Fachkräftemangel im Rechnungswesen

Auch das Rechnungswesen ist vom aktuell diskutierten Fachkräftemangel betroffen, Buchhalter und Controller werden knapp. Darunter leidet die Qualität der Arbeit und die weitere Entwicklung des Bereiches. Doch es gibt Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel im Rechnungswesen zu begegnen.

In der deutschen Wirtschaft wird bereits seit langem über die nicht zu besetzenden freien Stellen geklagt. Dieser Fachkräftemangel sorgt dafür, dass Restaurants schließen oder ihre Öffnungszeiten reduzieren müssen, dass der Handwerker für die Heizungsreparatur Monate braucht oder dass die Pflegekräfte im Gesundheitswesen vollkommen überlastet sind. Nicht immer ist das Fehlen fähiger und arbeitswilliger Menschen nur eine Ausrede für schlechte wirtschaftliche Ergebnisse. Im Jahr 2022 konnten nach Aussage der Bundesagentur für Arbeit ca. 600.000 offene Stellen nicht besetzt werden. Andere Quellen sprechen von bis zu 2 Millionen Menschen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft rechnet mit bis zu 7 Millionen fehlenden Fachkräften im Jahr 2025.

Welche Ursachen hat der Fachkräftemangel?

Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Es wirken mehrere Faktoren zusammen, wie der demografische Wandel mit einer zurückgehenden Bevölkerung, weniger Ausbildung und fehlende Attraktivität vieler Branchen, Berufe und Unternehmen. Der Fachkräftemangel ist zu einem Zukunftsthema geworden, auf das sich die Unternehmen einstellen müssen.

Das Rechnungswesen hat in puncto Fachkräftemangel mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Der demografische Wandel spielt eine wichtige Rolle. Denn er lässt nicht nur die Zahl der insgesamt zur Verfügung stehenden potenziellen Buchhalter und Controller sinken, er verschärft auch den Kampf um die wenigen Menschen, die ausbildungswillig und -fähig sind. Das Image des Rechnungswesens als altmodisch, verstaubt und stark reglementiert lässt langweilige Massenarbeit befürchten und verführt viele junge Leute dazu, das Rechnungswesen bereits bei der Berufswahl unberücksichtigt zu lassen.

Gleichzeitig steigen die Ansprüche an die fachlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter im Rechnungswesen. Eine weitgehende Digitalisierung sowie die steigenden gesetzlichen und wirtschaftlichen Anforderungen verändern und verstärken die notwendigen Fachkenntnisse. Das führt zu immer komplexeren Aufgaben, die von den Mitarbeitern im Rechnungswesen erledigt werden müssen. Das schränkt den Kreis möglicher Bewerber weiter ein.

Welche Folgen hat der Fachkräftemangel?

Die Folgen des Fachkräftemangels in der deutschen Wirtschaft werden immer spürbarer. Experten führen einen Teil des aktuellen Wachstumsproblems in Deutschland darauf zurück, dass in den Unternehmen Fachkräfte fehlen oder durch fehlende Fachkräfte z. B. in der Kinderbetreuung potenzielle Arbeitnehmer nicht arbeiten können. Auch im Rechnungswesen können die Auswirkungen dramatisch sein:

  • Aufgaben werden nicht oder nicht pünktlich erledigt. Periodenabschlüsse verspäten sich, Entscheidungen beruhen auf alten oder fehlerhaften Ergebnissen aus dem Rechnungswesen.
  • Fehlendes Fachwissen führt zu Fehlern in der Buchhaltung, was die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung gefährdet.
  • Neue gesetzliche Vorgaben können nicht oder nicht optimal für das Unternehmen umgesetzt werden.
  • Die Belastung für die vorhandenen Mitarbeiter im Rechnungswesen steigt noch weiter, was einen höheren Krankenstand und eine höhere Fluktuation mit sich bringt.

Wie wird der Fachkräftemangel erkannt?

Dass der Trend des Fachkräftemangels im Rechnungswesen angekommen ist, zeigt sich spätestens dann, wenn eine freie Stelle nicht oder nicht adäquat besetzt werden kann. Dann ist es jedoch bereits zu spät. Die Lücke in der Stellenbesetzung ist da. Darum gilt es, den auch in der Zukunft zu erwartenden Trend des Fachkräftemangels im Rechnungswesen frühzeitig zu erkennen. Dafür gibt es einige Anzeichen:

  • Stellen bleiben trotz vieler Bemühungen unbesetzt, dies ist ein eindeutiges Zeichen für den Fachkräftemangel.
  • Die Fluktuation in der Abteilung Rechnungswesen steigt an.
  • Weniger junge Menschen entschließen sich zu einer kaufmännischen Ausbildung.
  • Die Arbeitsbelastung der einzelnen Mitarbeiter im Rechnungswesen steigt an.
  • Kapazitäten für neue Aufgaben, z. B. aus zusätzlichen gesetzlichen Vorgaben, fehlen.
  • Der Anteil an Aufgaben, die von externen Dritten erledigt werden, steigt.
  • Die Qualität der Arbeit in Buchhaltung und Controlling sinkt, Fehler entstehen.

Wie kann auf den Fachkräftemangel reagiert werden?

Langfristig kann nur die Gesellschaft als Ganzes, geführt von der Politik versuchen, den Zukunftstrend Fachkräftemangel zu beenden. Dazu gehören Versuche, den demografischen Wandel zu stoppen, z. B. indem Anreize für Kinderwünsche gegeben werden. Dazu gehören eine sichere Versorgung mit Kita-Plätzen durch den Staat oder familienfreundliche Arbeitsbedingungen wie Teilzeitangebote oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Auch die Werbung für Fachkräfte aus dem Ausland kann in einigen Branchen für eine Abschwächung des Trends sorgen.

Bis diese großen gesellschaftlichen Maßnahmen Wirkung zeigen, muss jedes Unternehmen, speziell jeder Unternehmensbereich individuell, auf den spürbaren Fachkräftemangel reagieren. Dabei hat auch das Rechnungswesen grundsätzlich zwei unterschiedliche Möglichkeiten.

Zunächst kann die Zahl der potenziellen Bewerber erhöht werden:

  • Im Rechnungswesen können viele Standardaufgaben mit anspruchsvolleren Inhalten wie Analysen und Beratungen verbunden werden. Durch moderne Organisationsformen und weitgehende Digitalisierung können die Aufgaben für potenzielle Mitarbeiter interessanter gemacht werden.
  • Das Rechnungswesen muss versuchen, die Arbeitsbedingungen z. B. bei der Arbeitszeit, der Arbeitsplatzgestaltung, dem mobilen Arbeiten aber auch bei dem Gehalt den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes anzupassen.
  • Informationen über den Aufgabenbereich, die Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen können schon früh den Kontakt zu möglichen Bewerbern für die Ausbildung in kaufmännischen Berufen herstellen.
  • Durch Weiterbildung können fachliche Lücken bei den aktuellen Mitarbeitern geschlossen werden.
  • Das Image des Rechnungswesens wird oft als sehr konservativ und wenig modern oder innovativ wahrgenommen. Das kann zumindest unternehmensintern durch entsprechende Informationen verbessert werden.
  • Den Fachkräftemangel durch Anwerbung von Fachkräften im Ausland zu lindern ist im Rechnungswesen nur sehr begrenzt möglich. Viele Aufgaben sind dort von deutschen Regelungen, Gesetze oder durch betriebswirtschaftliche Grundsätze bestimmt. Diese sind im Ausland meist nicht oder nicht mit ausreichenden Sicherheit vermittelt worden.

Als zweite Möglichkeit kann im Rechnungswesen versucht werden, den Bedarf an Fachkräften zu reduzieren:

  • Mit der Zeit überflüssig gewordene Leistungen des Rechnungswesens werden nicht als solche erkannt. Wenn nicht mehr benötigte Aufgaben erkannt und eliminiert werden, schafft das intern Kapazitäten, die nicht von außen durch neue Fachkräfte geschaffen werden müssen.
  • Die Digitalisierung ermöglicht es, Standardaufgaben im Rechnungswesen zu automatisieren. Der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft sinkt, die bisher vorhandenen und jetzt freiwerdende Kapazitäten können anderweitig genutzt werden.
  • Die Mitarbeiter im Rechnungswesen können entlastet werden, wenn Aufgaben mit engem Bezug zu den unternehmensinternen Partnern ausgelagert werden können.
  • Um den Bedarf an Fachkräften im Rechnungswesen zu reduzieren, können definierte Aufgabenbereiche durch Outsourcing erledigt werden. Dabei übernehmen externe Dienstleister die Ausführung, z. B. der Debitorenbuchhaltung mit dem Forderungsmanagement.

Mit welchen Maßnahmen reagiert das Rechnungswesen auf den Fachkräftemangel?

Bei den Maßnahmen als Reaktion auf den Fachkräftemangel im Rechnungswesen geht es um Menschen, Aufgaben und Arbeitsbedingungen. Das sind sensible Bereiche, die entsprechend vorsichtig verändert werden müssen. Ziel ist es, eine Situation mit reduziertem Bedarf an Fachkräften zu schaffen, die sowohl den vorhandenen Fachkräften keinen Grund zu einem Wechsel bietet, als auch potenziellen Mitarbeitern Lust auf eine Bewerbung macht. Die Umsetzung der folgenden Maßnahmen muss so schnell wie möglich beginnen:

  • Eine Personalbedarfsplanung mit einem Zeit Horizont von mindestens 5 Jahren wird aufgebaut. Das hilft, planbare Bedarfe frühzeitig zu entdecken und rechtzeitig auf die Suche nach einer Lösung zu gehen.
  • Mit Hilfe digitaler Personalakten, die auch Informationen über die Ausbildung, Erfahrungen und Fähigkeiten der vorhandenen Mitarbeiter enthalten, wird eine Aus- und Weiterbildungsplanung für die vorhandenen Mitarbeiter aufgestellt. So können Veränderungen in den Bedarfen an Fähigkeiten intern gedeckt werden.
  • Die kaufmännischen Auszubildenden erhalten während ihres Aufenthalts im Rechnungswesen interessante und verantwortungsvolle Aufgaben. Die Arbeit im Rechnungswesen wird so interessant dargestellt, wie sie ist. Auf diese Weise kann die Entscheidung für eine Tätigkeit im Rechnungswesen nach der Ausbildung beeinflusst werden.
  • Alle Aufgaben im Rechnungswesen werden systematisch auf ihre Notwendigkeit hin geprüft. Es finden sich immer wieder Aufgaben, deren Ergebnisse bei dem Empfänger der Informationen nicht mehr benötigt werden. Diese Aufgaben werden eliminiert, Kapazität wird somit frei. Die Aufgabenreduktion reduziert den Bedarf an Fachkräften.
  • Standardabläufe im Rechnungswesen werden weiter digitalisiert. Automatische Verarbeitungen machen manuelle Mengenarbeiten überflüssig, digitale autonome Prozesse mit Künstlicher Intelligenz können auch komplexe Prozesse übernehmen. Durch die Digitalisierung wird Kapazität frei, allerdings werden für die Überwachung und Steuerung der digitalen Abläufe andere Fähigkeiten notwendig.
  • Einige Aufgaben in Buchhaltung und v. a. im Controlling können auch in einer Fachabteilung außerhalb des Rechnungswesens erledigt werden. Mit Hilfe des Rechnungswesens bei der Einrichtung und Steuerung der Abläufe können z. B. Bonitätsbeurteilungen im Vertrieb oder die Verbrauchsbewertung in der Fertigung durchgeführt werden. Diese Auslagerung wird durch die Verwendung digitaler autonomer Prozesse unterstützt.
  • Das Outsourcing von Aufgaben verschiebt diese vom Rechnungswesen zu unternehmensexternen Dienstleistern. Dadurch wird das Problem fehlender menschlicher Fähigkeiten auf den externen Dritten verschoben. Sog. Cloudservices helfen, die Organisation im Rechnungswesen flexibler zu gestalten.
  • Ein angenehmer Arbeitsplatz trägt viel zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei. Die Fluktuation sinkt, potenzielle Mitarbeiter entscheiden sich leichter für das Unternehmen. Die Büroausstattung sollte regelmäßig ausgetauscht und modern gehalten werden, die Räume sind regelmäßig zu renovieren.
  • Das Angebot, zumindest einen signifikanten Teil der Arbeit im Homeoffice erledigen zu können, ist ebenso ein Kriterium, um die Fluktuation klein zu halten und Bewerber für das Unternehmen zu gewinnen.
  • Anders als in vielen anderen Bereichen ist im Rechnungswesen eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen möglich. Dieser Pluspunkt muss genutzt werden, damit bei der Berufswahl und in Bewerbungsgesprächen mit flexiblen Arbeitszeiten gepunktet werden kann.

Praxis-Tipp: Moderne Organisation als Problemlöser

Die traditionelle Organisationstruktur im Rechnungswesen wird vor allem durch digitale autonome Prozesse, die keine Rücksicht auf organisatorische Grenzen nehmen, aufgelöst. Das muss der Anlass sein für eine mutige Veränderung der Strukturen. Dabei können viele vergleichbare Aufgaben in der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung oder im Controlling zusammengelegt werden, sodass neue Aufgabegebiete entstehen. In diesen können vorhandene Fähigkeiten der Mitarbeiter besser genutzt werden, der Bedarf an Fachkräften reduziert sich.


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Schlagworte zum Thema:  Fachkräftemangel, Rechnungswesen, Buchhaltung