Arbeitsbedingungen: Was hat sich durch die Digitalisierung wirklich verändert?


Digitalisierung: Wie verändern sich die Arbeitsbedingungen?

Digitale Geräte sind aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Doch wie verändern sich die physischen, psychischen und organisatorischen Arbeitsbedingungen durch die Digitalisierung? Bestehen tatsächlich Unterschiede zwischen den Bedingungen für Beschäftigte, die viel oder fast ausschließlich mit digitalen Geräten arbeiten, und denen, die in erster Linie noch konventionelle Arbeitsmittel verwenden? Wenn ja, wie stark sind diese Unterschiede ausgeprägt? Zwei Studien sind dem auf den Grund gegangen.

Die Digitalisierung birgt Chancen und Risiken für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit, das ist eine Binsenwahrheit. Doch wie genau verändern sich die Arbeitsbedingungen, wenn hauptsächlich digitale Arbeitsmittel für die Beschäftigten zum Einsatz kommen?

Zwei BAuA-Studien für mehr Klarheit

Zwei Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) haben die Unterschiede zwischen Arbeit mit einem hohen Grad an Nutzung digitaler Arbeitsmittel (IKT, d. h. Desktop-PC, Laptop, mobile Endgeräte wie Smartphone und Tablet) und der Arbeit mit nicht-digitalen bzw. nicht-computergestützten Arbeitsmitteln (Werkzeuge, Maschinen, Anlagen etc.) untersucht.

Datengrundlage beider Studien bildete die Befragung „Digitalisierung und Wandel der Beschäftigung (DiWaBe)“, die 2019 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erhoben wurde. Dabei wurden die Ergebnisse der Antworten von rund 6000 (erste Studie) und 8000 Beschäftigten (zweite Studie) aus etwa 2000 deutschen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen verwertet. In beiden Studien arbeitete eine große Mehrheit der befragten Beschäftigten viel oder vorwiegend mit IKT, für rund ein Drittel traf dies nicht zu.

Erste Studie: Gemischte Ergebnisse

Die wichtigsten Ergebnisse der ersten Studie „Arbeitsintensivierung und Handlungsspielraum in digitalisierten Arbeitswelten – Herausforderung für das Wohlbefinden von Beschäftigten?“ (2019): Der Zusammenhang zwischen Digitalisierungsgrad und Arbeitsbedingungen wies sowohl positive als auch negative Facetten auf.

So ging eine stärkere Digitalisierung zwar mit weniger körperlichen Anstrengungen einher, dafür aber mit häufigerer Arbeit im Sitzen. Psychische Anforderungen wie eine hohe Arbeitsintensität waren an digitalisierten und vernetzten Arbeitsplätzen durchschnittlich etwas höher – gleichzeitig ist aber auch der der Handlungsspielraum zur Einteilung der eigenen Arbeit höher. Ob die Unterschiede in der Arbeitsintensität allerdings auf gestiegene (externe) Anforderungen, die Erweiterung des Aufgabenspektrums oder zusätzlichen Qualifikationsaufwand zurückzuführen waren, konnte von den Autoren auf Basis der genutzten Daten nicht abschließend beantwortet werden.

Zweite Studie: Arbeitsanforderungen und Ressourcen

Die zweite Studie „Digitale Transformation und die Arbeitssituation von Basisarbeitenden: Eine Analyse der Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien“ berücksichtige die Antworten von sogar 8000 Arbeitnehmern. Dabei wurden die Zusammenhänge, die mit der IKT-Nutzung der befragten Beschäftigten einhergingen, mithilfe von linearen Regressionsmodellen geschätzt.

Die 2023 veröffentlichten Ergebnisse konnten dabei etwas mehr deutliche (signifikante) Unterschiede in den Arbeitsbedingungen von Beschäftigten mit und ohne (häufiger) IKT-Nutzung aufzeigen, als es in der ersten Studie der Fall gewesen ist. Das könnte unter anderem aber auch daran liegen, dass die Studie mehr Indikatoren berücksichtigte und die Anzahl der Befragten größer war. Bei den physischen Anforderungen blieben die Ergebnisse nahezu identisch mit denen der Vorgängerstudie.

Höhere Arbeitsintensität bei IKT

Als Indikatoren für die Arbeitsintensität wurden Unterbrechungen, Multitasking, starker Termin- oder Leistungsdruck sowie die Bewältigung von Informationsflut betrachtet. Hier zeigten sich signifikante Unterschiede insbesondere bei den Indikatoren Multitasking und Anzahl der Unterbrechungen der Arbeitsprozesse (d. h. störende Unterbrechungen, die den Arbeitsrhythmus beeinträchtigen und Beschäftigte zwingen, begonnene Arbeiten später nachholen zu müssen).

Beschäftigte, die häufig oder immer IKT nutzen, hatten eine um 22,2 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, verschiedene Aufgaben oder Vorgänge gleichzeitig im Auge behalten zu müssen. Für die Unterbrechungen zeigte sich ein ähnlicher Zusammenhang. Hier lag die Wahrscheinlichkeit für Angestellte mit häufiger IKT-Nutzung um ebenfalls rund 22 Prozentpunkte höher. Für Termin- oder Leistungsdruck sowie die Bewältigung der „Informationsflut“ zeigten sich hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Mehr Autonomie bei Arbeitsorganisation

Die Wahrscheinlichkeit, die eigene Arbeit selbst planen und einteilen zu können (Arbeitsorganisation), ist bei Beschäftigten mit häufiger IKT-Nutzung um 12 Prozentpunkte höher. Auch hinsichtlich der Möglichkeit, zwischen verschiedenen Herangehensweisen zu wählen (Entscheidungsfreiheit), und der Möglichkeit, neue Aufgaben zu suchen, zeigten sich signifikante Unterschiede. Für die Autonomie, sich selbst neue Aufgaben zu suchen, ist die Wahrscheinlichkeit von Beschäftigten mit häufiger IKT-Nutzung um 14,1 Prozentpunkte höher. Für die Autonomie bezüglich des Arbeitstempos und der Arbeitsmenge zeigen sich dagegen keine signifikanten Unterschiede.

Quellen:

S.-C. Meyer, A. Tisch, L. Hünefeld (2019): Arbeitsintensivierung und Handlungsspielraum in digitalisierten Arbeitswelten. Herausforderung für das Wohlbefinden von Beschäftigten? In: Industrielle Beziehungen. Zeitschrift für Arbeit, Organisation und Management, 2, S. 207-231.

F. Kopatz, S.-C. Meyer, L. Hünefeld (2023): Digitale Transformation und die Arbeitssituation von Basisarbeitenden. Eine Analyse der Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien, in: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 77, S. 541–552.