Welche Aufbewahrungsfristen für Bewerbungsunterlagen gelten
Bewerbungen sind voll mit persönlichen Daten
Bewerbungsunterlagen enthalten eine ganze Reihe persönlicher Daten. Neben den sog. Kopfdaten wie Name, Vorname, Geburtsdatum und -ort werden in der Regel Wohnort, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, manchmal auch Informationen zu Familienangehörigen preisgegeben. Hinzu kommen Foto, Zeugnisse, Lebenslauf, persönliche Interessen u.s.w.
Bewerber geben diese Daten gewollt und gezielt an potentielle Arbeitgeber heraus und stellen sie zur Auswertung zur Verfügung. Gleichzeitig aber haben sie großes Interesse daran, dass restriktiv mit ihnen umgegangen wird und sie zurückgegeben bzw. gelöscht werden, wenn die Chance auf ein Arbeitsverhältnis passé ist.
Sichere Aufbewahrung, Schutz vor unzulässiger Verbreitung
Bewerbungsunterlagen, die bei einem Unternehmen eingehen, müssen vor dem Zugriff von Unbefugten geschützt werden. Es darf nur ein begrenzter, für Einstellungen zuständiger Personenkreis Zugang zu den Daten haben. Bei E-Mail-Versand und Online-Verwaltung ist eine Verschlüsselung ratsam. Das Personal, das mit den Daten in Berührung kommt, sollte datenschutzgeschult sein und wissen, wo, wie und wie lange die Bewerberdaten gespeichert und verteilt werden dürfen.
Keine festen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für Bewerberunterlagen geregelt
Weder die DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) noch das BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) enthalten eine Vorschrift, aus der die Beteiligten eines Bewerbungsverfahrens exakte Fristen entnehmen können. Dennoch kursieren zum Thema Angaben von zwei bis sechs Monaten. Woher kommen diese und was gilt genau?
Datenschutzprinzipien geben den Takt vor: Fällt der Zweck weg, sind die Daten zu löschen
Daten dürfen nur dann erhoben werden, wenn dies für einen bestimmten Zweck nötig ist. Die Prozesse der Datenverarbeitung müssen jederzeit transparent sein; die Daten dürfen nur solange und nur in dem Umfang vorgehalten werden wie sie für den vorgesehenen Zweck erforderlich sind (Art. 5 Abs. 1 DSGVO). Anhand dieser Vorgaben kann für die spezielle Bewerbungssituation jeweils die richtige Antwort auf die Frage nach der Aufbewahrungsfrist gefunden werden.
Vom Kandidaten selbst zurückgezogene Bewerbung erfordert unverzügliche Löschung
Zieht der Bewerber seine Bewerbung selbst zurück, weil er es sich anders überlegt oder einen anderen Job gefunden hat, geht damit i.d.R. eine Bitte auf Datenlöschung einher. Dieser ist unverzüglich zu folgen (Art. 17 DSGVO). Für den Zweck der Stellenbesetzung ist diese Bewerbung ausgeschieden und daher ohne weiteres Zuwarten restlos zu löschen bzw. zurückzugeben, und zwar auch ohne eine entsprechende Bitte des Bewerbers. Da keine Ansprüche wegen Benachteiligung zu befürchten sind, ist auch unter diesem Gesichtspunkt keine Aufbewahrung nötig.
Max. 3 oder 6 Monate Aufbewahrung nach Absage durch den Arbeitgeber
Wird der Bewerber abgelehnt, benötigt der Arbeitgeber die Unterlagen ebenfalls nicht mehr für die Vorbereitung eines Arbeitsverhältnisses. Dennoch darf er in diesem Fall mit der Löschung der Daten eine Weile warten, denn es könnte sein, dass der Bewerber Ansprüche wegen Benachteiligung gegen ihn erhebt. Um sich hier sachgerecht verteidigen zu können, braucht er die Bewerberunterlagen.
Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sind innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend zu machen (Art. 15 Abs. 4 AGG) und innerhalb von 3 weiteren Monaten einzuklagen (§ 61b ArbGG). Das ergibt 2 und 5 Monate. Um Verzögerungen bei Zustellungen Rechnung zu tragen, wird noch max. ein weiterer Monat als Puffer oben drauf gewährt. So kommen die 3 bzw. 6 Monate als Richtwert zustande.
Ablehnung muss deutlich sein, um die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG in Gang zu setzen
Damit die Fristen für eventuelle Benachteiligungsansprüche tatsächlich anfangen zu laufen und für den Arbeitgeber baldmöglichst Sicherheit herrscht, ist eine deutliche Absage nötig. Das BAG verlangt hierfür eine
auf den Beschäftigten bezogene ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergebe, dass seine Bewerbung keine Aussicht (mehr) auf Erfolg habe (BAG, Urteil v. 29.6.2017, 8 AZR 402/15).
Längere Aufbewahrungsmöglichkeiten bei Einwilligung des Bewerbers
Es ist denkbar, dass die längere Vorhaltung der Bewerbungsunterlagen im Interesse des Bewerbers ist, z.B. wenn seine Bewerbung auf die aktuell ausgeschriebene Stelle nicht genau passt, aber künftig Stellen offen werden können, bei denen der Bewerber berücksichtigt werden möchte. Oder es werden Initiativbewerbungen geschickt, die nicht umgehend zum Erfolg führen, aber ggf. zu einem späteren Zeitpunkt. Dann kann eine Einwilligung des Bewerbers zu längeren Aufbewahrungsmöglichkeiten führen. In Initiativbewerbungen pauschal eine solche Einwilligung hineinzuinterpretieren, geht aber nicht. Wenn keine Einwilligung vorliegt, richtet sich die Aufbewahrung danach, ob passende Stellen in absehbarer Zeit zu vergeben sind. Ist das nicht der Fall, sind auch die Daten von Initiativbewerbungen zu löschen oder zurückzugeben.
Einwilligung muss freiwillig, unmissverständlich und informiert abgegeben worden sein
Es ist Aufgabe des potentiellen Arbeitgebers sich eine ausreichende Einwilligungserklärung des Bewerbers einzuholen. Die Einwilligung muss nicht, sollte aber aus Nachweisgründen schriftlich abgegeben werden, und zwar aktiv, also nicht in irgendeiner Weise „stillschweigend“ oder per vorausgefülltem Kästchen. Sie muss sich eindeutig auf die Daten der Bewerbung zu dem bestimmten Zweck der Wiederverwendung bei künftig freiwerdenden Stellen beziehen. Der Bewerber muss aufgeklärt sein, dass er sie jederzeit widerrufen kann und er muss die echte, freie Wahl gehabt haben, die Einwilligung abzugeben (Art. 4 Nr. 11, 7 DSGVO).
In Sonderfällen dürfen einzelne Daten von Bewerbungen auch ohne Einwilligung länger vorgehalten werden
Der Datenschutz kann in Ausnahmefällen zurücktreten, wenn ein anderes Interesse an längerer Aufbewahrung höher wiegt. Dies ist z.B. bei Unternehmen der Luft- und Raumfahrt der Fall. Sie haben die Luftverkehrssicherheit der Bevölkerung im Blick, wenn sie Bewerberdaten und Testergebnisse vorhalten, um Wieder-Bewerber zu erkennen oder um Auswahluntersuchungen auf Trainingseffekte zu prüfen. Die Datensparsamkeit gebietet es in diesen Fällen, nur die für diesen Zweck essentiellen Daten beizubehalten.
Bei Einstellung sind die Bewerbungsunterlagen teilweise zurückzugeben oder zu löschen
Führt eine Bewerbung zum Abschluss eines Arbeitsverhältnisses, heißt das nicht, dass der Arbeitgeber nun alles von seinem frisch angestellten Mitarbeiter behalten und speichern darf. Jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem alle im Rahmen der Bewerbung zur Verfügung gestellten Unterlagen und Daten darauf zu prüfen sind, ob sie für das Arbeitsverhältnis eine Rolle spielen. Alles, was für das laufende Arbeitsverhältnis nicht unbedingt nötig ist, z.B. Schul- und Ausbildungszeugnisse, Praktikumsbescheinigungen oder das Anschreiben, ist dem Arbeitnehmer zurückzugeben oder – im Falle nur elektronischer Vorhaltung – zu löschen.
Alle Unterlagen der Bewerbung sind überall fristgerecht und unwiederbringlich zu löschen
Auch beim Beseitigen der Daten ist Obacht geboten. Bewerbungsunterlagen dürfen nicht einfach im Mülleimer landen. Es muss penibel darauf geachtet werden, dass die Daten restlos an den Bewerber zurückgegeben bzw. gelöscht oder vernichtet sind. Eine haptische Bewerbungsmappe ist in der Regel an den Bewerber zurückzuschicken, die Daten des Bewerbers, die in interne Systeme notiert oder per E-Mail verteilt wurden, sind an allen Stellen so zu löschen, dass nichts verbleibt, aus dem die Daten noch rekonstruiert werden können.
Auch sämtliche Aufzeichnungen um die Bewerbung herum unterliegen dem Datenschutz
Sämtliche, mit dem Bewerbungsverfahren betraute oder in Berührung gekommene Personen müssen neben den reinen Bewerbungsunterlagen auch Aufzeichnungen, E-Mails, Notizen aus Bewerbungsgesprächen, Assessment-Centern, evtl. Testergebnisse, Probearbeiten oder Fragebögen vernichten. Hier sind Datenschutzbeauftragte und Arbeitgeber gefragt, ihre Mitarbeiter entsprechend zu sensibilisieren und zu schulen und ihre internen Prozesse so zu gestalten, dass datenschutzkonform gearbeitet wird.
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