Diese sogenannten „Grundsätze” waren bis 2013 der Quasi-Standard der arbeitsmedizinischen Untersuchungen, sie hatten aber immer schon – salopp formuliert – lediglich die Bedeutung von Kochrezepten. Es kommt darauf an, was der Betriebsarzt daraus macht, damit das Ergebnis auch schmeckt.
Eignungsuntersuchungen sind kein Teil der arbeitsmedizinischen Vorsorge
Mit Inkrafttreten der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorosrge (ArbMedVV) hat sich die Bezeichnung der Anlässe für arbeitsmedizinische Vorsorge komplett geändert! Da es jedoch keine „Arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchungs-Verordnung” gibt – und vermutlich auch in absehbarer Zeit nicht geben wird - wählen wir für die Durchführung von Eignungsuntersuchungen die alten Bezeichnungen aus der „blauen Bibel”. Jedoch nur mangels Alternativen, nicht weil es dafür irgendeine Vorschrift gäbe.
Um Missverständnissen vorzubeugen sei an dieser Stelle erwähnt, dass Eignungsuntersuchungen und arbeitsmedizinische Vorsorge strikt getrennt voneinander zu betrachten sind. Das ist seit 2013 vom Gesetzgeber so festgelegt, also für Fachleute keine Neuigkeit mehr. Hier werden ausschließlich Eignungsuntersuchungen im Betrieb behandelt, die sich nicht aus besonderen Rechts- oder Qualitätsanforderungen ergeben, sondern in den „DGUV Grundsätzen für arbeitsmedizinische Untersuchungen” beschrieben sind.
Andere Rechtsanforderungen können z.B. sein: Druckluftverordnung, Sprengstoffgesetz oder Strahlenschutzverordnung. Andere Qualitätsanforderungen können z.B. sein Sehfähigkeitsnachweise nach Vorgaben der DGzfP (Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung) oder auch andere teils bei Audits gefragte QM-Konzepte. Das sind dann keine Eignungsuntersuchungen zum Schutz von Dritten, sondern dienen dem Produktschutz.
Keine anlasslosen Eignungsuntersuchungen!?
Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Arbeitsmediziner, aber hauptsächlich Arbeitgeber stecken leider in einem Dilemma. Einerseits gibt es den inhaltlich meist nachvollziehbaren Wunsch, bei gefahrgeneigten Tätigkeiten mit dem Potential einer Schädigung Dritter sich der gesundheitlichen Eignung des/der Beschäftigten zu versichern. Andererseits hat das BMAS diesem Wunsch klare Grenzen gesetzt. Das BMAS stellt in dem Text Zum Thema Eignungsuntersuchungen vom Oktober 2018 (dessen rechtliche Verbindlichkeit leider unklar ist) zunächst fest: „Eignungsuntersuchungen sind vorrangig ein arbeitsrechtliches Thema.” Zentral ist: Es darf keine „anlasslosen Eignungsuntersuchungen” geben. Im Text wird darauf eingegangen, was Anlässe sind und was nicht. Die Betriebssicherheitsverordnung ist gemäß BMAS ausdrücklich kein Anlass.
Dieser Text des BMAS wird seit Jahren von vielen Akteuren im Arbeitsschutz für realitätsfremd gehalten, das ändert jedoch nichts an seiner Existenz.
Was sagt die DGUV dazu? Gemäß DGUV-Information 250-010 sieht die DGUV sehr wohl die Berechtigung zu regelmäßigen „anlasslosen” Eignungsuntersuchungen, sofern sie „erforderlich und verhältnismäßig” seien. Dies könne auch arbeitsvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Darin besteht eine deutliche Diskrepanz zur Auffassung des BMAS.
Die DGUV schreibt in der DGUV-I 250-010 aber auch: „Die Vereinbarung von Eignungsuntersuchungen, denen kein konkreter Anlass oder kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin (z. B. der Schutz von Leib und Leben Dritter) zugrunde liegt, ist unzulässig. Dies schließt insbesondere eine rein schematische Durchführung von Reihenuntersuchungen aus, die allein an die Zuordnung an eine bestimmte Berufsgruppe ohne konkrete und realistische Gefährdung von Rechtsgütern Dritter anknüpft.”
Es kann im betrieblichen Alltag also nicht einfach „nach Lust und Laune” die Duldung einer Eignungsuntersuchung von Beschäftigten verlangt werden.