Green Nudges für nachhaltigere Entscheidungen im Handel

Nachhaltige Verhaltensänderungen anstoßen: Das ist das Ziel von Green Nudges. Damit sind sie auch ein spannendes Instrument für Nachhaltigkeitsmanager. In diesem Teil der Serie stellt Matthias Höppner fünf internationale Nudges aus dem Handel vor.  

Supermärkte spielen bei vielen Kaufentscheidungen eine wichtige Rolle. Je nachhaltiger das Angebot gestaltet ist, je leichter Kundinnen und Kunden Produkte mit besserer Ökobilanz finden oder je weniger Lebensmittel verschwendet werden, desto größer sind die positiven Auswirkungen auf den ökologischen Fußabdruck des Supermarkts. Hier setzen viele Green Nudges an. Kontextfaktoren wie Unternehmenskultur, Timing oder Standort spielen für ihre Wirksamkeit eine entscheidende Rolle. Die folgenden Beispiele thematisieren zunächst nicht-nachhaltiges Verhalten und stellen dann einen Green Nudge vor, der auf das gewünschte Verhalten abzielt.

Der Supermarkt, der seine Kunden mit auf eine „Klimareise“ nimmt

Im Durchschnitt verursacht ein einzelner Supermarkt CO₂-Emissionen, die denen von 635 Autos pro Jahr entsprechen. Mit über 10.000 Supermärkten in Deutschland summiert sich dies zu einer beträchtlichen Klimabelastung. Um diese Auswirkungen zu mildern, ist es wichtig, Kunden zu nachhaltigen Entscheidungen zu bewegen. Doch Menschen neigen dazu, an gewohnten Routinen und Gewohnheiten festzuhalten, selbst wenn diese nicht umweltfreundlich sind.

In einer Filiale der dänischen Supermarkt-Kette Kvickly wurden 94 Green Nudges und auffällige visuelle Hinweise getestet, um Kunden zu klimafreundlicheren Einkaufsentscheidungen zu motivieren. Das Konzept der „Klimareise“ des Supermarktes fördert nachhaltigere Entscheidungen, insbesondere den Konsum von mehr Gemüse statt rotem Fleisch. Durch diese Maßnahmen konnte Kvickly die CO₂-Emissionen des Testmarktes um 14 Prozent senken. Die Reduzierung entspricht dem selbst gesteckten Klimaziel der Kette bis 2030, es wurde im Testmarkt bereits nach sechs Monaten erreicht. Die effektivsten Nudges werden nun national ausgerollt.

Der „Klimabon“ für mehr Transparenz beim Online-Shopping

Immer mehr Menschen suchen aktiv nach Informationen über den Klimaeinfluss der Produkte, die sie kaufen: Seit 2016 stiegen die Google-Suchen nach nachhaltigen Gütern weltweit um 71 Prozent. Oft fehlen jedoch Informationen zur Nachhaltigkeit der Produkte, wie zum Beispiel deren CO₂-Fußabdruck. Besonders beim Lebensmitteleinkauf ist die Bewertung zahlreicher Produkte in kurzer Zeit eine Herausforderung, und es ist unrealistisch, dass Verbraucher jedes einzelne Produkt vor dem Regal detailliert prüfen.

Der norwegische Online-Supermarkt Oda führte eine innovative Lösung ein, um Emissionstransparenz in die Einkäufe zu bringen. Er entwickelte einen „Klimabon“, der sowohl den Preis der gekauften Lebensmittel als auch deren CO₂-Emissionen anzeigt. Um Kunden besser zu sensibilisieren, was beispielsweise 2,7 kg Kohlendioxid pro Kilogramm bedeuten, ordneten sie alle Produkte in vier verschiedene Emissionskategorien ein: niedrig, mittel, hoch und sehr hoch, dargestellt durch die Farben Grün, Gelb, Orange und Rot. Das Resultat: Der Verkauf von Fleisch hat deutlich abgenommen, während der Absatz von Fleischalternativen um 80 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig haben Kunden 50 Prozent mehr Obst und Gemüse gekauft.

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Ein digitaler PoS-Nudge, der bessere Alternativen aufzeigt

Menschen sind Gewohnheitstiere, und es erweist sich oft als schwierig, sie von schlechten Kaufgewohnheiten abzubringen. Wer einmal in das Muster verfällt, regelmäßig ungesunde Produkte zu kaufen, neigt dazu, dieses Verhalten immer wieder zu wiederholen. Die Kraft der Gewohnheit ist stark und kann selbst bei bestem Wissen um gesündere Alternativen die Entscheidungen im Supermarkt beeinflussen.

In einem umfangreichen Feldexperiment in den Niederlanden wurden digitale Nudges erprobt, die darauf abzielten, gewohnte Verhaltensmuster zu unterbrechen. Die Studie untersuchte, wie digitale PoS-Nudges den Kauf gesunder Lebensmittel durch eine mobile Selbstscann-App fördern können. Mithilfe dieser App konnten die Teilnehmer Produkt-Barcodes direkt im Supermarkt scannen und so in einen virtuellen Einkaufswagen legen, was den Bezahlvorgang erleichterte. Wurde ein eher ungesundes Produkt, wie zum Beispiel Weißbrot, gescannt, schlug die App eine gesündere Alternative vor, beispielsweise Vollkorntoast. Das Ergebnis: Bei 38 Prozent der Fälle, in denen gesündere Produkte vorgeschlagen wurden, wählten die Nutzer diese auch aus.

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Einkaufswagen-Inlays, die Menschen mehr Gemüse kaufen lassen

Nicht nur konsumieren die Deutschen zu viel Fleisch, sie verzehren auch generell weniger als die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Tagesdosis an Obst und Gemüse. Eine pflanzenbasierte Ernährung trägt nicht nur zu einer besseren Klimabilanz bei, sondern mindert auch zahlreiche gesundheitliche Risiken, darunter Fettleibigkeit und Herzkrankheiten.

In einem Supermarkt-Experiment in den Niederlanden wurden Einkaufswagen mit Inlays getestet, die auf das Prinzip sozialer Normen setzen. Zum einen kommunizierten die Inlays das meistgekaufte Gemüse in diesem Supermarkt und zeigten zum anderen einen speziell gekennzeichneten Platz für Gemüse. Das Ergebnis: 73,3 Prozent der Menschen bemerkten die grünen Inlays im Einkaufswagen, was zu einem leichten Anstieg beim Kauf von Gemüse führte.

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„Lebensretter“-Sticker gegen Lebensmittelverschwendung

Nahrungsmittelverschwendung ist ein Problem entlang der gesamten Lieferkette, besonders in Supermärkten. Kunden lehnen oft optisch unperfektes Obst und Gemüse ab – eine Banane mit zu vielen braunen Flecken oder eine zu weiche Avocado landen dann eher im Müll als im Einkaufswagen. Dies hat gravierende Umweltfolgen: erhöhte CO₂-Emissionen, Wasserverschwendung, Bodenübersäuerung und Verlust der biologischen Vielfalt. Angesichts dieser komplexen Herausforderung ist ein tiefgreifendes Umdenken erforderlich.

Eine kreative Idee zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung stammt aus Kolumbien, wo die Supermarkt-Kette Makro sogenannte „Lebensretter“-Sticker für Obst und Gemüse eingeführt hat. Diese Sticker schlagen Rezepte vor, die sich nach Reifegrad und Farbe des Produkts richten. Beispiel Bananen-Sticker: Er bildet den Reifegrad als Farbspektrum von Grün zu Gelb, dann zu Braun und schließlich zu Schwarz ab. Für jede dieser Reifegrade bietet der Sticker passende Servier- oder Kochvorschläge an. Das Ergebnis: Die durchschnittliche Haltbarkeit von nicht-perfektem Obst und Gemüse kann um sechs Tage verlängert werden, wodurch wöchentlich 70 Tonnen Lebensmittelabfall weniger anfallen.

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Über den Autor

Matthias Höppner, der Initiator und Editor-in-Chief von green-nudges.com, und sein Team veröffentlichen auf ihrer Website, LinkedIn und Instagram jede Woche einen neuen Green Nudge aus aller Welt. Die Seite ist eine der führenden Plattformen für grüne Interventionen, die Menschen zur Inspiration für ihre Arbeit und Projekte nutzen können. Zusätzlich zur wöchentlichen Serie bieten Matthias und sein Team aus erfahrenen Verhaltenswissenschaftlern ein Beratungsangebot für Unternehmen oder andere Organisationen an, um ihnen dabei zu helfen, passende Green Nudges zu identifizieren, mit denen sie Mitarbeiter und Kunden zu nachhaltigem Verhalten bewegen können.

Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeitsmanagement