Smart-Farming: Wie die Arbeit auf dem Land sicherer und gesünder wird
Moderne Technologien wie Digitalisierung, Robotik, Sensorik und Künstliche Intelligenz bieten vielfältige Möglichkeiten, Land- und Forstwirtschaft produktiver und effektiver zu machen. Diese als „Smart-Farming“ bezeichneten technologischen Lösungen haben darüber hinaus aber auch das Potenzial, die Sicherheit der Arbeitsprozesse und damit die Gesundheit der in den „grünen Berufe“ Beschäftigten zu verbessern.
Einige Beispiele für diese neuen Methoden und Instrumente sind:
- Melkroboter, die Kühe automatisch und ohne jegliche manuelle Hilfe mit Erkennungssystemen auf Basis von Ultraschall, Laser und optischen Sensoren melken.
- Herdenmanagementsysteme, die die Tierernährung und -versorgung planen und steuern.
- Telematik-Systeme für die Steuerung von Traktoren, Mähdreschern und anderen Maschinen, die permanent während ihrer Einsätze neue Daten auf dem Feld oder der Straße verarbeiten und dadurch Arbeitsprozesse neu berechnen.
- Precision-Farming bzw. Präzisionslandwirtschaft, die Unterschiede der Bodenbeschaffenheit und der Ertragsfähigkeit eines Feldes genau berechnet und demensprechend die Bewirtschaftung der Fläche präzise steuert – beispielsweise die Menge an Dünger oder Pestiziden.
Landwirte sehen Vorteile
In einer Umfrage des Deutschen Bauerverbands aus dem Jahr 2020 gaben vier von fünf Landwirten/-innen an, diese digitalen Management-Technologien zu nutzen, fast drei Viertel sehen darin eine große Chance für den Betrieb. Neben der Produkteffizienz bewerten die befragten Landwirte auch die positiven Effekte dieser Technologien auf ihr Arbeitsleben ganz besonders positiv: 79 Prozent zählen die körperliche Entlastung zu den Vorteilen, 57 Prozent betonen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Die weite Verbreitung dieser Technologien dürfte dann auch ein nicht unwesentlicher Grund dafür sein, dass die Unfallzahlen in den vergangenen stark zurückgegangen sind. Insgesamt verzeichnet die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) in 2021 insgesamt 61.578 meldepflichtige Unfälle, 2020 waren es noch 64.060, 2011 sogar noch über 170.000 Unfälle.
Revolution im Stall
Auch wenn die Zahl der Unfallopfer in der Tierhaltung zurückgegangen ist, bleibt der Umgang mit Großvieh die größte Gefahrenquelle in der Landwirtschaft. 14.341 Unfälle (2020: 14.781) mit einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen wurden 2021 im Bereich der Tierhaltung gemeldet. Dieser Rückgang ist ganz sicher auch mit den neuen Technologien verknüpft, die bewirken, dass der Kontakt zwischen Mensch und Tier nicht mehr so eng und unmittelbar ist wie in früheren Zeiten.
Ob Melkroboter, automatische Entmistung und Fütterung, selbstständig arbeitende Futterschieber, Einstreugeräte und Sensorsysteme zur Tierkontrolle – um die Arbeiten in der Milchwirtschaft zu erleichtern und wertvolle Zeit zu sparen, werden bereits heute zahlreiche digitalisierte Lösungen eingesetzt. Automatische Melksysteme mit Melkrobotern, kurz AMS genannt, sowie Herdenmanagement- bzw. Fütterungssysteme (Precision-Livestock-Farming-Systeme, PLF) haben bereits eine weite Verbreitung gefunden.
Schon mehr als 50 Prozent aller aktuell in Deutschland neu installierten Melksysteme sind AMS – Tendenz steigend. Auch PLF-Systeme sind schon in mindestens der Drittel aller Viehhaltungsbetrieben im Einsatz. Studien aus verschiedenen Ländern Westeuropas haben gezeigt, dass sich die Work-Life-Balance der Landwirte, die AMS- und PLF-Systeme anwenden, sehr verbesserte. Der hauptsächliche Grund hierfür ist der wesentlich veränderte Arbeitszeitbedarf. Denn die Tiere müssen nicht mehr rund um die Uhr vor Ort im Stall kontrolliert werden, sondern mittels digitaler Überwachung können die Landwirte alle relevanten Parameter auch im Wohnzimmer oder in der Freizeit einsehen.
Precision-Farming senkt Exposition
Auch die Gefährdung beim Einsatz von Bio- und Pestiziden während der Feldarbeit wird mittels der neuen Technologien wesentlich eingeschränkt. Intelligente Präzisionssprühgeräte als Instrumente des Precision Farmings, beispielsweise Drohnen mit Fernsprühfunktion, können die Tröpfchengröße und die Düsendurchflussrate so steuern, dass sie die Übertragung der versprühten Substanz auf eine landwirtschaftliche Nutzfläche maximieren. Gleichzeitig können sie die Menge der verwendeten Chemikalien und damit die Exposition der Beschäftigten gegenüber den gefährlichen Stoffen deutlich reduzieren – teilweise um bis zu 90 Prozent. Aktuell in der Entwicklung befindliche Systeme, die mit Laser-Wee-Zapping-Technologien operieren, verzichten sogar vollständig auf den Einsatz von Pestiziden.
Maschinen- und Fahrzeugsicherheit
Maschinen- und Transportunfälle gehören zu den häufigsten Verletzungsarten in der Land- und Forstwirtschaft, bei den Todesfällen nehmen sie sogar die Spitzenposition ein. In Deutschland sind 17 Prozent der Verletzungen in der Forstwirtschaft gerätebedingt, in der Landwirtschaft und Landschaftsbau sind es sogar jeweils mehr als 35 Prozent.
Neue Technologien verbessern die Maschinen- und Fahrzeugsicherheit beispielsweise mittels Kraft-Drehmoment-Sensoren, Tast-, Umgebungs- und Drucksensoren sowie Not-Aus-Schaltern. Kamera-Monitor-Systeme helfen bei der Vermeidung von toten Winkeln und schützen so vor Kollisionen. Die Kameras können die toten Winkel hinter, neben und vor dem Fahrzeug erfassen und ermöglichen auf Wunsch eine Innenansicht sowie die Überwachung von fahrzeugspezifischen Funktionen. Die Bilder von mehreren Kameras können auf einem einzigen Monitor im Fahrerhaus angezeigt werden, um zum Beispiel die Tiefe der Erntegabel zu kontrollieren.
Benutzer-Kompetenz entscheidend
Allerdings stellten einige Studien und Umfragen auch fest, dass sich die positive Wirkung der neuen Digitaltechnologien erst mit der Zeit entfalte. Während der Implementierungsphase würde sich der Stress durch die neuen Methoden erst einmal erhöhen, weil die Menschen sich zunächst an die neue Technologie gewöhnen müssen. Die Arbeit in einem derart hochtechnologischen Umfeld erfordere daher auf jeden Fall (informations-)technologisch besser ausgebildete Arbeitskräfte.
Fortbildungen seien daher noch wichtiger für die Beschäftigten in den grünen Berufen als ohnehin schon, um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Blieben die Beschäftigten im Umgang mit den neuen Technologien nicht am Ball, so könnten zwar die körperlichen Belastungen durch den Einsatz der Systeme reduziert werden, diese würden aber gleichzeitig durch vermehrten psychischen bzw. psychosozialen Stress für die Beschäftigten ersetzt.
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