Active Sourcing

Active Sourcing ist ein Trend im Recruiting. Dabei ist die aktive Personalbeschaffung nicht neu. Viel getan hat sich jedoch bei den Möglichkeiten für einen offensiven Ansatz in der Personalgewinnung. Welche Sourcing-Strategien Erfolg versprechen und wie Sie einen Talent Pool aufbauen, zeigt der Überblick.

Gute Leute sind schwer zu finden. Das gilt heute wohl mehr denn je – der sogenannte "War for Talent" tobt inzwischen um qualifizierte Führungskräfte ebenso wie um gut ausgebildete Nachwuchstalente. Damit wird die Personalgewinnung zur strategischen Herausforderung für HR-Manager und Recruiter. Das zeigt etwa die aktuelle Global-Human-Capital-Trendstudie, für die das Beratungsunternehmen Deloitte 10.700 Personalleiter und Geschäftsführer aus 140 Ländern befragt hat. Die Kernergebnisse hieraus: 


  • Personalgewinnung ist ein zentrales Thema in der deutschen Wirtschaft: Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der deutschen Unternehmensvertreter gaben an, Talent Acquisition sei für ihr sie wichtig oder sogar sehr wichtig.
  • Die Unternehmen überarbeiten ihre Recruiting-Strategien: Auf die Digitalisierung und den drohende Fachkräftemangel reagieren die Unternehmen laut der Deloitte-Studie, indem sie ihre Talent-Acquisition-Strategien anpassen. So überarbeitet derzeit fast die Hälfte der befragten Firmen (45 Prozent) ihren Rekrutierungs-Ansatz. 25 Prozent hatten dies bereits im vergangenen Jahr getan, 14 Prozent in den letzten drei und elf Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Lediglich fünf Prozent der Unternehmen gaben an, eine Neubewertung der Talent-Acquisition-Strategie sei in ihrem Betrieb nicht erforderlich.


Eine der wesentlichen Stellschrauben für die Personalgewinnung im War for Talent ist das sogenannte Active Sourcing. Doch welche Strategien und Methoden sind dabei erfolgversprechend? Oder zunächst ganz grundlegend: Was ist Active Sourcing überhaupt?

Active Sourcing Definition: Was ist Active Sourcing?

Per Definition werden unter Active Sourcing alle Methoden verstanden, mit denen Unternehmen passende Kandidaten für aktuell oder künftig zu besetzende Stellen identifizieren und kontaktieren. Schon der Begriff macht deutlich, worauf der Schwerpunkt liegt: Active Sourcing lässt sich mit "aktive Personalbeschaffung" ins Deutsche übersetzen.

Im Unterschied zum klassischen Recruiting geht es also nicht mehr nur darum, Jobinserate zu veröffentlichen und anschließend auf Bewerbungen zu warten (Post & Pray). Vielmehr übernehmen die Recruiter gewissermaßen die Rolle des Headhunters: Sie suchen aktiv nach qualifizierten Kandidaten, sprechen sie gezielt an und bauen idealerweise ein persönliches Verhältnis zu den potenziellen Mitarbeitern auf. Das Active Sourcing kann intern oder extern erfolgen und umfasst grundsätzlich zwei Phasen:


  1. Die gezielte Kandidatensuche: Hier geht es zunächst darum, qualifizierte Kräfte mit den passenden Profilen für konkrete oder künftig entstehende Positionen zu finden.
  2. Die individuelle Kandidatenansprache: Nachdem die Recruiter geeignete Kandidaten identifiziert haben, müssen sie kontaktiert und für das Unternehmen gewonnen werden. Eine Herausforderung, die Kommunikations- und Verhandlungsgeschick erfordert – denn oft sind die interessantesten Kandidaten gar nicht auf Jobsuche.


In der Praxis sind die Grenzen zwischen beiden Phasen fließend. So liegen in den Unternehmen oft bereits Daten vor, die auf geeignete Kandidaten verweisen. Solche Informationsquellen gilt es zu erschließen. Dabei orientieren sich die Unternehmen und ihre Recruiter zunehmend an den Methoden der Personalberater.

Talent Sourcing: Den Talent Pool auffüllen

Eine wesentliche Komponente der Sourcing-Strategie im Bereich der Personalberatung ist das systematische Talent Relationship Management. Das wohl wichtigste Instrument hierbei ist ein sogenannter Talent Pool – eine Datenbank, in der relevante Informationen zu qualifizierten Kandidaten hinterlegt und verwaltet werden. Ein solcher Talent Pool kann auch Personalmanagern dabei helfen, schnell geeignete Mitarbeiter zu finden und vakante Positionen zeitnah zu besetzen. Zunächst muss eine entsprechende Datenbank jedoch erst einmal aufgebaut werden. Einige relevante Informationsquellen finden sich oft schon im eigenen Unternehmen. Ansatzpunkte sind:


  • Die persönlichen Netzwerke der Mitarbeiter:  Mitarbeiterempfehlungsprogramme oder interne Workshops können den Recruitern dabei helfen, diesen Informationsschatz zu heben.
  • Alumni-Netzwerke: Zudem können die Profile ehemaliger Mitarbeiter in den Talent Pool einfließen. Das gilt insbesondere für Praktikanten, die etwa während ihres Studiums für das Unternehmen tätig waren.
  • Bewerberdaten: Auch wenn ein Kandidat nicht unmittelbar eingestellt wird, können seine Profildaten zu einem späteren Zeitpunkt wieder relevant werden – nämlich bei Personalbedarf im selben oder einem ähnlichen Tätigkeitsfeld. Zu beachten ist allerdings, dass es sich bei Bewerbungsunterlagen um sensible Daten handelt. Sollen sie also im Talent Pool berücksichtigt sein, empfiehlt es sich, eine Einverständniserklärung zur zeitlich begrenzten Archivierung und Verarbeitung der Bewerberdaten einzuholen.


Aktive Personalbeschaffung über interne Kanäle

Beim Aufbau eines Talent Pools können zudem sogenannte Enterprise-2.0-Ansätze helfen. Das belegt etwa eine aktuelle Metastudie, für die ein Forscherteam der Georg-August-Universität Göttingen drei Interviewstudien mit Personal-Experten aus 30 deutschen Unternehmen ausgewertet hat. Einige konkrete Ergebnisse für den Einsatz von internen Social-Media-Anwendungen: 


  • Interne Social Media Sites dienen als Instrument der Personalgewinnung: Sie steigern laut der Auswertung die Wahrscheinlichkeit von Bewerbungseingängen aus dem eigenen Haus.
  • Mitarbeiter-Profile liefern Daten für den Talent Pool: Über umfassende Social-Media-Profile der Mitarbeiter und darauf aufbauende Suchalgorithmen können Personalmanager und Recruiter intern nach Kandidaten für vakante Stellen oder Projekte suchen.


Active-Sourcing-Kanäle: Die Kandidaten an der richtigen Stelle abholen

Selbst ein gut gefüllter Talent Pool ist natürlich nicht unerschöpflich. Daher bedeutet Active Sourcing für die Recruiter gerade auch, mit externen Informationsquellen souverän umzugehen. Dazu ist eine differenzierte Sourcing-Strategie gefragt, denn es gibt unzählige mögliche Datenquellen. So bietet es sich an, zunächst nach den relevanten Sourcing Kanälen zu fragen.

Genau das hat eine großangelegte Studie getan, die das Stellenportal Monster bei der Universität Bamberg beauftragt hat. Befragt haben die Forscher 126 der 1.000 größten Unternehmen in Deutschland (mehr als 50 Millionen Euro Umsatz; mehr als 250 Mitarbeiter) sowie 88 erfolgreiche Mittelständler (zwischen zehn und 50 Millionen Euro Umsatz; 50 bis 250 Mitarbeiter) und 37 große Unternehmen aus der IT-Branche (mehr als 50 Millionen Euro Umsatz und mehr als 250 Mitarbeitern). An der Studie nahmen außerdem 3.400 Arbeitnehmer teil. Einige Ergebnisse aus dieser doppelperspektivischen Untersuchung: 


  • Besonders die großen Unternehmen setzen im Recruiting auf Social Media: Jeweils 70 Prozent der berücksichtigten Top-1.000-Unternehmen sowie der Firmen aus der IT-Branche bewerten Social-Media-Anwendungen in der Rekrutierung positiv. Bei den Mittelständlern waren es noch 37 Prozent.
  • Social Media werden für das Employer Branding und die Talent Akquise genutzt: Bei den Top-1.000-Unternehmen identifiziert die Studie vier zentrale Anwendungsszenarien für Social-Media-Plattformen. Das sind: Employer Branding, Schalten von Stellenanzeigen, Active Sourcing sowie Hintergrundrecherchen zu bereits identifizierten Kandidaten.
  • Die Kandidaten honorieren die Social-Media-Aktivitäten der Unternehmen: Zwei Drittel (67 Prozent) der befragten Arbeitnehmer finden es gut, wenn Unternehmen Social-Media-Anwendungen zur Personalgewinnung einsetzen.
  • Vor allem Karrierenetzwerke eignen sich als Active-Sourcing-Kanäle: Für die aktive Suche nach potenziellen Mitarbeitern nutzen die Unternehmen mehrheitlich die Social-Media-Plattformen Xing (22 Prozent) und Linkedin (9 Prozent). Diese Auswahl deckt sich mit dem Nutzungsverhalten der Kandidaten: Sie suchen mehrheitlich auf Xing (42 Prozent), Linkedin (27 Prozent) und Google + (18 Prozent) nach Jobangeboten und Informationen über Arbeitgeber.


Active Sourcing ist kein Synonym für Social-Media-Recruiting

Obwohl die sozialen Medien inzwischen eine wesentliche Datenquelle für die Unternehmen sind, ist Active Sourcing keineswegs gleichbedeutend mit Social-Media-Recruiting. Einerseits ist der Fokus ein anderer – es geht zum Beispiel weit weniger um Personalmarketing. Andererseits funktioniert Active Sourcing nur teilweise über Xing und Co. Auch das zeigen die Forscher der Universität Bamberg in ihrer Studie für Monster. Bei der Direktansprache von potenziellen Mitarbeitern setzen die Recruiter aus den Unternehmen nämlich offenbar besonders auf den persönlichen Kontakt. Die bevorzugten Active-Sourcing-Kanäle und auch der Stellenwert einer entsprechenden Recruiting-Strategie variieren allerdings nach Branche und Unternehmensgröße:


  • Gerade mittelständische Unternehmen betreiben Active Sourcing: Knapp die Hälfte (45 Prozent) der befragten mittelständischen Unternehmen sucht aktiv nach geeigneten Kandidaten und spricht sie gezielt an. Bei den berücksichtigten IT-Unternehmen verfährt ein Anteil von 27 Prozent so. Bei den Top-1.000-Unternehmen sind es 26 Prozent.
  • Active Sourcing ergänzt den Recruiting-Ansatz: Nur bei wenigen vakanten Positionen versuchen die Unternehmen, die Stelle exklusiv über eine aktive Kandidatenansprache zu besetzen. Wer Active Sourcing betreibt, tut dies laut der Studie meist in Kombination mit einer Stellenausschreibung.
  • Große Firmen setzen auf Face-to-Face-Kontakt: Für die befragten Top-1.000-Unternehmen sind Karriere-Events für Studenten sowie Personalmessen (je 29 Prozent Nennungen) die wichtigsten Active-Sourcing-Kanäle. Darauf folgen persönliche Netzwerke der Mitarbeiter, Recruiter und Personaler (23 Prozent), unternehmenseigene Talent Pools (20 Prozent) sowie Social-Media-Karrierenetzwerke wie Xing und Linkedin (19 Prozent).
  • Mittelständler nutzen oft eigene Kandidaten-Datenbanken: Die befragten mittelständischen Unternehmen setzten bei der Direktansprache mehrheitlich auf eigene Talent Pools (26 Prozent), persönliche Netzwerke (24 Prozent), Personalmessen (16 Prozent) und Social-Media-Karrierenetzwerke (12 Prozent). 


Active Sourcing Methoden helfen bei der Personalgewinnung

In Zeiten, in denen gerade hochqualifizierte Arbeitnehmer aus verschiedenen Jobangeboten wählen können, wird die sogenannte Candidate Experience immer wichtiger. Gerade hier kann der Active-Sourcing-Ansatz offenbar für positive Erfahrungen sorgen, wie ebenfalls aus der genannten Studie hervorgeht: 


  • Die Kandidaten wollen umworben werden: So sagen mehr als die Hälfte (51 Prozent) der 3.400 Arbeitnehmer, die die Universität Bamberg befragt hat, dass sie lieber von den Recruitern angesprochen werden möchten als sich beim betreffenden Unternehmen zu bewerben.
  • Für die Direktansprache eignet sich die E-Mail: Die große Mehrheit der Kandidaten (75 Prozent) bevorzugt eine Kontaktaufnahme per E-Mail gegenüber einem Anruf (18 Prozent) oder einer Direktnachricht über eine Online-Plattform (6 Prozent).
  • Active Sourcing bringt Bewerber: Über ein Viertel der Kandidaten (28 Prozent) hat sich nach einer Direktansprache bei einem Unternehmen beworben. Das hätten sie nach eigenen Angaben nicht getan, wären sie nicht zuvor von einem Recruiter kontaktiert worden. 18 Prozent der befragten Kandidaten sagt, sie hätten den Arbeitgeber gewechselt, nachdem sie zuvor von einem anderen Unternehmen angesprochen wurden – dies, obwohl sie eigentlich nicht auf Jobsuche waren.


Diese und andere Studien zeigen, dass Active Sourcing das Recruiting durchaus bereichern kann. Bei der Entwicklung der Sourcing-Strategie können Personalmanager und Recruiter zunächst im eigenen Haus ansetzen, indem sie die verfügbaren Informationsquellen für einen Talent Pool erschließen. Das kann ebenfalls Synergieeffekte im Talent Management und der Personaleinsatzplanung erzeugen. Für alle weiterführenden Active-Sourcing-Methoden muss zunächst der passende Kanal gefunden werden. Dabei gilt: Der richtige Kanal ist nicht der mit den meisten, sondern der mit den besten Ergebnissen – hier zählen Erfahrungswerte.