist eine Zertifizierung aus Marketinggründen empfehlenswert. Mit dieser wird man offiziell Teil des Movement und findet auf allen relevanten Kommunikationskanälen der B Labs statt. Für international ausgerichtete Firmen ist das eine echte Möglichkeit, sich für die unternommenen ESG-Bemühungen ins richtige Licht zu rücken.