Streitwert der Verwalterentlastung
Hintergrund: Eigentümer will Entlastung des Verwalters kippen
In einer Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit die Jahresabrechnung 2011 sowie die Entlastung des Verwalters. Die Abrechnung enthält Kosten von 5.300 Euro für eine Reparatur des Aufzugs.
Gegen diese Beschlüsse hat ein Wohnungseigentümer, auf den für die Aufzugsreparatur Kosten von 244 Euro entfallen, Anfechtungsklage erhoben. Der Verwalter habe durch unwahre Behauptungen zur angeblichen Eilbedürftigkeit der Aufzugsreparatur die Vertrauensgrundlage zerstört. Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Hiergegen hat der Eigentümer Berufung eingelegt.
Das Landgericht hält die Berufung für unzulässig, weil die erforderliche Beschwer von 600 Euro nicht erreicht sei. Maßgeblich für die Beschwer sei der auf den Eigentümer entfallende Betrag von 244 Euro. Dasselbe gelte für die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses. Eine Erhöhung der Beschwer unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwalter sei nicht gerechtfertigt, denn der Eigentümer greife den Entlastungsbeschluss ausschließlich wegen der von diesem verursachten Aufzugskosten an. Die Beschwer betrage daher nur 488 Euro (2 x 244 Euro).
Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat der Eigentümer Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt.
Entscheidung: Vertrauen ist 1.000 Euro wert
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Berufung ist zulässig, weil die Beschwer den Betrag von 600 Euro übersteigt.
Durch die Abweisung der Anfechtungsklage gegen die Jahresabrechnung ist der Eigentümer in Höhe von 244 Euro beschwert. Wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen den Ansatz einer Kostenposition in der Jahresabrechnung, bestimmt sich seine Beschwer grundsätzlich nach dem Nennwert, mit dem diese Position in seiner Einzelabrechnung angesetzt ist.
Durch die Abweisung der Klage gegen den Entlastungsbeschluss ist der Eigentümer aber mit mehr als nur weiteren 244 Euro beschwert.
Das Interesse an der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters wird nicht nur nach den möglichen Ansprüchen gegen diesen bestimmt, wenn die Entlastung wegen solcher Ansprüche verweigert worden ist oder werden soll. Bei der Bemessung des Interesses auch zu berücksichtigen ist der weitere Zweck, den die Entlastung des Verwalters hat, nämlich die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen. Dessen Wert ist regelmäßig mit 1.000 Euro anzusetzen, sofern Anhaltspunkte für einen höheren Wert fehlen.
Dieser Zweck eines Entlastungsbeschlusses ist für die Bemessung der Beschwer auch dann von Bedeutung, wenn die Entlastung des Verwalters aus Gründen versagt werden soll, die in unmittelbarem Bezug zu einer Abrechnungsposition oder einer sonstigen Forderung gegen den Verwalter stehen. Die Entlastung des Verwalters beschränkt sich nicht auf die Billigung der bisherigen Amtsführung; sie wirkt zugleich in die Zukunft, indem die Eigentümer dem Verwalter ihr Vertrauen für dessen künftige Tätigkeit aussprechen. Beide Zwecke stehen in einem untrennbaren Zusammenhang und bestimmen grundsätzlich gemeinsam die Beschwer des Wohnungseigentümers, der einen Entlastungsbeschluss anficht. Der Wert, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter hat, tritt deshalb regelmäßig - und so auch hier - zu dem Wert etwaiger Ersatzansprüche gegen diesen hinzu.
Anders kann es ausnahmsweise liegen, wenn der anfechtende Wohnungseigentümer eine weitere gute Zusammenarbeit mit dem Verwalter ausdrücklich nicht in Zweifel zieht und den Entlastungsbeschluss allein wegen bestimmter Forderungen gegen den Verwalter anficht. Das war hier aber nicht der Fall, weil der Anfechtungskläger die Vertrauensgrundlage als zerstört angesehen hat.
BGH Beschluss vom 17.03.2016 - V ZB 166/13
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