DGUV-Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen


DGUV-Empfehlungen arbeitsmedizinische Beratung und Untersuchung

Die Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen, oft nur als „G-Untersuchungen“ bezeichnet, gibt es nicht mehr. Bereits 2013 wurde eine erste Neuorientierung vorgenommen, die vor allem den Vorsorgeaspekt stärker in den Vordergrund rückte. 2022 folgte eine weitgehende Novellierung, bei der neben dem Präventionsgedanken der Schwerpunkt insbesondere auf der Beratung der Beschäftigten bzw. Versicherten liegt. Der Artikel stellt die wichtigsten Änderungen der vergangenen Jahre vor.

Seit 2013: Ausrichtung am ASiG

Seit 2008 ist die ArbMedVV die verbindliche Rechtsgrundlage für den Arbeitgeber, wenn es um die Handhabung der arbeitsmedizinischen Vorsorge für die Beschäftigten geht. Das hatte zunächst einmal nur eingeschränkte Auswirkung auf die Bedeutung der G-Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Nachdem die ArbMedVV im Jahr 2013 novelliert wurde, hat sich das stark geändert. Bis zur Novellierung galt, dass die Regeln um Untersuchungsinhalt und -umfang bei der DGUV verbleiben. Hielt sich der Arzt an die DGUV-Grundsätze und ihre Empfehlungen, so konnte man davon ausgehen, dass es sich um ordnungsgemäße Pflicht-, Angebots- und Wunschuntersuchungen handelte.  Dies galt vor allem auch hinsichtlich ihres Inhalts und Umfangs.

Das ist nun nur noch eingeschränkt der Fall. Der staatliche Ausschuss für Arbeitsmedizin bestimmte, dass die von ihm aufgestellten und erlassenen Regelungen und Empfehlungen vom Betriebsarzt nun auch zu Inhalt und Umfang aller Vorsorgearten primär zu berücksichtigen seien. Den DGUV-Grundsätzen wurde zudem ihre Vermutungswirkung abgesprochen – weil sie nicht zwischen Vorsorge und Untersuchungen zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung für eine bestimmte berufliche Tätigkeit unterschieden.

Seit 2013 orientiert sich die Anordnung von Vorsorgen für die Mitarbeiter grundsätzlich und ausschließlich an der erstellten Gefährdungsbeurteilung für den jeweiligen Arbeitsplatz, die Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen der DGUV dagegen am Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und am SGB VII (Sozialgesetzbuch 7). 

Seit 2022: Empfehlungen mit neuer Struktur

Der Gesamtaufbau und die Intention der Empfehlungen hat sich gegenüber den DGUV Grundsätzen deutlich geändert. So wurde das bisher gebräuchliche System der G-Nummern aufgegeben, die Gliederung der Empfehlungen zur Vorsorge folgt stattdessen der Gliederung des Anhangs der ArbMedVV. Anstatt Nummern werden nun lediglich die Bezeichnungen genannt, zum Beispiel „DGUV Empfehlung Lärm“ anstatt G-20 Lärm. Die neue Struktur behandelt zunächst „Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“, darauf folgen „Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“, „Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen“ und schließlich „Sonstige Tätigkeiten“. Die Empfehlungen im Vorsorgeteil sind also nach Vorsorgeanlässen gegliedert und können sowohl für die Pflicht- und Angebots- als auch für die Wunschvorsorge herangezogen werden. Die unterschiedlichen Vorsorgeuntersuchungsarten der G-Untersuchungen bleiben damit also auch im Rahmen der Empfehlungen weiter bestehen. Sie werden aber schon seit 2013 nicht mehr als Untersuchungen, sondern als Angebots-, Pflicht- und Wunschvorsorgen bezeichnet.

Schwerpunkt Beratung

Während bei den bisherigen „DGUV Grundsätzen für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ der Schwerpunkt eher im Untersuchungsbereich lag, liegt der Fokus bei den Empfehlungen nun auf der Beratung der Beschäftigten. Unterschieden wird dabei zwischen einer „Eingangsberatung“, die einer potenziellen körperlichen Untersuchung vorausgeht, sowie einer „Abschließenden Beratung“. Eine körperliche Untersuchung erfolgt wie bislang nur, wenn der Beschäftigte dieser ausdrücklich zustimmt. 

Arbeitsmedizinische Beurteilung

Die bisherige Beurteilung der ärztlichen Untersuchungsergebnisse von „dauernden gesundheitliche Bedenken“ bis „keine gesundheitlichen Bedenken“ entfällt. In den Empfehlungen werden dagegen zunächst die relevanten Erkrankungen oder Funktionsstörungen genannt und abhängig von deren Auftreten präventive Maßnahmen empfohlen, und zwar aufsteigend von „keine Erkenntnisse, die Maßnahmen erfordern“ bis hin zur höchsten Stufe „Erkenntnisse, bei denen ein Tätigkeitswechsel zu erwägen ist“. In der höchsten Stufe wurde bewusst die Formulierung „zu erwägen“ gewählt, um einen solchen Schritt als letztmöglichen Weg kenntlich zu machen. Die Wahl des allgemeineren Begriffes „Erkenntnisse“ berücksichtigt dabei, dass eine Beurteilung auch ohne Untersuchung auf Basis der Eingangsberatung incl. Anamnese erfolgen muss.

Trennung von Vorsorge und Eignung

Die Empfehlungen setzen ferner die Forderung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge um, die grundsätzlich eine Trennung von arbeitsmedizinischer Vorsorge und „Eignungsuntersuchungen“, die dem Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen dienen, um. Beide sollen möglichst nicht zusammen durchgeführt werden, sofern nicht dringliche betriebliche Gründe dies notwendig machen. Die arbeitsmedizinische Vorsorge dient der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten. Eignungsbeurteilungen sollen dagegen aufzeigen, ob eine Person die physischen und psychischen Anforderungen der beruflichen Tätigkeit erfüllen kann. Die Empfehlungen markieren daher auch inhaltlich-strukturell erstmals eine klare Trennung zwischen arbeitsmedizinischer Vorsorge und Eignungsbeurteilungen. Der größere erste Teil der Empfehlungen behandelt die Vorsorge, der zweite die Eignung. 

Neue Empfehlung rein, alter Grundsatz raus

Die Empfehlungen haben ein neues gesundheitliches Risiko aufgenommen, dagegen einen bisherigen Grundsatz entfernt. Mit „Natürliche UV-Strahlung (Sonnenstrahlung)“ gibt es eine neue Empfehlung. Diese gründet sich auf den Angebotsvorsorgeanlass für Tätigkeiten mit intensiver Belastung durch natürliche UV-Strahlung und der seit 2015 neu in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommenen Berufskrankheit-Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“. Aufgehoben wurde der DGUV Grundsatz G 22 „Säureschäden der Zähne“, da die BK-Verdachtsanzeigen hierfür seit dem Jahr 2000 deutlich rückläufig sind.

Vorsorgearten bleiben

Weiterhin werden die drei Formen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, Angebots-, Pflicht- und Wunschvorsorgen, unterschieden. An Maßnahmen zur Pflichtvorsorge muss der Beschäftigte teilnehmen, da ihm ansonsten ein Berufsverbot drohen kann. Die Angebotsvorsorge darf hingegen von ihm abgelehnt werden – Strafen oder ähnliches drohen dem Arbeitnehmer dabei nicht. Die Wunschvorsorge geht vom Arbeitnehmer selbst aus und wird von diesem in Absprache mit dem Arbeitgeber oder dem Vorgesetzten durchgeführt.

Alle Vorsorgearten umfassen immer zunächst ein ärztliches Beratungsgespräch in Verbindung mit einer Anamnese. Hält der Betriebsarzt weiterhin eine zusätzliche körperliche und/oder klinische Untersuchung für erforderlich, so bietet er diese dem Mitarbeiter an. Ein Beschäftigter muss Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge aber ausdrücklich zustimmen, der Betriebsarzt darf sie nicht gegen den Willen des Mitarbeiters durchführen. Insofern handelt es sich für die Beschäftigten tatsächlich nicht um eine medizinische (Pflicht-) Untersuchung, da die eigentliche körperliche Untersuchung nach erfolgter Aufklärung durch den Arzt vom Beschäftigten abgelehnt werden kann.

Angebotsvorsorge

Die am häufigsten durchgeführte Vorsorgeart ist die Angebotsvorsorge. Bei ihr stehen die gesundheitliche Aufklärung und Beratung im Vordergrund und in vielen Fällen finden keine körperlichen und klinischen Untersuchungen im eigentlichen Sinne mehr statt – zumindest darf es bei ihr keinen „Untersuchungsautomatismus“, der früher durchaus der Normalfall war, mehr geben. Bei der Angebotsvorsorge wiegt das Recht des Beschäftigten auf „informationelle Selbstbestimmung“ schwerer als bei der Pflichtvorsorge, daher kann bei ihr der Betriebsarzt nicht einfach von einer stillschweigenden Einwilligung des Beschäftigten zur Weitergabe der arbeitsmedizinischen Beurteilung an den Arbeitgeber ausgehen.

Grundsätzlich muss vor Aufnahme jeder Tätigkeit eine entsprechende Vorsorge (Erstvorsorge) erfolgen. In der Regel sollte eine zweite Untersuchung (Folgevorsorge) vor Ablauf eines weiteren halben Jahres und jede weitere Untersuchung alle 36 Monate stattfinden. Daneben existieren je nach Branche und Berufsgruppe weitere Intervalle, zum Beispiel regelmäßige Impfungen.

Pflichtvorsorge

Für bestimmte besonders gefährdende Tätigkeiten sind Pflichtuntersuchungen erforderlich, so etwa für den Umgang mit besonderen Gefahrstoffen. Aufgeführt sind diese besonders gefährdenden Tätigkeiten im Anhang der ArbMedVV. Den Termin zur Pflichtvorsorge muss der Arbeitgeber schriftlich anbieten. Der Arbeitgeber darf diese Tätigkeiten nur ausüben lassen, wenn sein Mitarbeiter bereits an einer Pflichtvorsorge teilgenommen hat – wozu dieser auch unbedingt verpflichtet ist. Solange der Beschäftigte nicht bei der Pflichtvorsorge gewesen ist, gilt für ihn ein Tätigkeitsverbot. Für diesen Fall kann der Arbeitgeber sogar dessen Gehalt/Arbeitsentgelt zurückhalten. Wird die Pflichtvorsorge dagegen vom Arbeitgeber nicht oder nicht rechtzeitig veranlasst, drohen ihm mindestens ein Bußgeld und eventuell sogar eine Strafe. Der Betriebsarzt darf dem Arbeitgeber grundsätzlich nur das Ergebnis der dem Untersuchungsanlass betreffende arbeitsmedizinische Beurteilung mitteilen – also, ob und inwieweit gesundheitliche Bedenken bestehen oder nicht. 

Wunschvorsorge

Bei der Wunschvorsorge muss die Initiative vom Beschäftigten selbst ausgehen. Der Arbeitgeber muss dem Beschäftigten allerdings über die Möglichkeit der Wunschvorsorge informieren, zum Beispiel im Rahmen einer Unterweisung. Entsprechend der betrieblichen Gegebenheiten sind daher Absprachen zu treffen, die dem Beschäftigten klar vermitteln, auf welchem Weg er die Wunschvorsorge erhalten kann. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus dem Beschäftigten auf dessen Wunsch hin bei grundsätzlich allen Tätigkeiten regelmäßig arbeitsmedizinische Vorsorge ermöglichen, also auch bei Tätigkeiten, die im Anhang der ArbMedVV nicht genannt sind.

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