„Der Holzkopf des Jahres für die idiotischste Aussage zum Klimawandel geht an: Alice Weidel, Bundesvorsitzende AfD.“ „Unser Werksgelände ist ein Naturschutz-Gebiet.“ „Klimaschutz beginnt für uns beim Betriebsklima.“ „Qualität aus erster Hand: unserer.“ Die Kommunikation von Hartmann Möbelwerke mit Sitz in Beelen fällt auf und polarisiert auch mal. Man darf sagen: Das Führungstrio um Inhaber Bernhard Hartmann, Nachfolgerin Katharina Hartmann und Geschäftsführer Holger Hanhardt traut sich was.
„Wer nicht mutig ist, der kann auch nichts auslösen“
Das Unternehmen kann es sich leisten, eine große Klappe zu haben, denn: Alle Botschaften sind durch Taten unterfüttert. Der Betrieb tut viel für seine Nachhaltigkeit und das wird mit einem erfreulichen Hang zur Provokation seit knapp vier Jahren auch deutlich kommuniziert. Hartmann leistet sich für seine Markenkommunikation eine Top-Agentur, die Hamburger BrinkertLück. Holger Hanhardt macht es Spaß, mit den Agenturleuten zu diskutieren: „Ich finde, das ein bisschen Polarisierende, so ein bisschen an die Grenze ran, aber doch nicht rübertreten – das ist eine hohe Kunst. “ Es gebe manchmal Themen, über die er erstmal eine Nacht schlafen müsse, „aber klar ist auch: Wer nicht mutig ist, der kann auch nichts auslösen“, ist der Geschäftsführer überzeugt.
Seit kurzem läuft über etliche Kommunikationskanäle die neue Kampagne mit dem Claim: „Das Leben ist hart, aber wir sind hartmann.“ Sie soll der aktuell schwierigen Gesamtlage einen hoffnungsvollen Impuls entgegensetzen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Die Möbelbranche und die Menschen in Deutschland stünden vor so vielen Herausforderungen wie nie: Klimakrise und Extremwetter, geopolitische Konflikte, die Frage der Energiesicherheit, steigende Preise. Man zeige selbstbewusst Haltung und Perspektiven in herausfordernden Zeiten – und man zeigt im Wortsinn Gesicht: Auf den Motiven sind samt klarer Statements zu sehen: Bernhard Hartmann, Holger Hanhardt und Katharina Hartmann.
Das Unternehmen kassiert für diese Strategie durchaus Kritik in Social Media. Der Lohn der geradlinigen Kommunikation: eine hohe Aufmerksamkeit, mehr Reichweite, steigende Bekanntheitswerte und eine, so Hanhardt, „kostenlose PR-Verzinsung“ (womit er glasklar recht hat, wie dieser Artikel beweist). Für den Geschäftsführer steht fest: „Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir Vertrauen schaffen. Und es ist ganz, ganz wichtig, gerade in unserer kleinen Branche, dass die Personen, die hinter einem Unternehmen, die hinter einem Möbel, die hinter der Marke stehen, auch als solche genannt werden.“
Nachhaltigkeit ist Teil des Geschäftsmodells
Handwerk, Nachhaltigkeit und Haltung gehen bei Hartmann Möbelwerke eine feine Symbiose ein. Das Familienunternehmen beschäftigt rund 140 Mitarbeitende und fertigt in der rund 6000 Einwohner zählenden Gemeinde im Münsterland wertige Massivholzmöbel. Seit 112 Jahren. Schon allein wegen des Werkstoffs Holz ist Nachhaltigkeit Teil des Geschäftsmodells.
Darüber hinaus investiert der Traditionsbetrieb seit Jahren in nachhaltige Technik. Er erzeugt zum Beispiel mit über 9.000 Photovoltaik-Modulen seinen eigenen Strom und spart auf diese Weise jährlich über 1.300 Tonnen CO2. Anfallende Holzreste werden zum Heizen der Produktionshallen verwendet, das vermeidet nochmals rund 950 Tonnen CO2 pro Jahr. Derzeit plant Hartmann den Bau eines Kreislaufsystems für eine nachhaltige Grundwasserentnahme. Das verbaute Holz stammt aus einem nachwachsenden Forst, zusätzlich pflanzt das Unternehmen für jeden verbrauchten Baum einen neuen.
Nachzulesen ist das und noch viel mehr im ersten Nachhaltigkeitsbericht „Natürlich Hartmann“. Alle Daten und nachhaltigen Maßnahmen sind durch das Deutsche Institut für Nachhaltigkeit & Ökonomie bestätigt, samt anschließender Nachhaltigkeitszertifizierung nach ISO 26000.
Der Satz schreibt sich flüssig hin, aber so eine Zertifizierung ist kein Kinderspiel. Regelmäßig kommt ein Team vom Institut aus Münster und inspiziert den Betrieb. Alles wird unter die Lupe genommen – vom Fuhrpark (da ist noch viel zu tun) über den alten Kopierer (muss weg) bis hin zu Zertifizierungen als klimaneutraler Hersteller der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel (davon hat sich Hartmann losgesagt, weil das Unternehmen CO2-Ausgleichszahlungen für nicht zielführend hält).
Mit jeder Überprüfung werden neue Ziele fürs Folgejahr definiert. Eines der großen Themen ist die Logistik. „Wir sind leider noch nicht in der Lage, den LKW-Fuhrpark so umzustellen, dass wir klimaneutral fahren könnten“, räumt Holger Hanhardt ein. „Da kommt noch viel auf uns zu. Aber wir haben das Ziel, es in den nächsten Jahren zu machen.“
Neben den Herausforderungen rund um die Nachhaltigkeit machen dem Hartmann-Geschäftsführer die Anforderungen der Regulatorik zu schaffen, darunter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Zwar ist der Betrieb selbst zu klein, um einen Bericht abgeben zu müssen. Aber als Lieferant von Möbelhäusern muss Hartmann Nachweise über seine Produktion und Lieferketten erbringen. Unlängst kam mal wieder ein 60-seitiger Fragebogen. Derlei bürokratische Herausforderungen kommen zum Tagesgeschäft noch obendrauf.
Auszeichnungen sind gut für Glaubwürdigkeit und Vertrieb
All die Anstrengungen werden aber durchaus reich belohnt: Im Oktober nahm Hartmann Möbelwerke den GlobalTransitionAward 2023 für seine Vorreiterrolle in der Dekarbonisierung in Empfang, im November folgte der Deutsche Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Möbel und Einrichtung“. Solche Awards sind für die Kommunikation wertvoll – dienen sie doch als externe Kompetenznachweise und stärken die Glaubwürdigkeit. Letztere wird immer wichtiger, denn: Wer sich für den Kauf eines Massivholzmöbels interessiert, fragt heute in der Regel sehr genau nach, woher das Holz stammt, aus dem es gebaut ist. Weil Hartmann darauf gute Antworten hat, genießt das Unternehmen bei den Endkunden hohes Vertrauen. Davon wiederum profitieren auch Händler, die die Möbel von Hartmann vertreiben. Holger Hanhardt: „Fridays for Future haben wir die ganze Woche. Dass das Thema Nachhaltigkeit jetzt so in den Köpfen der Verbraucher präsent ist, das ist für uns Gold wert.“