STM25: Die Zusammenarbeit von Realwirtschaft und Banken

Die Zwischenergebnisse des Sustainability Transformation Monitor zeigen: Banken sehen sich zunehmend als Partner der Unternehmen in der nachhaltigen Transformation. Doch 60 Prozent der Unternehmen erhalten kaum Unterstützung. Was erwarten sie von ihren Finanzpartnern und wie kann eine bessere Zusammenarbeit gelingen?

Die Transformation hin zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft stellt Unternehmen und Banken vor die Herausforderung, gemeinsam praktikable Finanzierungs- und Transformationswege zu entwickeln. Der Sustainability Transformation Monitor (STM) befragt jährlich Vertreter:innen von Unternehmen, Banken und Investoren, um den Status Quo der Transformation zu beleuchten. 

Über die Zwischenergebnisse des STM sprach Dr. Manuel Reppmann von der Universität Hamburg und wissenschaftlicher Leiter der Studie mit Incken Wentorp, Leiterin der Nachhaltigkeitsentwicklung der Zech Group, und Dr. Ralf Lütz, Sustainability Advisor für Großunternehmen bei BNP Paribas. Eine Aufzeichnung des Gesprächs finden Sie hier.

Wo stehen Banken in der Rolle als Transformationsbegleiter?

Banken spielen eine entscheidende Rolle bei der Transformation, etwa durch Kreditvergabe oder Beratungsangebote. Rund 30 Prozent der bislang 50 befragten Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken geben an, dass sie sich bereits als Transformationsbegleiter ihrer Firmenkunden etabliert haben. Weitere 68 Prozent sagen, dass sie auf dem Weg dorthin sind. Ralf Lütz bestätigt: „Viele Banken verstehen sich bereits als Transformationsbegleiter.“ In diese Rolle haben sich Banken unter anderem aufgrund der Regulatorik über die letzten Jahre hineinentwickelt. „Die Wahrnehmung bei vielen Banken ist, dass die Finanzwirtschaft vor den Karren der Regulatorik gespannt wurde“, so Lütz.

Die Wahrnehmung in der Realwirtschaft scheint aber noch anders zu sein. 60 Prozent der bislang 180 befragten Unternehmen geben an, bisher „gar nicht“ oder „eher nicht“ bei der Transformation durch ihre Geldgeber begleitet zu werden. Von denen, die begleitet werden, geben wiederum nur 17 Prozent an, dass sie dies bislang als unterstützend wahrnehmen. Das deckt sich auch mit der Wahrnehmung von Incken Wentorp: „Ich kenne nur wenige Nachhaltigkeitsmanager:innen aus meinem Umfeld, die Geldgeber als Transformationsbegleiter wahrnehmen.“ 

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Was erwartet die Realwirtschaft von den Finanzierungspartnern?

Die Zwischenergebnisse des STM25 offenbaren, dass Unternehmen vor allem finanzielle Anreize für ihre Nachhaltigkeitsleistung, einen effizienten Datenaustausch sowie ein hinreichendes Verständnis der Bank zu den Nachhaltigkeitsthemen in ihrem Kerngeschäft erwarten. Wentorp merkt dahingehend kritisch an: „Es fehlt Bankberater:innen oft noch an der Expertise und dem Verständnis für Nachhaltigkeitsthemen und Kennzahlen. Wenn ich bei der Transformation begleiten möchte, muss ich mich in den Themen auskennen.“ 

Außerdem schildert sie, dass der Austausch oft nicht über das Ausfüllen eines Fragebogens und die Formulierung von Erwartungshaltungen der Bank an das Ambitionsniveau des Unternehmens bei Nachhaltigkeitszielen hinaus gehe.

Das sieht Lütz anders und entgegnet aus der Bankensicht: „Wir gehen über diese Abfragen und Compliance Übungen hinaus und fragen uns, was Transformation für das Geschäftsmodell unserer Firmenkunden bedeutet, zum Beispiel für Inputfaktoren wie Energie und Rohmaterialen; und was passiert in der Lieferkette? Wir wollen uns auch aus eigenem Interesse in die Situation der Unternehmen reindenken, denn Nachhaltigkeit ist aufgrund physischer und transitorischer Risiken auch ein Risikothema. So vermeiden wir Investition in potentielle Stranded Assets.“

Dieses Nachhaltigkeitsverständnis könne nicht jeder in einer Bank leisten und dafür gebe es Spezialistenteams. Lütz‘ Einschätzung zu dem, was Banken heute bereits leisten können, entspricht auch der Mehrheit der bislang im Rahmen des STM25 befragten Banken. 72 Prozent von ihnen geben an, dass sie „eher“ oder „voll und ganz“ der Einschätzung sind, die Auswirkungen des Themas Nachhaltigkeit auf das Geschäftsmodell ihrer Firmenkunden verstehen zu können. 

Wie tief soll das Verständnis einer Bank zu den Nachhaltigkeitsthemen von Unternehmen gehen?

Wie tief sollte das Verständnis einer Bank reichen? Haben Unternehmen und Banken hier unterschiedliche Vorstellungen? Lütz erklärt: „Wir sind Bankangestellte und müssen Risiken im Blick haben. Dafür muss ich so viel Grundverständnis von wesentlichen Treibern für Veränderungen eines Geschäftsmodells haben, wie ich für die Risikobewertung benötige. Ich muss jedoch nicht alle Details verstehen.“ Wentorp pflichtet dem bei und betont, dass ihre Erwartungshaltung nicht sei, dass die Bank ihren Job übernimmt. Es brauche hingegen ein grundlegendes gegenseitiges Verständnis. 

In dem Austausch zwischen Wentorp und Lütz wird auch klar: Es geht nicht nur um bloßes Fachwissen zu Nachhaltigkeitsthemen. Vielmehr betreten beide Parteien Neuland. „Bei vielen Themen sind einige Unternehmen gerade im Aufbau und versuchen zu verstehen, was realistische und gleichzeitig ambitionierte Nachhaltigkeitsziele sein können“, sagt Wentorp. Banken wiederum betreten Neuland, da sich viele von ihnen sektorspezifische Ziele zu Dekarbonisierung der eigenen Portfolien gesetzt haben. Dort, bei den „financed emissions“ (Scope 3), findet man den größten Teil der Treibhausgasemissionen der Banken. Weniger Treibhausgasausstoß von Firmenkunden bedeutet somit für Banken einen Fortschritt bei der Erreichung eigener Klimaziele. Bei den bisher durch den STM25 befragten Banken haben 24 Prozent (meist Großbanken) solche Dekarbonisierungsstrategien für ihre Portfolien etabliert; weitere 56 Prozent haben das noch vor. 

Vor diesem Hintergrund betont Lütz, dass man aufeinander angewiesen sei und sich austauschen müsse: „Ich brauche gesunde Neugier und Fantasie, um gemeinsam mit Kund:innen an Nachhaltigkeitsthemen zu arbeiten: Ihr habt Themen, wir haben Themen. Wie kommen wir gemeinsam weiter? Wir wollen beide transformieren, um auf das 1,5°-Ziel hinzuarbeiten. Dies müssen wir gemeinsam machen, damit die Transformation funktioniert.“

Wo steht der Markt für nachhaltige Finanzierungsinstrumente?

Durch partnerschaftliche Begleitung und passende Finanzierungsinstrumente können Banken die Nachhaltigkeitstransformation ihrer Firmenkunden unterstützen. Zwar berichten 56 Prozent der Banken, dass sie bereits Finanzprodukte anbieten, deren Vergabe oder Zinssatz an bestimmte Nachhaltigkeitskriterien geknüpft ist (weitere 32 Prozent planen dies), gleichzeitig geben allerdings Dreiviertel von ihnen an, dass die Nachfrage danach derzeit mäßig bis gering ist. Unter diesen Finanzprodukten werden insbesondere zweckgebundene oder Sustainability-Linked-Finanzierungen verstanden. 

Diese Ergebnisse leuchten vor dem Hintergrund ein, dass 84 Prozent der befragten Unternehmen angeben, keine auf Nachhaltigkeit basierende Finanzierungsstrategie und -instrumente zu haben. Lütz erklärt: „Nach einem Nachfrageanstieg von 2019 bis 2021 für diese Produkte, gefolgt von einem leichten Rückgang 2022, hat sich die Nachfrage stabilisiert. Ich sehe nicht, dass diese Transaktionen auf dem Rückzug sind.“ Aus Sicht der Banken sei das Ziel nicht, dass jedes Unternehmen nachhaltige Finanzierungen nutzt. „Muss denn jede Transaktion eine Nachhaltigkeitskomponente haben? Nein“, sagt Lütz: „Jedoch benötigen wir zwingend  einen holistischen Blick auf Nachhaltigkeitsstrategie und -ziele der Kund:innen.“ 

Ist die Mehrheit der Unternehmen bereit, um über Nachhaltigkeit in Finanzierung zu sprechen?

Der Aufwand für nachhaltige Finanzierungsinstrumente kann hoch sein. Unternehmen müssen ihre wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen kennen, Daten im Rahmen des regelmäßigen Reportings zu bestimmten KPIs erheben und idealerweise ein klares Ambitionsniveau hinsichtlich der Sustainability Performance Targets haben. Erst dann können sie mit Finanzierungspartnern den Dialog über den Einsatz nachhaltiger Finanzierungsinstrumente beginnen.

In einem Rückblick auf die Entwicklung von Nachhaltigkeit in Unternehmen erklärt Wentorp, warum viele Unternehmen nachhaltige Finanzierungsinstrumente noch nicht in Betracht beziehen: „Die meisten Unternehmen haben sich in der Vergangenheit mit dem Thema Nachhaltigkeit nicht in dieser Themenbreite und so strukturiert mit Nachhaltigkeitsdaten beschäftigt. Durch die CSRD ändert sich das jetzt.“ Der Teufel stecke aber im Detail und viele Fragen seien in den regulatorischen Vorgaben noch offen. 

Die meisten Unternehmen hätten sich auf den Weg gemacht und konzentrieren sich oftmals im ersten Schritt auf die Regulatorik- und Berichterstattungshausaufgaben, beobachtet Wentorp. Gleichzeitig müssten Unternehmen aber erstmal lernen, mit den Daten umzugehen und sie einschätzen zu können. Aufgrund der fehlenden Erfahrung zögerten viele , sich konkrete Ziele zu setzen. An Lütz stellt sie folgende Fragen: „Wenn ich jetzt sage, dass wir als Unternehmen 100.000 Tonnen CO2 ausstoßen - ist das gut? Ist das schlecht? Wer kann das beurteilen? Wie kann man das sinnvoll mit anderen Unternehmen vergleichen?“ Zudem gehen an vielen Unternehmen externe Krisen und sich wandelnde Produktions- und Wettbewerbsbedingungen nicht spurlos vorbei. Die wirtschaftliche Lage sei angespannt, so Wentorp.

Zu den regulatorischen Hausaufgaben und der wirtschaftlich angespannten Lage kommt die Herausforderung, dass nur 38 Prozent der Banken angeben, dass der Datenaustausch mit Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen aus ihrer Sicht bereits effizient geregelt ist. Initiativen wie der gemeinsame ESG-Datenkatalog für Großunternehmen von BdB, GDV und VÖB sollen zukünftig eine Vereinheitlichung beim Datenaustausch schaffen. Derzeit arbeiten aber noch viele Institute mit eigenen Fragebögen, was für Unternehmen oft doppelten Aufwand bedeutet. Lütz äußert Verständnis für die Situation von Unternehmen und die Mehrbelastung durch neue Berichtspflichten wie der CSRD. „Ich kann verstehen, dass Unternehmen das noch nicht alles haben und dass das Zeit braucht“, so Lütz.

Welche Daten braucht eine Bank von Unternehmen und wie hilft die CSRD? 

Durch die CSRD steigt der Umfang an verfügbaren Daten. In welchem Umfang werden Banken diese Daten nutzen? In der Zwischenauswertung des STM25 stimmen 66 Prozent der Banken „eher“ oder „voll und ganz“ der Aussage zu, dass die CSRD-Daten von Unternehmen für das eigene Kerngeschäft einen Nutzen stiften; weitere 24 Prozent sagen „teilweise“. 

Lütz ergänzt: „Wir schauen auf das Wesentliche, darüber hinaus auf Themen, zu denen wir ein Commitment abgegeben haben, wie Entwaldung oder Biodiversität.“ Gleichzeitig macht er klar: „Wir werden uns nicht alle Datenpunkte anschauen. Da haben wir einen pragmatischen Ansatz.“ Für Unternehmen bedeutet das, dass sie sich zur Vorbereitung auf Gespräche mit Finanzierungspartnern auch mit deren Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen sollten.

Neben dem Fokus auf einzelne Themen und Datenpunkte verdeutlicht Lütz, worum es ihm geht: „Wenn ich zu Kund:innen gehe, lese ich den gesamten Nachhaltigkeitsbericht. Daraus muss eine valide Nachhaltigkeitsstrategie hervorgehen, die mit relevanten Daten für verschieden ESG-Themen unterlegt ist. Diese Strategie muss dem Unternehmen eine nachhaltige Transformation erlauben.“

Reichen bisherige finanzielle Anreize für Unternehmen, um Nachhaltigkeit in Finanzierung zu integrieren?

Die Zwischenergebnisse des STM25 zeigen die Bedeutung finanzieller Anreize bei Nachhaltigkeitsfinanzierungen für Unternehmen. Allerdings bieten Banken bei diesen Finanzierungen meist nur geringe Margenanpassungen, die den Aufwand für Unternehmen nicht rechtfertigen. Wentorp bekräftig: „Es muss sich lohnen“. Dem stimmt Lütz zu: „Die  Kosten-Nutzen-Relation lohnt sich für viele scheinbar nicht. Allerdings sollte die Margenanpassung nicht das Hauptargument für Sustainable Finance sein, zumal die Margenanpassung auch aus steuerlichen Gründen nur in relativ engen Bandbreiten erfolgen darf.“  In der Praxis liege die Margenanpassung im Intervall ±[0,25-1,5] Basispunkte pro KPI. 

Durch die Einführung der CSRD kann sich diese Nutzen-Aufwandsbewertung von Unternehmen ändern, da sie zukünftig Daten zu wesentlichen ESG-Themen berichten müssen. Das sieht auch Lütz so: „Wenn ich Daten erheben und berichten muss, kann ich sie auch nutzen. Es wird weiterhin keine nennenswerte Margenanpassung geben, aber die Ausgangssituation beim Aufwand wird sich verändern.“

Wohin die Reise gehen muss: Ein gemeinsames Verständnis als Erfolgsfaktor

Die STM25 Zwischenergebnisse verdeutlichen: Es geht im Zusammenspiel zwischen Realwirtschaft und Banken nicht nur darum, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und Datenkataloge zu pflegen, sondern das Potenzial für eine Transformationspartnerschaft zu nutzen. Sowohl Banken als auch Unternehmen setzen sich zunehmend Nachhaltigkeitsziele, die sie nur gemeinsam erreichen können. Incken Wentorp und Dr. Ralf Lütz sind sich einig, dass der Weg zu einer effektiveren Zusammenarbeit über einen intensiven Dialog und ein gegenseitiges Verständnis führt. Beide Parteien betreten dabei Neuland. 

Kreativität, Pragmatismus und Lernbereitschaft im Umgang mit Nachhaltigkeitsdaten, -kennzahlen und -zielen sind daher in der Zusammenarbeit entscheidend. Aus Bankensicht ist die ganzheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeitsstrategie sowie ein Verständnis für branchenspezifische Besonderheiten zur Einschätzung ihrer Risikoposition wichtig, ohne dabei in operative Details von Unternehmen einzugreifen. Die CSRD wird ihr Übriges tun und zur Verbesserung der notwendigen Datengrundlagen beitragen und dadurch Transformationsfinanzierungen erleichtern.

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Die Befragung für den STM25 läuft noch bis zum 17. November

Jetzt teilnehmen!

Der Sustainability Transformation Monitor ist eine Langzeitstudie, die seit 2022 jährlich Unternehmen der Real- und Finanzwirtschaft zum Stand der Transformation hin zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft befragt. Ein Fokus liegt auf dem Zusammenwirken von Real- und Finanzwirtschaft zur Transformationsfinanzierung. Die Studie wird finanziert durch die Stiftung Mercator sowie die Bertelsmann Stiftung. Die operative Umsetzung erfolgt durch die Universität Hamburg, die Bertelsmann Stiftung und die Peer School for Sustainable Development e.V. Darüber hinaus hat sich ein Netzwerk von über 30 Organisationen, Verbänden, und Expert:innen gebildet, das den STM in vielfältiger Weise unterstützt. 

Die Befragung richtet sich an alle Personen in realwirtschaftlichen Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit intern überblicken können und/oder verantworten/umsetzen. In der Finanzwirtschaft sind es die Personen auf der Banken- und Investorenseite, die an der Implementierung von transformationsfördernden Finanzierungsstrukturen beteiligt sind. Die Befragungsdauer liegt zwischen 10 und 20 Min.


 


Schlagworte zum Thema:  Studie, Nachhaltigkeit