CSR-Beauftragte – Pioniere für Blaupausen

Ob Hidden Champion oder Jungunternehmen – immer mehr Firmen schaffen Positionen für CSR-Verantwortliche (Corporate Social Responsibility). Noch gibt es keine Blaupause: Welche Ausbildung bringen CSR-Beauftragte mit? Was ist ihre Aufgabe? Vera Hermes hat mit Nils Detje von Mann+Hummel, Hanna Heiderich von Hanse Mondial und Janine Bell über ihre Rolle gesprochen.

Sie müssen kommunizieren und überzeugen, sich sehr schnell in alle möglichen Sachverhalte einarbeiten und strategisch top sein, sie müssen betriebswirtschaftlich denken und teamfähig sein, außerdem frustrationstolerant, geduldig und empathisch, und, na klar: sich in ihrem Metier bestens auskennen, immer auf dem neuesten Stand der Gesetzeslage sein und innovativ: CSR-Verantwortliche – auch Nachhaltigkeitsbeauftragte, Head of Sustainability oder ähnlich genannt – sind Allrounder. Ohne Unterstützung und Akzeptanz im Unternehmen können sie ihren Job gar nicht machen, allen voran die der Führungsetage.

CSR-Beauftrage haben keine Blaupause für ihren Job. Deshalb haben wir mal mit drei Profis gesprochen:

CSR bei Mann+Hummel

Nils Detje, Director Global Corporate Social Responsibility bei Mann+Hummel: „Es ist Gruppenarbeit“

Nils Detjes Weg zum Director Global Corporate Social Responsibility (CSR) beim Ludwigsburger Filtrationsspezialisten Mann+Hummel ist eher eine Verkettung von Offenheit, Interesse und glücklichen Umständen als das Ergebnis einer aktiven Karriereplanung. Eigentlich ist Nils Detje Diplom-Ingenieur, er hat als Projektleiter Strategie bei der Deutschen Bahn gearbeitet und war später beim Automotive Engineering Dienstleister IAV für Strategie und Unternehmensentwicklung mitverantwortlich. Irgendwann hieß es: „Wir brauchen mal einen Nachhaltigkeitsbericht“ – Nils Detje kniete sich ins Thema rein und ist seitdem dabei geblieben.

Detje, Nils

Seit Februar 2022 kümmert er sich in seiner neu geschaffenen Position als CSR-Direktor um die Nachhaltigkeit bei Mann+Hummel, einem Unternehmen in Familienbesitz, das zu den weltweit führenden auf dem Gebiet der Filtration zählt. Mann+Hummel ist ein klassischer Hidden Champion – mit weltweit über 23.000 Mitarbeitern und über vier Milliarden Euro Umsatz.

Nachhaltigkeitskriterien immer im Blick

Nils Detje beschäftigt sich in seiner neuen Position mit Märkten, Produkten, Kunden, Produktion und internen Prozessen, er sitzt als Profi für die nichtfinanzielle Berichterstattung bei Verhandlungen mit Banken mit am Tisch und berichtet direkt an den CEO Kurk Wilks. Einen Teil seiner Arbeitszeit verbringt er mit Vertragsprüfung, bei der es insbesondere darum geht, ob die Nachhaltigkeitskriterien des Unternehmens zu den Vorgaben der Kunden passen – und umgekehrt.

Seine Hauptaufgabe: eine Nachhaltigkeitsstrategie herauszuarbeiten und deren Umsetzung zu steuern. Dabei gelte es, vernünftig auszubalancieren zwischen dem, was machbar, und dem, was finanzierbar ist. Die Strategie wird auf die kommenden 30 Jahre ausgelegt sein. „Wenn ich 2045 in Rente gehe, dann läuft unsere Nachhaltigkeitsstrategie noch vier, fünf Jahre. Wir reden über andere Zeithorizonte als bei der Unternehmensstrategie“, sagt Nils Detje.

Nils Detje setzt auf Empathie und Akzeptanz, er versteht sich als Dirigent, der das aus vielen guten Musikern bestehende Orchester zusammenführt: „Es nützt nichts, wenn ich eine wunderbare Strategie erarbeite – es ist Gruppenarbeit. Wir müssen gemeinsam Themen vorantreiben, eine Strategie und die nächsten Schritte entwickeln, sodass wir dann irgendwann an den Punkt kommen, dass sie Teil des operativen Tagesgeschäfts sind.”

Und es gibt viel zu tun: Nachhaltigkeit ist komplex und unübersichtlich, auch die Regulatorik nimmt kontinuierlich zu. Das sei mitunter ein zweischneidiges Schwert – gerade in der aktuellen Situation ächzt die Wirtschaft angesichts des „Statistik-Monsters“ in Gestalt der ab 2025 geltenden neuen EU-Directive zur Nachhaltigkeit. Die, sagt Nils Detje, werde erstmal viel administrativen Aufwand erfordern. Die Herausforderung sei, dafür schlanke Prozesse aufzusetzen – schon, damit man sich auf die eigentlichen Aufgaben konzentrieren kann:

„Wir reden bei der Gesetzgebung ja erst mal nur über Kennzahlen, die berichtet werden müssen. Damit sind wir 0,0 Millimeter nachhaltiger. Wir müssen in Zukunftstechnologien investieren und ganz viel harte Tagesarbeit leisten, um dann wirklich nachhaltiger zu werden.“

Er sei sicher nicht der grünste Mensch auf diesem Planeten, räumt Nils Detje ein. Sein persönlicher Anreiz, für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen, sind auf jeden Fall seine vier Kinder. Beruflich reizt es ihn, ein Unternehmen nachhaltig und CO2-neutral zu machen – da schlägt dann doch das Ingenieurs-Gen durch – und zugleich dessen wirtschaftlichen Interessen zu wahren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter, um zu erfahren wie Hanna Heiderich, Sustainability Managerin bei Hanse Mondial, Ihren komplexen Job gestaltet.

Sustainability Managerin im Eigenstudium

Hanna Heiderich, Sustainability Managerin bei Hanse Mondial: „Geduld haben und offen reden“

„Nachhaltigkeit ist unglaublich komplex“, sagt Hanna Heiderich, „die große Herausforderung ist, zu priorisieren und Geduld zu haben.“ Hanna Heiderich hat ein Studium zur Leisure & Event Managerin in der Tasche; in Fragen rund um nachhaltige Unternehmensführung informiert sie sich in Online-Kursen. Zudem absolviert sie gerade eine Weiterbildung für CSR-Beauftragte an der TÜV Nord Akademie, in der es darum geht, CSR-Strategien im Unternehmen zu etablieren.

Heiderich, Hanna

Im Mai 2022 ist sie als Sustainability Managerin bei Hanse Mondial in Hamburg gestartet. Das noch junge Unternehmen beschäftigt rund 50 Mitarbeitende und positioniert sich als Full-Service-Anbieter für europaweite Buslogistik, das heißt: B2B- und Privatkunden können hier für alle möglichen Zwecke Busse buchen.

Nachhaltigkeit bündeln

Bislang waren Nachhaltigkeitsaufgaben bei Hanse Mondial in verschiedenen Teams angesiedelt – in der HR, beim Marketing, im Office-Management. Hanna Heiderich hat sich zuallererst mit der Arbeit aller Abteilungen vertraut gemacht, um zu verstehen, wie genau die einzelnen Teams arbeiten und was sie tun. Eine Riesenhilfe war ihr, dass Hanse Mondial die Plattform Ecovadis nutzt. „Ecovadis unterstützt dabei, die eigene Nachhaltigkeit zu bewerten und zu schauen, wo man überhaupt steht. Das ist keine Zertifizierung, sondern eine Art Fragebogen zu Themen wie Menschen- und Arbeitsrechte, Arbeitsschutz, Ethik, Umwelt oder nachhaltige Beschaffung. Damit kann man sich ein Bild machen, Maßnahmen und Korrekturen erarbeiten und diese über die Plattform direkt mit Kunden teilen. Der Fragebogen hat mir auf jeden Fall geholfen zu verstehen, wo wir ansetzen müssen“, erklärt Hanna Heiderich.

Potenziale erkennen, priorisieren, das Mögliche tun und realistisch bleiben: Das ist – verkürzt formuliert – ihre Strategie. Tatsächlich ist es für CSR-Beauftragte nicht sinnvoll und auf Dauer vermutlich auch frustrierend, utopische Ziele zu verfolgen. Als Vermittler von Bustouren ohne eigene Flotte und mit über 1.000 Partnern kann Hanse Mondial zum Beispiel schlecht von heute auf morgen eine Null-CO2-Politik ausrufen. „Dazu würde es eine Transformation in den Busunternehmen selbst benötigen, die wir momentan höchstens unterstützen, aber nicht sofort fordern können. So weit ist die Busbranche noch nicht, wir starten gerade erst erste Versuche mit einem E-Bus“, sagt Hanna Heiderich.

Offen über Herausforderungen reden

Weil Hanse Mondial stark wächst, kümmert sie sich zurzeit besonders um die soziale Nachhaltigkeit: Karriere- und Managementtrainings sollen die Mitarbeiterzufriedenheit und Effizienz erhöhen. Außerdem werden die Teams befähigt, künftig die Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichte zu liefern, „dafür müssen sie wissen, was sie überhaupt messen und in welchen Punkten wir uns verbessern müssen“.

Es gehe darum, sagt sie, erst einmal klein anzufangen und sich dann vorzuarbeiten. Voraussetzung: eine enge Zusammenarbeit aller. Und: sich nicht selbst mit einem unerfüllbaren Anspruch auf Perfektionismus zu quälen.

„Die Angst, etwas falsch zu machen, ist ein bisschen verrückt. Deswegen kommt es auch zu Greenwashing. Ich glaube, wir sollten mehr über die Hürden und offene Fragen reden.“

Und weil das ihre Überzeugung ist, lädt Hanna Heiderich im unternehmenseigenen Blog und per LinkedIn alle Interessierten ein, mit ihr über die drängendsten Fragen und besten Lösungen für eine nachhaltige Unternehmensführung zu diskutieren.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie Janine Bell eine berufliche Wende als Projektmanagerin Nachhaltigkeit und Strategie gelang.

Sustainability Manager: Die intrinsische Motiviation

Janine Bell, Projektmanagerin Nachhaltigkeit und Strategie: Eine neue Richtung

Janine Bell hat sich viele Jahre um Strategie und Marketing in großen Unternehmen gekümmert, zuletzt als Head of CVM Strategy & Transformation bei Sky Deutschland. Inzwischen hat sie den IHK-Zertifikatskurs CSR Manager + Sustainable Management & Leadership absolviert und ist Projektmanagerin Nachhaltigkeit und Strategie bei einem Healthcare-Unternehmen. Warum dieser Wechsel?

Bell, Janine


Zum einen treibt sie eine intrinsische Motivation an. Die Klimaschutzuhr stehe auf 12.15 Uhr, die Biodiversität sei bedroht, der Ressourcenmangel nehme zu. Das erfordere „entschlossenes Handeln und enorme Veränderungen in den Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen. Es ist unabdingbar, dass die Wirtschaft einen hohen Beitrag leisten muss, damit die Klimaziele 2030 beziehungsweise 2050 überhaupt erreicht werden können“, ist Janine Bell überzeugt. CSR lebe von Authentizität und Glaubwürdigkeit, „da geht es nicht darum, Haltung zu zeigen, sondern das eigene Verhalten wirklich nachweislich zu verändern. Daher war es mir ein großes Anliegen, nicht nur weiterhin privat bestmöglich nach den 17 SDGs nachhaltig zu handeln, sondern auch im Beruflichen tatkräftig zu unterstützen.“

Die Klimaschutzuhr steht auf 12.15 Uhr!

Und so hat die Diplom-Betriebswirtin beschlossen, ihrer beruflichen Expertise eine neue Richtung zu geben. Dazu zitiert sie gern Albert Einsteins Weisheit, laut der bekanntlich die reinste Form des Wahnsinns ist, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert. Also … packt sie an.

Ursprünglich hatte Janine Bell überlegt, noch ein komplettes MBA-Studium zum Thema Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität in Lüneburg draufzusatteln. Weil sie bereits eine gestandene Marketing-, Strategie- und Transformationsexpertin ist, riet man ihr davon ab. Stattdessen entschied sie sich für den IHK-Lehrgang zur zertifizierten CSR-Managerin. Ob sie diese Ausbildung empfehlen kann? „Ja, als Weiterbildung absolut“, antwortet Janine Bell. Sie habe theoretische und praktische Fachkenntnisse gesammelt und ein gutes Verständnis dafür entwickelt, wie ein CSR-Managementsystem wirksam und praktikabel in Unternehmen integriert werden kann.

Nachhaltigkeitsstrategie, Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation

Ein paar Tage vor der Deadline für diesen Artikel hat Janine Bell ihre neue Position als Projektmanagerin Nachhaltigkeit und Strategie angetreten. Dort wird sie sich um die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie, um das Nachhaltigkeitsmanagement und die Evaluierung von Nachhaltigkeitsprojekten kümmern. Außerdem auf ihrer Agenda: der Ausbau von Partnerschaften für den Wissenstransfer, die interne und externe Nachhaltigkeitskommunikation sowie die Veränderung des Mindsets.

Sie ist überzeugt, dass zum einen viele Unternehmen mit der Regulatorik rund ums Thema Nachhaltigkeit überfordert sind und es zum anderen vielerorts noch lediglich mit Mehraufwand und Kosten assoziiert wird. Es fehle oft noch das Verständnis, welche Chancen und Vorteile sich aus einer nachhaltigen Unternehmensführung ergeben – und wie wichtig sie ist, um langfristig am Markt erfolgreich zu bleiben. Janine Bell will dafür sorgen, dass Unternehmen diese Chancen erkennen.