Unfallversicherungsschutz bei einem vom Arbeitgeber finanzierten Fahrsicherheitstraining?


Unfallversicherung bei vom Arbeitgeber finanzierten Fahrtraining

Die Teilnahme an einem vom Arbeitgeber finanzierten Fahrsicherheitstraining kann nach einem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.12.2021 (Az. L 15 U 311/20) dem Versicherungsschutz als Beschäftigter nicht zugerechnet werden, soweit damit keine geschuldete arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt wird.

Eine versicherte Tätigkeit komme allenfalls dann in Betracht, wenn das Fahrtraining während der Arbeitszeit oder bei Freistellung unter Anrechnung auf das Arbeitszeitkonto stattfindet und der Arbeitgeber die Teilnahme anordnet. Auch lag kein Versicherungsschutz für eine vom Arbeitgeber getragene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vor, da es am betrieblichen Zusammenhang mangelt, wenn die Veranstaltung so geplant ist, dass aufgrund ihrer Eigenart von vornherein ersichtlich ist, dass ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen wird.

Der Fall: Produktionsmitarbeiterin verunglückt beim Motorrad-Fahrsicherheitstraining

An einem Samstag nahm die klagende Arbeitnehmerin mit ihrem eigenen Motorrad an einem Fahrsicherheitstraining für Motorräder auf einem ADAC-Verkehrsübungsplatz in P. teil. Sie verlor bei einer Übungseinheit die Kontrolle über ihr Motorrad, stürzte und verletzte sich an der rechten Hand (Riss des Sehneninnenbandes des rechten Daumens).

Die Teilnahme an diesem Fahrsicherheitstraining war ihr – wie auch sämtlichen anderen Mitarbeitern – von ihre Arbeitgeberin angeboten worden. Es handelte sich hierbei um ein vom ADAC regulär durchgeführtes und vom Arbeitgeber bezahltes Fahrtraining. Eine Förderung oder Bezuschussung im Rahmen von Präventionsförderungsmaßnahmen seitens der Beklagten bestand nicht. Die Arbeitgeberin ermöglichte ihren Mitarbeitern in ähnlicher Weise im Laufe des Jahres 2019 die Teilnahme an einem Ersthelfer-Lehrgang und an einem Auto-Fahrsicherheitstraining.

Die Arbeitgeberin teilte mit, die Veranstaltung habe der Verkehrssicherheit gedient. Sie sei mit Aushang am „schwarzen Brett“ publiziert worden. Von den 96 Betriebsangehörigen, denen die Veranstaltung allen offen gestanden habe, hätten 4 Personen teilgenommen, die anderen hätten kein Interesse, kein Motorrad oder keinen Führerschein gehabt. Ergänzend führte die Arbeitgeberin aus, die Klägerin habe freiwillig an diesem Training teilgenommen. Der Samstag sei kein regulärer Arbeitstag gewesen. Ihr sei auch keine Arbeitszeit und auch kein zusätzlicher Urlaubstag hierfür gutgeschrieben worden.

Die beklage BG lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab.

LSG: Kein Arbeitsunfall mangels betrieblichen Bezugs

Das LSG wies - wie das SG zuvor (SG Köln, Gerichtsbescheid vom 8.6.2020, Az. S 18 U 474/19) - die Klage ab.

Welche Verrichtungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der geschützten Beschäftigung stehen, sei - so das LSG - objektiv auf der Grundlage des konkret zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisses, des tatsächlichen Geschehens und nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Unfallversicherung begründenden Norm zu beurteilen. Eine rechtlich unzutreffende Auffassung von Unternehmen und die subjektive Vorstellung des Beschäftigten, eine bestimmte Verrichtung stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, vermag keinen Versicherungsschutz zu begründen.

Hier habe die Klägerin mit ihrer Teilnahme an der Verkehrsübung keine geschuldete arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis als Produktionsmitarbeiterin erfüllt und auch kein unternehmensbezogenes Recht (z. B im Rahmen betrieblicher Mitbestimmung) wahrgenommen. Es lagen auch keine objektiven Umstände vor, welche die Klägerin zu der Annahme berechtigt hätten, sie komme einer vermeintlichen Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nach. Die Teilnahme an einem Verkehrssicherheitstraining war kein Bestandteil ihres Arbeitsvertrages, sondern nach den Angaben der Arbeitsgeberin völlig freiwillig.

Das Training fand an einem Samstag, außerhalb der regulären Arbeitszeit statt. Die Stunden wurden ihrem Arbeitszeitkonto nicht gutgeschrieben, auch nicht in Form eines zusätzlichen Urlaubstages. Es bestand keinerlei Bezug zu den inhaltlichen Anforderungen ihrer Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin. Selbst wenn ihr Vorgesetzter - wie die Klägerin behauptet - sie darum gebeten haben sollte, an dem Training teilzunehmen, ändert dies nichts daran, dass der Klägerin - wie sie selbst erklärt hat - die freie Entscheidung darüber verblieben war, ob sie ein solches Fahrsicherheitstraining durchführt oder nicht.

Es handelte sich bei der Teilnahme an dem Fahrtraining auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Zwar richtete sich das Angebot an alle Mitarbeiter. Die Veranstaltung hat jedoch schon durch die Auswahl des Verkehrsmittels „Motorrad“ faktisch nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern angesprochen, was sich auch darin zeigt, dass nur 4 von 96 Mitarbeitern daran teilgenommen haben.

Praxistipp

So wichtig es ist, dass Arbeitgeber solche zusätzlichen Trainingsmaßnahmen anbieten, so wichtig ist es auch, hier im Vorhinein für alle Beteiligten Klarheit dahingehend zu schaffen, ob diese unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Eine kurze Nachfrage des Arbeitgebers bei der BG und eine entsprechende Information der teilnehmenden Mitarbeiter (z.B. im Rahmen des sowieso erfolgten Aushangs) hätten Fehlvorstellungen erspart, die wie hier zu einem langen und erfolglosen Rechtsstreit geführt haben.