ESG Due Diligence: Strategien für mehr Immobilienwert

Energiekosten, CO2-Preise, Gesetze, Fördermittel oder die eigene Reputation – es gibt viele Gründe, die Dekarbonisierung des Immobilienbestands in den Blick zu nehmen. Klimafreundliche Gebäude schneiden zudem bei einer ESG Due Diligence besser ab. Und das kann den Wert steigern.

Immobilien sind für 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Es ist daher unerlässlich, dass die Branche ihre Treibhausgasemissionen reduziert. Nur durch die Dekarbonisierung des Gebäudesektors können die Erderwärmung und die damit verbundenen negativen Auswirkungen des Klimawandels eingedämmt werden.

Klimaschutz: Bestandsimmobilien mit enormem Potenzial

In Deutschland liegt der Fokus auf Bestandsimmobilien: Umweltpolitische Lenkungsmaßnahmen, eine steigende CO2-Steuer und das Klimaschutzgesetz, das bis 2045 Klimaneutralität anstrebt, zwingen Immobilieneigentümer dazu, sich mit dem eigenen Gebäudebestand intensiver auseinanderzusetzen.

Energetische Optimierungsmaßnahmen bieten sich an, außerdem muss die Flächenwirtschaftlichkeit oder Flächennutzung kritisch hinterfragt werden. So ist etwa seit der Coronapandemie ein Anstieg der Home-Office-Quote zu verzeichnen, was bei vielen Bürogebäuden zu einer nicht zu vernachlässigenden Flächenineffizienz oder temporären Leerstandsquote führt. Trotz geringer Nutzung werden diese Flächen in den meisten Fällen weiterhin vollständig technisch versorgt (wie Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Aufzugsanlagen), wodurch eine unnötige Verschwendung von Energien und damit CO2-Emissionen entsteht.

ESG Due Diligence: Motivator für klimafreundliche Sanierung

Angesichts der zunehmenden Besorgnis über die klimaschädlichen Auswirkungen des Gebäudebestands und der Frage, wie sich CO2-Emissionen reduzieren lassen, gewinnt ein Instrument zur Analyse der Nachhaltigkeit von Immobilien immer mehr an Bedeutung: die ESG Due Diligence.

Die umfassende Überprüfung der Immobilie berücksichtigt die ESG-Kriterien Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G). Das Ergebnis einer ESG-Bewertung spiegelt potenzielle Verkehrswerte, zukünftige Investitionskosten und Financial Modelings der Objekte wider. Der Umweltaspekt (E) spielt dabei die größte Rolle, da Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und zur Steigerung der Energieeffizienz sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit von Immobilien erheblich verbessern.

Das bedeutet: Gebäude, die nicht den aktuellen Umweltkriterien entsprechen, können erhebliche Preisabschläge erfahren. Denn längst hat sich der Wind im Immobiliensektor gedreht: Faktoren in Bezug auf "Green Buildings" gehören mittlerweile zu den wichtigsten Entscheidungskriterien beim Verkauf oder Kauf sowie der Neuanmietung von Objekten. Gebäude, die nicht nachhaltig sind, müssen hingegen mit Wertverlusten ("Brown Discounts") von bis zu 30 Prozent rechnen – abhängig vom jeweiligen Gebäudezustand.

Dekarbonisierung: Emissionen erst definieren, dann reduzieren

Anhand dieser Entwicklungen lautet die Frage in Bezug auf Bestandsimmobilien zunehmend: Was muss in die Gebäude investiert werden, um gewisse energetische beziehungsweise nachhaltige Standards zu erreichen, die Treibhausgasemissionen zu senken und den Wert der Immobilien zu erhalten.

Mit Dekarbonisierungsstrategien können Emissionstreiber festgestellt werden – sogenannte Operational Carbons – und dann Schritt für Schritt reduziert werden. Dazu zählen Treibhausgasemissionen, die während des Betriebs von Gebäuden entstehen. Diese umfassen Emissionen, die durch den Energiebedarf von Heizungssystemen, Warmwasseraufbereitern, Kühlungs- und Belüftungssystemen entstehen. Auch Beleuchtungs- und Aufzugsanlagen tragen zur Energiebilanz bei. Mit großem Abstand stellt aber die Bereitstellung von Raumwärme den größten Energieverbrauch in Gebäuden dar.

Dekarbonisierungsstrategien in der Immobilienwirtschaft verfolgen zwei zentrale Ansätze: Erstens die Umstellung auf Wärmeerzeuger, die keine fossilen Brennstoffe verwenden, wodurch die Emissionen deutlich reduziert werden. Zweitens kann der Treibhausgasausstoß durch Maßnahmen zur Verringerung des Energieverbrauchs gesenkt werden, zum Beispiel durch die Dämmung von Fassaden und Dächern oder den Austausch alter Fenster. Der Grundsatz dabei lautet: Je besser der energetische Zustand der Gebäudehülle, desto geringer der Wärmeverlust. Dadurch wird weniger Heizenergie benötigt, was den CO2-Ausstoß erheblich mindert.

Dekarbonisierungsstrategie: Schritt für Schritt fit fürs Klima

Eine Dekarbonisierungsstrategie lässt sich in mehrere Schritte unterteilen: 

Als erstes gilt es, die konkreten Nachhaltigkeitsziele auf Unternehmens- oder Objektebene herauszuarbeiten. Zusätzlich sind Grenzen der zu berücksichtigenden Emissionen zwischen Operational Carbon (Treibhausgasemissionen während des Betriebs) und Embodied Carbon (Treibhausgasemissionen unter anderem durch Herstellung und Entsorgung der verwendeten Baumaterialien) zu bestimmen. Sind die Rahmenbedingungen geklärt, kann mit der energetischen Beurteilung des Bestands gestartet werden.

Im zweiten Schritt wird der energetische IST-Zustand des Bestandsgebäudes einschließlich der haustechnischen Komponenten betrachtet und in ihrer energetischen Qualität ausgewertet. Die Erfassung der relevanten Kenndaten erfolgt anhand einer bestimmten Berechnungsmethode mit Hilfe übergebener Bestandsunterlagen sowie aktuellen IST-Verbrauchswerten.

Maßnahmen zur Dekarbonisierung

In Verbindung mit einer Objektbegehung und Begutachtung energetisch relevanter Bauteilflächen sowie technischen Gebäude- beziehungsweise Anlagenteile kann eine realitätsnahe Abbildung des energetischen IST-Zustands des Gebäudes modelliert werden. Auf dieser Basis können Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Bestandsgebäudes hinsichtlich Reduzierung der Primärenergie, CO2-Emissionen und Energiekosten erarbeitet werden.

Die möglichen Maßnahmen (wie Dämmung der Fassade, Austausch von Fensterelementen oder Heizungsanlagen) haben nicht bei allen Gebäuden die gleiche Relevanz zur Emissionsreduzierung. Daher ist es wichtig, die Effektivität jeder Maßnahme individuell zu betrachten.

Im Anschluss werden die Maßnahmen monetär bewertet und anhand des Kosten-Nutzen-Verhältnisses (zum Beispiel: eingesparte Tonne CO2 pro eingebrachten Euro) priorisiert. Danach wird das Gebäude noch in den weltweit anerkannten CRREM-Pfad (Carbon Risk Real Estate Monitor) eingeordnet und der voraussichtliche Stranding-Zeitpunkt vor und nach den Dekarbonisierungsmaßnahmen bestimmt.

Bestandsportfolio: Nur nachhaltige Gebäude sind zukunftsfähig

Nicht jedes Gebäude ist in einem energetisch schlechten Zustand. Und nicht immer sind umfangreiche Sanierungsmaßnahmen einzelner Bestandsimmobilien sinnvoll. In Bezug auf die CO2-Emissionen eines Bestandsportfolios empfiehlt sich eine bilanzielle Betrachtung: Ist der bauliche Aufwand zur Dekarbonisierung eines bestimmten Gebäudes unverhältnismäßig aufwändig, kann die Kompensationen durch ein anderes Gebäude aus dem Portfolio ein Teil der Strategie sein.

Oder: Die Dach- oder Grundstücksflächen anderer Liegenschaften können für die Errichtung einer größeren Phovoltaikanlage genutzt werden. Die durch erneuerbare Energiequellen erzielten Einsparungen lassen sich in die Gesamtbilanzierung des Portfolios einbinden, um die CO2-Neutralität des Immobilienbestands nachzuweisen.

Ökobilanzierung: "Operational Carbon" vs. "Embodied Carbon"

Die Betrachtung der "Operational Carbon" ist ein wesentlicher Aspekt, doch gewinnt die "Embodied Carbon" – auch bekannt als "Graue Energie" – zunehmend an Bedeutung. Bei der Embodied-Carbon-Bewertung als Form einer Ökobilanzierung werden CO2-Emissionen berücksichtigt, die während der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen entstehen.

Eine solche Bilanzierung ist umfassender und geht über die derzeitigen Regulierungen hinaus, was einer der Gründe ist, warum sie in der Praxis oft vernachlässigt wird. Für eine ganzheitliche Dekarbonisierung und CO2-Reduktion ist die Ökobilanzierung der Maßnahmen jedoch unerlässlich. Es kommt vor, dass empfohlene Maßnahmen mehr CO2-Emissionen verursachen, als sie im späteren Lebenszyklus im Vergleich zum aktuellen Bestand einsparen können. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte wird aus ökologischer Sicht meist die Sanierung eines Bestandsgebäudes gegenüber einem Neubau bevorzugt.

Selbst Niedrigenergiehäuser verursachen, vor allem bei der Herstellung der Tragkonstruktionen, eine hohe Menge an CO2-Emissionen, die im späteren Betrieb im Verhältnis zum Bestandsgebäude nicht vollständig kompensiert werden können.

Dekarbonisierungsstrategien als Schlüssel

In Anbetracht des öffentlichen Drucks und der Gefahr eines Wertverlusts ist es fraglich, ob Bestandsgebäude, die sich nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, mittel- bis langfristig wettbewerbsfähig bleiben können. Baulich-energetische Bestandsuntersuchungen und Dekarbonisierungsstrategien ermöglichen es nicht nur, Sanierungspotenziale aufzuzeigen und CO2-Einsparungen zu quantifizieren, sondern auch Bestandsimmobilien nachhaltiger zu gestalten.

Die in der Strategie erarbeiteten Kennzahlen und Einsparungen dienen zudem dem Abgleich eigener Nachhaltigkeitskriterien und können für weitere Nachhaltigkeitsberichte genutzt werden, um den ernsthaften Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit zu belegen.


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Schlagworte zum Thema:  Klimaschutz, Immobilienwirtschaft