„Oft reden nicht die Richtigen miteinander“
Herr Lohmann, Sie entwickeln Live-Entertainment-Konzepte und buchen Künstler:innen, unter anderem für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Wie nachhaltig ist die Branche?
Veranstaltungen wie der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verbessern sich nach und nach. Nachdem man sich dort früher noch nicht traute, ein rein vegetarisches oder veganes Essen anzubieten, ist es nun der Standard. Doch eins wird bei den meisten Veranstaltungen noch nicht ausreichend bedacht: die Kommunikation über Nachhaltigkeit. Was für ein großer Hebel das ist, bleibt unterschätzt. Ich arbeite mit beiden Seiten – Agenturen und Auftraggeber – und spüre, was in der Kommunikation schiefläuft.
Zwischen Auftraggeber und Agentur: Organisation nachhaltiger Events
Was läuft schief?
Grundsätzlich gibt es eine Diskrepanz. Eine Agentur sieht sich in der Rolle, einem Auftraggeber dabei zu helfen, eine Veranstaltung zu organisieren. Ein Auftraggeber sieht eine Agentur vielleicht nur als Erfüllungsgehilfen. Beim Thema Nachhaltigkeit haben jedoch beide Nachholbedarf. Manche Unternehmen sind schon weit und auch manche Agenturen sind bereits zertifiziert. Viele Eventagenturen haben aber noch keine große Beratungskompetenz. Wenn ein Kunde Nachhaltigkeit einfordert, können sie bestimmte Sachen umsetzen und andere nicht. Eine vollständige Beratung ist eher selten.
Was bedeutet nachhaltige Beratungskompetenz?
Alle in der Agentur wissen, wie nachhaltige Veranstaltungen funktionieren, wie insgesamt keine höheren Kosten entstehen und wie man das seinen Kunden anbieten kann. Und auch, dass Nachhaltigkeit zur Haltung des Unternehmens gehört. Egal, in welchem Bereich Menschen arbeiten, sollten sie an Workshops teilnehmen und das grundsätzliche Wissen erwerben. Und dazu gehören natürlich auch die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit wie Vielfalt, Inklusion, Gleichberechtigung, gleiche und faire Bezahlung, Meinungsfreiheit und Demokratieverständnis.
Wer spricht mit wem, wenn eine Eventagentur beauftragt wird?
Oft reden nicht die Richtigen miteinander. In der Regel sprechen nicht die Nachhaltigkeitsmanager:innen, sondern die Leitung der Eventabteilung des Auftraggebers mit Sales Managern oder Account Managern der Eventagentur.
In der Regel sprechen nicht die Nachhaltigkeitsmanager:innen, sondern die Leitung der Eventabteilung des Auftraggebers mit Sales Managern oder Account Managern der Eventagentur.
Die haben in der Regel keine grundlegende Ahnung von Nachhaltigkeit, sondern sind für Neu- oder Bestandskunden zuständig. Somit sprechen zwei Menschen über Events, die nicht dazu ausgebildet sind, so etwas nachhaltig umzusetzen. Was kommt dabei wohl heraus?
Wie verläuft so ein Gespräch in der Regel?
Das verläuft eigentlich immer gleich: Es bleibt – wie immer – nur wenig Zeit, also wird alles wie immer gemacht. Die Nachhaltigkeit wird auf das nächste Mal verschoben. Am Ende passiert also nicht allzuviel, weil die Beteiligten nicht die Dringlichkeit, die Wichtigkeit und die Umsetzbarkeit erkennen. Oft heißt es vielleicht noch, man könne ja kompensieren oder etwas Nachhaltiges machen, was nicht extra kosten darf. Reine Kompensation ist jedoch nur teuer, spart keine CO2-Emissionen ein und bringt damit nichts. In manchen Fällen kommt noch jemand vom Einkauf daher, der nur nach dem Prinzip arbeitet, das günstigste Angebot zu nehmen und den Preis zu drücken. Wenn diese Person keine anderen Parameter kennt, wie den CO2-Wert, dann bleibt nichts anderes übrig als das günstigste Angebot. Doch dieses sollte immer doppelt und dreifach hinterfragt werden. Ein nachhaltiges Einkaufsmanagement kann hier als Leitlinie helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Eventmanagement gehört in Strategie und Reporting
Könnten hier Nachhaltigkeitsmanager:innen ins Spiel kommen?
In Agenturen sollten sie an verschiedenen Stellen mitwirken. Zum Beispiel können sie bei der Umsetzung helfen, etwa mit einer Matrix, die Nachhaltigkeitspflichten für verschiedene Länder aufführt. Wenn die Leitlinien für die gesamte Veranstaltung gelten, müssen sich alle danach richten. Solche Vorgaben sind für alle Supplier eine Erleichterung. In Unternehmen arbeiten viele Nachhaltigkeitsmanager:innen in Bereichen wie der Produktion oder der nachhaltigen Entwicklung, die aber nichts mit Events zu tun haben. Das Thema wird ausgeklammert, weil man denkt, das könne man eh nicht ändern, oder weil man den positiven Impact durch nachhaltige Events nicht erkennt. Vielen Unternehmen ist nicht bewusst, dass sie bei Veranstaltungen mit Senkungen von Emissionen und mit Partnerschaften auf das einzahlen können, wofür sie sich in Foundations oder Stiftungen schon länger engagieren und damit auf die Firmenziele einzahlen können.
Mehr über den Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement erfahren Sie in unserem Podcast: |
Eine Aufgabe der Unternehmensführung?
Nachhaltige Events gehören in die Unternehmensstrategie und den Nachhaltigkeitsbericht. Der positive Impact kann ihnen tatsächlich helfen, schließlich müssen auch sie klimaneutral werden. Wenn sie mehr Biodiversität herstellen oder sich in sozialen Bereichen engagieren, hat das nicht nur einen positiven Effekt für die Nachhaltigkeit, sondern auch auf die Wirkung und Reichweite der Marke. Zum Beispiel kann man bei Veranstaltungen mit lokalen NGOs zusammenarbeiten, um vor Ort zu wirken und einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Viva con Agua hat dafür sogar eine eigene Storytelling-Agentur gegründet, weil sie genau wissen, dass man mit gutem Storytelling und echtem Impact Menschen emotional bewegen kann.
Wieviel sollten Unternehmen über den negativen Impact ihrer Events sprechen?
Es geht nicht darum, über den negativen Impact zu sprechen und auch nicht darüber, wie schrecklich doch alles sei. Es geht um Transparenz und auch darum, zeigen zu können, welche Hürden es noch gibt, was man noch nicht schafft und woran man noch arbeitet.
Es geht um Transparenz und auch darum, zeigen zu können, welche Hürden es noch gibt, was man noch nicht schafft und woran man noch arbeitet.
Das schafft Vertrauen und so findet man auch den ein oder anderen Kooperationspartner, um Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Wie sie diesen Weg gemeinsam gehen können, sollten Unternehmen aufzeigen.
Das bedeutet?
Wer eine Haltung einnimmt, kann Kunden und Gästen klarmachen, wie wichtig es ist, dass die Veranstaltung nachhaltig wird, dass wir den negativen Impact senken und dass auch sie Teil der Lösung werden. Viele Gäste wissen zum Beispiel nicht, dass ihre Anreise den größten negativen Impact hat. Das kann bei Großveranstaltungen 60 bis 90 Prozent der Emissionen ausmachen. Werden Menschen über ihren Impact aufgeklärt, sind sie eher dazu bereit, etwas zu tun. Wenn sie das Flugzeug oder den PKW vermeiden, hilft das der Gesamtveranstaltung extrem. Darüber hinaus sollten wir Menschen wertschätzen, wenn sie einen Mehraufwand betreiben, weil sie mit der Bahn fahren und länger brauchen. Das könnte man ihnen vor Ort schmackhaft machen.
Nachhaltige Events: Auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Können Events wirklich so viel bewirken?
Wenn Konferenzen, Firmenveranstaltungen, Konzerte oder Festivals einen positiven Impact erzeugen, indem sie auf die SDGs einzahlen, Biodiversität fördern und soziale Aspekte berücksichtigen, können wir dem IPCC-Bericht etwas entgegensetzen. Es gilt zu beweisen, nicht nur weniger schlecht zu sein, sondern mehr für die Umwelt zu tun. Wir haben eine Chance, das Rad ein wenig zurückzudrehen und in die Nähe von 1,5 Grad zu kommen. Nachhaltigkeit geht aber nicht on top. Es funktioniert nicht nur dann, nachhaltig zu agieren, wenn etwas Zeit dafür ist. Wir müssen das professionell und strukturiert angehen, mit einem Nachhaltigkeitsmanagement für alle Unternehmen und Veranstaltungen. Nachhaltigkeit muss die Grundlage des Wirtschaftens werden. Ansonsten haben wir keine Chance.
Was geben Sie Unternehmen auf den Weg, die ein nachhaltiges Event planen?
Es ist zunächst wichtig zu erkennen, was man weiß, sich gegebenenfalls weiterzubilden und Kompetenzen zu entwickeln. Nachhaltige Veranstaltungen umzusetzen und von Einsparpotenzialen zu profitieren, ist letztlich auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Das sollte zu einem Prozess werden. Es darf nicht irgendeine Aufgabe sein, sondern muss in die Firmenphilosophie integriert werden. Zum Beispiel sind Profit und Umsatz bei Edding keine Hauptziele mehr, sondern dem Ziel Nachhaltigkeit nachgelagert.
Im Zukunftsmarkt haben nur die eine Chance, die klimaneutral wirtschaften.
Im Zukunftsmarkt haben nur die eine Chance, die klimaneutral wirtschaften. Ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit zum Geschäftskern gemacht hat, ist dann vertrauenswürdiger als ein Unternehmen, das erst 2044 entdeckt, ein bisschen grün zu sein.
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