BGH: Gutachten zur Vergleichsmiete auch ohne Besichtigung gültig

Die formelle Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens, das der Vermieter auf ein Sachverständigengutachten stützt, hängt nicht davon ab, ob der Sachverständige die Wohnung besichtigt hat.

Hintergrund: Gutachter konnte Wohnungen nicht besichtigen

Die Vermieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus verlangt vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Zur Begründung hatte sich die Vermieterin auf ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen berufen. Das Gutachten, das Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die Zwei- bis Vierzimmerwohnungen des Gebäudes enthält, war dem Mieterhöhungsverlangen beigefügt.

In dem Gutachten heißt es unter anderem:

„Die Wohnungen konnten nicht besichtigt werden, da keine Mieter angetroffen wurden oder sich dazu bereit erklärt haben. Deshalb wird in diesem Gutachten auf frühere Besichtigungen oder [die] mir zur Verfügung gestellten Besichtigungsdaten des Auftraggebers und Wohnungsbeschreibungen des Auftraggebers Bezug genommen. Es wurden von mir auch schon genügend Wohnungen des Auftraggebers besichtigt, die in der Ausstattung ähnlich sind.“

Amts- und Landgericht haben die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung abgewiesen. Das Mieterhöhungsverlangen sei formell unwirksam, weil der Sachverständige weder die betreffende Wohnung noch andere Wohnungen in dem Gebäude besichtigt habe.

Entscheidung: Besichtigung nicht zwingend

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück.

Zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens kann der Vermieter nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Bezug nehmen. In diesem Fall hängt die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens nicht davon ab, ob der Sachverständige die Wohnung oder im Fall eines Typengutachtens jedenfalls eine vergleichbare Wohnung besichtigt hat. Der BGH widerspricht damit einer verbreiteten Ansicht.

Das Begründungserfordernis soll den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Es dient hingegen nicht dazu, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen oder dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen.

Bei Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Begründungspflicht damit grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, dass der Mieter der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und dieses zumindest ansatzweise selbst überprüfen kann. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen.

Nach dieser Maßgabe bedarf es in formeller Hinsicht nicht notwendigerweise einer vorherigen Besichtigung der betreffenden Wohnung durch den Sachverständigen. Wirksamkeitsvoraussetzung ist insoweit lediglich, dass die Angaben des Sachverständigen für den Mieter nachprüfbar sind. Es kommt darauf an, welche Angaben das Gutachten enthält, nicht aber, wie der Sachverständige die Grundlagen für diese Angaben gewonnen hat. Letzteres ist zwar bedeutsam, um die Qualität des Gutachtens zu beurteilen, nicht aber für die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens.

(BGH, Urteil v. 11.7.2018, VIII ZR 190/17)

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