Obwohl das deutsche Arbeitsschutzrecht heutzutage im allgemeinen Bewusstsein durch öffentlich-rechtliche Vorschriften geprägt ist, hat es auch Grundlagen im Zivilrecht.
Zivilrechtliche Grundlagen
Der Arbeitgeber muss, als Ausprägung seiner allgemeinen Fürsorgepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, die Tätigkeiten der Beschäftigten so gestalten, dass diese gegenüber Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt sind, als die Natur der Tätigkeit es gestattet (vgl. § 618 Abs. 1 BGB). Daraus ergibt sich bereits, dass der Ort der Tätigkeit in Bezug auf die arbeitgeberseitig ausgestalteten Fürsorgepflichten keine Rolle spielt.
Ein Arbeitgeber kann sich seinen entsprechenden Fürsorgeverpflichtungen also nicht dadurch entziehen, dass er Tätigkeiten außerhalb seiner räumlichen Einflussmöglichkeiten durchführen lässt. Folglich gelten die arbeitsseitigen Fürsorgeverpflichtungen vollumfänglich auch im Homeoffice.
Europarechtliche Grundlagen
Das heutige Arbeitsschutzrecht ist stark von europäischen Einflüssen geprägt. Vor allem die RL 89/391/EWG beinhaltet wesentliche Vorgaben, die aufgrund von Art. 288 Abs. 3 AEUV von Deutschland hinsichtlich der definierten Ziele verbindlich umzusetzen sind. Demnach ist festzustellen, dass auch im Europarecht eine Einschränkung der entsprechenden Arbeitsschutzvorschriften auf bestimmte räumliche Bereiche nicht gegeben ist.
Vielmehr findet diese Richtlinie Anwendung auf „alle“ Tätigkeitsbereiche (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 89/391/EWG). Auch hier wird deutlich, dass auch dann ein entsprechender Verantwortungsbereich für den Arbeitgeber verbleiben muss, wenn er ihm zweckdienliche Tätigkeiten in die Privaträume seiner Beschäftigten verlagert.
Arbeitsschutzvorschriften
Auch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) enthält im sachlichen Anwendungsbereich keine Einschränkungen im Hinblick auf die Frage der Räumlichkeiten bzw. Örtlichkeiten. Gemäß den europarechtlichen Vorgaben gilt es für „alle“ Tätigkeitsbereiche (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 ArbSchG). Im Ergebnis muss das ArbSchG also auch auf den Bereich des Homeoffice angewendet werden. Insbesondere muss auch eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden (§ 5 ArbSchG). Gleiches gilt für die erforderlichen Unterweisungen (§ 12 ArbSchG).
Weiterhin bedeutet dies aber auch, dass die aufgrund von §§ 18, 19 ArbSchG erlassenen Rechtsverordnungen grundsätzlich ebenfalls im Homeoffice angewendet werden müssen.
Dementsprechend gilt die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) auch im Homeoffice, so dass Beschäftigten auch in diesen Fällen eine „Bildschirmvorsorge“ (Angebotsvorsorge gemäß § 5 Abs. 1 i. V. m. Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV) bei einem arbeitsmedizinisch fachkundigen Arzt anzubieten ist. Ebenso muss den Beschäftigten Wunschvorsorge gemäß § 11 ArbSchG und § 5a ArbMedVV ermöglicht werden.
Das Gleiche gilt auch für die BetrSichV. Regelmäßig werden auch im Homeoffice „Arbeitsmittel“ i. S. v. § 2 Abs. 1 BetrSichV verwendet. Dabei wird es sich oft um Arbeitsmittel handeln, die den Beschäftigten gehören (dieses Phänomen wird auch als „Bring your own device“ – BYOD – bezeichnet). Hier ist zu beachten, dass vom Grundsatz her Beschäftigte nur Arbeitsmittel verwenden dürfen, die der Arbeitgeber ihnen zur Verfügung gestellt hat. Alternativ muss er ihnen die Verwendung ausdrücklich gestattet haben (vgl. § 5 Abs. 4 BetrSichV). Diese Arbeitsmittel müssen dann auch in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden (vgl. § 3 BetrSichV).
Lediglich in Bezug auf das Arbeitsstättenrecht gibt es Einschränkungen, welche noch einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden müssen.
Arbeitszeitrecht
Auch in Bezug auf das Arbeitszeitrecht bestehen keine Einschränkungen im Hinblick auf den Ort der Tätigkeit. So gelten die arbeitszeitrechtlichen Regelungen aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) (bzw. den entsprechenden Rechtsverordnungen, wie der AZV für Bundesbeamte) auch im Homeoffice. Insbesondere sind hier dann auch die Tageshöchstarbeitszeiten nach § 3 ArbZG, die Ruhepausen nach § 4 ArbZG und die Ruhezeiten nach § 5 ArbZG im Homeoffice zu beachten.
Fazit
Wenn Beschäftigte ihre Tätigkeiten im Homeoffice (und damit außerhalb der dem Arbeitgeber zuzuordnenden Räumlichkeiten) ausführen, sind grundsätzlich die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften zu beachten. Folglich ist ein Arbeitgeber nicht von seinen Verpflichtungen suspendiert, wenn er die Tätigkeiten räumlich in Örtlichkeiten verlagert, die den Beschäftigten gehören. Im Hinblick auf die Frage der konkreten Umsetzung der entsprechenden Arbeitsschutzvorschriften sollten die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt beratend hinzugezogen werden.