Neue Lerntechnologien - die Mischung macht’s
Dr. Ilona Rau, promovierte Volkswirtin und Expertin für Neue Lerntechnologien, weiß was es bedeutet, im Hörsaal oder im virtuellen Klassenzimmer zu lernen und zu lehren. Im Gespräch mit der Haufe-Redaktion berichtet sie von Ihren Erfahrungen und bezieht Stellung zu den Vor- und Nachteilen von Blended Learning.
Frau Dr. Rau, Sie sind Expertin in Neuen Lerntechnologien. Was versteht man darunter?
Darunter versteht man Personen aus dem Bildungsbereich, die mit der Planung, Entwicklung und dem Einsatz internetbasierten Lernens befasst sind. Hauptaufgabe ist es, Tele-Lernszenarien mediendidaktisch sinnvoll aufzubauen und dabei die Besonderheiten der internetgestützten Betreuung von Tele-Lernenden zu berücksichtigen.
Wie sind Sie auf die Tele-Akademie der Hochschule Furtwangen aufmerksam geworden? Und wie wichtig war es Ihnen, einen anerkannten Abschluss erzielen zu können?
Ich habe im Internet gezielt nach Online-Angeboten auf diesem Gebiet gesucht. Die Tele-Akademie der Hochschule Furtwangen war zum damaligen Zeitpunkt die erste Einrichtung, die diese Art der Weiterbildung angeboten hat. Die Frage der Anerkennung des Abschlusses war dabei damals für mich zweitrangig.
Das Studium an der Teleakademie der Hochschule Furtwangen haben Sie selbst im Blended-Learning-Verfahren absolviert. Wie waren Ihre Erfahrungen?
Meine Erfahrungen mit Blended Learning waren durchweg positiv. Die Präsenzphasen gaben eine erste Orientierung, die Möglichkeit, sich kennen zu lernen, Gruppen zu bilden und sie motivierten zum Lernen. Für die Online-Lernphasen gab es viele Online-Materialien, mit deren Hilfe wir uns in den Bereichen Medieninformatik, Mediendidaktik und Tele-Tutoring fit machen konnten. Sie ermöglichten ein flexibles und individuelles Lernen, bei dem die gelernten Tools gleich angewendet werden konnten, verlangten aber auch ein hohes Maß an Eigenmotivation. Während dieser Phasen wurde man unter anderem auch deswegen von Tele-Tutoren betreut. In Chats, Newsgroups und mit Hilfe von Software, die die Zusammenarbeit in der Gruppe unterstützte – und gelegentlich auch einfach per Telefon – fand der Informationsaustausch und die notwendige Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt.
Haben Sie sich für diese Form der Weiterbildung entschieden, weil Sie als Mutter so besser Lernen und Familie vereinbaren konnten? Oder anders gesagt: Lernen mehr Frauen als Männer in Teleakademien?
Für mich persönlich war es in der Tat ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Blended-Learning-Weiterbildung. Es ermöglichte mir orts- und zeitunabhängiges Lernen und geringe Abwesenheitszeiten von der Familie.
Ich kenne keine Statistiken über geschlechtsspezifische Aspekte in Bezug auf Blended Learning. Ich glaube aber, dass der Wunsch von Frauen, den Beruf mit den erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen auszuüben und die gewollte und notwendige Familien- und Kinderbetreuung zu erbringen, durch Blended Learning in besonderer Weise realisiert werden kann. Auch, weil diese „hybride“ Form des Lernens durch die Kombination von Online- und Präsenzlernen den „sozialen Aspekt“ berücksichtigt: die direkte persönliche Kommunikation und soziale Interaktion innerhalb der Lerngruppe und zwischen den Lernenden und Lehrenden wird im Gegensatz zum reinen E-Learning gefördert.
Wie lange dauerte die Ausbildung? Was hat Ihnen in der Zeit Schwierigkeiten bereitet und wie konnten Sie diese lösen?
Die Ausbildung an der Teleakademie dauerte ein Jahr. Vielleicht ist es die historische Verklärung –meine Ausbildung liegt fast 10 Jahre zurück –, aber ich kann mich an keine größeren Schwierigkeiten erinnern. Wenn es Probleme gab, dann waren sie meist technischer Art, zum Beispiel im Umgang mit den neuen Kommunikations- und Kooperationswerkzeugen.
Worin sehen Sie die Vorteile des Blended Learnings für die beruflichen Aus- und Weiterbildung?
Blended Learning versucht, die Vorteile des E-Learnings mit den Vorteilen von Präsenzlernen zu kombinieren. Lernort und -zeit können selbst bestimmt werden und trotzdem wird auch der soziale Austausch in Form von direkter, persönlicher und realer Kommunikation ermöglicht. Für Unternehmen kommt als Vorteil noch hinzu, dass in relativ kurzer Zeit eine große Anzahl von Mitarbeitern geschult werden kann.
Wie wichtig war es für Sie bei den Präsenzveranstaltungen Ihre Lernkollegen von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen? Haben Sie heute noch Kontakt?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der ersten Präsenzveranstaltung erst einmal persönlich kennen zu lernen, fand ich sehr wichtig. So hatte man später in der virtuellen Kommunikation mittels E-Mail, Chat etc. eine Vorstellung darüber, mit wem man zusammen arbeitet. Heute habe ich keinen Kontakt mehr zu meinen Lernkolleginnen und -kollegen. Das hängt aber vor allem damit zusammen, dass wir aus ganz verschiedenen Teilen Deutschlands und der Schweiz zusammen gekommen sind. Das ist ja gerade der Vorteil des Blended Learning, die Ortsunabhängigkeit!
Können Sie konkrete Beispiele nennen, wo Sie in der betrieblichen Personalentwicklung bzw. im Arbeitsschutz Blended Learning für besonders effektiv halten?
Unabhängig von einem speziellen Fachgebiet ist Blended-Learning immer dann effektiv, wenn es um zeitliche und örtliche Flexibilität für die Teilnehmer geht. Eine reine Präsenzschulung wird immer dann unverzichtbar sein, wenn praktische Fähigkeiten vermittelt werden sollen. Hier stößt jedes Onlinelernen an seine Grenzen. Beim Thema Arbeitsschutz muss zudem berücksichtigt werden, dass bestimmte Verordnungen explizit die mündliche Durchführung einer Unterweisung vorschreiben. Wichtig ist, dass Blended-Learning in ein methodisch-didaktisch konzipiertes Lernszenario eingebettet wird, welches die Zielgruppe, Lehrinhalte, Lehr- und Lernziele sowie die Lernsituation berücksichtigt.
Wohin wird der Trend beim lebenslangen Lernen gehen? Bleiben die Älteren nicht immer mehr auf der Strecke, weil sie dem technischen Entwicklungstempo nicht mehr folgenkönnen?
Vom Verlassen der Schule bis ins Seniorenalter ist Weiterbildung ein wichtiger Baustein beruflicher und persönlicher Entwicklung. Immer noch besteht bei den Älteren eine Zurückhaltung gegenüber neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Zudem lernen ältere Menschen langsamer und ihre Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, wird schlechter. Ich glaube aber, dass es keiner speziellen „Altendidaktik“ bedarf. Vielmehr müssen hinderliche Faktoren bezüglich des Zugangs zu und der Nutzung von neuen Medien identifiziert und in einer spezifischen Lernsituation berücksichtigt werden. Auch ein so genanntes Bildungscoaching, das die Lernenden in ihrem Lernprozess begleitet, wäre ein gezieltes Angebot für ältere Menschen. Es ist wichtig, eine Lernatmosphäre zu schaffen, in der Lernen möglichst ohne Druck und ohne Konkurrenz stattfinden kann. Für ältere Lernende ist die Gruppe als Ort des gemeinsamen Lernens und Austausches wichtig. Den Präsenzphasen in Rahmen des Blended Learning muss hierbei eine große Bedeutung beigemessen werden.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Rau.
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