Online-Eigentümerversammlung ist jetzt zulässig
Eigentümerversammlungen können ab sofort auch vollständig online und ohne Anwesenheit der Wohnungseigentümer durchgeführt werden. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist am 17.10.2024 in Kraft getreten.
Nach der Gesetzesänderung können die Wohnungseigentümer mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen die Möglichkeit rein virtueller Eigentümerversammlungen in ihrer Gemeinschaft beschließen; die Erlaubnis ist auf einen Zeitraum von drei Jahren ab Beschlussfassung begrenzt.
Präsenzversammlung bleibt bis 2028 teilweise Pflicht
Ganz ohne Präsenzversammlung kommen Wohnungseigentümergemeinschaften vorerst aber nicht aus. Wohnungseigentümer, die bis Ende 2027 einen Beschluss zur virtuellen Versammlung fassen, müssen bis einschließlich 2028 mindestens einmal jährlich eine Präsenzversammlung abhalten; hierauf können die Eigentümer aber durch einstimmigen Beschluss verzichten.
Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt allerdings nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse. Die Übergangsregelung erfasst nicht solche Beschlüsse, die schon vor der neuen Regelung auf einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer beruhen. Die Pflicht, bis 2028 auch Präsenzversammlungen abzuhalten, war auf Antrag der Koalitionsfraktionen im Rechtsausschuss in den Gesetzentwurf aufgenommen worden.
Gesetz zur Einführung der Online-Eigentümerversammlung
Online-Eigentümerversammlung: So ist das Gesetz geändert
Seit der WEG-Reform können die Wohnungseigentümer einzelnen Eigentümern zwar per Mehrheitsbeschluss ermöglichen, online an (Präsenz-)Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Die Möglichkeit, Eigentümerversammlungen vollständig online abzuhalten (digitale oder virtuelle Eigentümerversammlung), bot das Gesetz bisher aber nicht.
Dies hat sich nun geändert. Die Gesetzesänderung hat für Wohnungseigentümer und Verwalter eine zusätzliche Möglichkeit eingeführt. Die bisher schon nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG bestehende Möglichkeit, die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen ("hybride Wohnungseigentümerversammlungen"), bleibt unverändert bestehen. Die Wohnungseigentümer haben nun die Wahl, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen.
Mit dem Quorum von 75 Prozent der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen werde der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die das Wohnungseigentum typischerweise für viele Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer habe, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Befristung auf drei Jahre verfolge mehrere Zwecke. So sollten Erwerberinnen und Erwerber von Wohnungen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor dem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden werden. Die Befristung trage auch der Tatsache Rechnung, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümer zu virtuellen Versammlungen ändern könne.
Der neue § 23 Abs. 1a WEG im Wortlaut:
"Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein."
Zudem wird ein neuer § 48 Abs. 6 WEG eingeführt:
"Fassen die Wohnungseigentümer vor dem 1. Januar 2028 einen Beschluss nach § 23 Absatz 1a, ist bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlung durchzuführen, sofern die Wohnungseigentümer hierauf nicht durch einstimmigen Beschluss verzichten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse."
Errichtung von Balkonkraftwerken wird einfacher
Das Gesetz, dessen vollständiger Name "Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen" lautet, sieht neben der Regelung reiner Online-Eigentümerversammlungen auch vor, dass Mieter und Wohnungseigentümer künftig Steckersolargeräte, sogenannte Balkonkraftwerke, leichter errichten können. Diese wurden in die Liste der nach § 20 Abs. 2 WEG privilegierten baulichen Veränderungen aufgenommen, auf die Wohnungseigentümer einen Anspruch haben. Im Mietrecht wurde in § 554 Abs. 1 BGB die Aufzählung der baulichen Maßnahmen, auf deren Gestattung Mieter einen Anspruch haben, entsprechend ergänzt.
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Online-Eigentümerversammlung: Beratung im Bundestag
Der Bundestag hatte am 18.1.2024 in erster Lesung über den Gesetzentwurf beraten. Anschließend wurde der Entwurf in den Ausschüssen beraten. Eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss fand am 19.2.2024 statt. Am 3.7.2024 hat der Rechtsausschuss den Entwurf mit Änderungen angenommen und einen Tag später der Bundestag das Gesetz beschlossen. Am 27.9.2024 hat der Bundesrat abschließend zugestimmt. Am 16.10.2024 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet, so dass es einen Tag später in Kraft getreten ist.
Stellungnahmen der Experten zur Online-Eigentümerversammlung
Die Gesetzesänderung ist unter Experten umstritten. Die vor der Beratung im Rechtsausschuss des Bundestages veröffentlichten schriftlichen Stellungnahmen ergaben ein differenziertes Meinungsbild.
Stellungnahme des VDIV
Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV), für den Geschäftsführer Martin Kaßler im Rechtsausschuss auftreten soll, begrüßt Inhalt und Zielsetzung des Gesetzentwurfs. Durch die virtuelle Eigentümerversammlung würden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschlussfassung innerhalb einer Eigentümergemeinschaft um das letzte noch fehlende Element ergänzt und vervollständigt, heißt es in der Stellungnahme. Das qualifizierte Mehrheitserfordernis und die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen, die in der geplanten Regelung vorgesehen sind, brächten das Recht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) auf ordnungsmäßige Verwaltung und die Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer in einen ausgewogenen und angemessenen Einklang.
Ausdrücklich begrüßt der Verband, dass die konkrete, insbesondere technische Ausgestaltung virtueller Eigentümerversammlungen im Hinblick auf die schnelllebigen technischen Entwicklungen nicht näher geregelt werden, sondern dies der Praxis und der Rechtsprechung überlassen werden soll. Zudem betont der VDIV, dass die geplante Öffnung für Mehrheitsbeschlüsse über Online-Eigentümerversammlungen die Digitalisierung im Bereich der Eigentümerversammlung ein wichtiges Stück voranbringen, gleichzeitig aber die Präsenzversammlung weiterhin das überwiegende Versammlungsformat bleiben werde.
Der VDIV widerspricht Befürchtungen, ältere und weniger technikaffine Eigentümer könnten an der Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte gehindert werden, wenn Eigentümerversammlungen komplett online abgehalten werden. Während der Corona-Zeit sei ein Großteil der Gesellschaft im Umgang mit elektronischen Kommunikationsmitteln vertraut geworden. Das gelte für alle Altersklassen, Bildungsgruppen und sowohl für die private als auch die berufliche Umgebung.
Stellungnahme Jost Emmerich
Auch Jost Emmerich, Richter am OLG München, begrüßt den Gesetzentwurf. Das vorgesehene Quorum von drei Vierteln, das sich in der Praxis ohnehin nur selten finden lasse, gewährleiste ausreichenden Schutz der übrigen Eigentümer. Zudem könnten die Eigentümer jederzeit mit einfacher Mehrheit per Geschäftsordnungsbeschluss eine Rückkehr zur Präsenzversammlung beschließen. Auch dadurch, dass jeder Beschluss über die Gestattung virtueller Eigentümerversammlungen der gerichtlichen Kontrolle unterliege, seien die Eigentümer geschützt. Letztlich obliege es der Rechtsprechung zu klären, für welche Gemeinschaften konkret virtuelle Eigentümerversammlungen geeignet erscheinen und wie der Individualrechtsschutz durchgesetzt wird.
Emmerich regt an, den Gesetzentwurf dahingehend zu ergänzen, dass während der Dauer eines Beschlusses über virtuelle Versammlungen auch die Einberufung von Präsenzversammlungen möglich bleibe.
Stellungnahme Haus & Grund Deutschland
Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland, für den Präsident Dr. Kai Warnecke im Rechtsausschuss auftreten soll, begrüßt das Vorhaben grundsätzlich und bezeichnet die Ausweitung hin zu einer rein virtuellen Versammlung als konsequenten und zumindest mittelfristig notwendigen Schritt in die digitale Zukunft. Allerdings sei fraglich, ob es nicht noch eine erhebliche Anzahl an Eigentümern gebe, die nicht über die technischen Möglichkeiten oder das Verständnis zur Teilnahme an einer rein virtuellen Eigentümerversammlung verfügten. Das vorgesehen Quorum von drei Vierteln sei nicht geeignet, um diesen Bedenken entgegenzuwirken. Der Verband fordert daher, reine Online-Eigentümerversammlungen nur mit einstimmigem Beschluss zuzulassen. Auch plädiert der Verband im Hinblick auf die Sicherstellung der Nicht-Öffentlichkeit und die technische Umsetzung für die Formulierung von Handlungsempfehlungen.
Stellungnahme Wohnen im Eigentum
Der Eigentümerverband Wohnen im Eigentum (WiE), der bei der Anhörung durch Vorständin Gabriele Heinrich vertreten wird, lehnt die Möglichkeit, Eigentümerversammlungen vollständig online durchführen zu können, dagegen ab. Die Teilnahme an der Eigentümerversammlung sei ein Kernrecht aus dem Wohnungseigentum. Zudem bestehe die Gefahr, dass „ältere, hörgeschädigte, bildungsbenachteiligte und technisch nicht versierte“ Eigentümer ausgegrenzt werden. Schließlich verweist der Verband auf die Gefahr technischer Probleme, die eine Teilnahme an einer Online-Eigentümerversammlung vereiteln könnten. Die bereits bestehende Möglichkeit hybrider Versammlungen reiche aus.
Stellungnahme Dr. Oliver Elzer
Auch Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht, sieht das Vorhaben kritisch. Entgegen den Überlegungen der Bundesregierung bestehe für virtuelle Eigentümerversammlungen kein praktisches Bedürfnis. Vielmehr dürfe den Wohnungseigentümern nicht die Möglichkeit genommen werden, anlässlich der Versammlung anstehende Fragen bilateral mit der Verwaltung zu besprechen sowie die Verwaltung und deren Mitarbeiter sowie die anderen Wohnungseigentümer näher kennenzulernen. Zudem seien viele Menschen nicht bereit, ihr Bild online zu offenbaren und auf einer Plattform frei zu sprechen. Letztlich würden durch virtuelle Versammlungen viele Wohnungseigentümer von der Verwaltung ihres wichtigen Wirtschaftsgutes ferngehalten.
Soweit der Gesetzentwurf darauf verweise, dass sich weniger technikaffine Eigentümer durch Verwandte oder Freunde unterstützen lassen könnten, sei dies im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit bedenklich. Auch der Hinweis auf eine mögliche Teilnahme bei anderen Wohnungseigentümern sei rein theoretisch und beispielsweise bei Redebeiträgen und Abstimmungen technisch nicht oder nur schwer umsetzbar.
Als möglichen Kompromiss schlägt Dr. Elzer die Pflicht vor, am Ort der Wohnungseigentumsanlage einen „Teilnahmeraum“ einzurichten, in dem jeder interessierte Eigentümer an der virtuellen Versammlung teilnehmen kann.
Stellungnahme Rechtsanwalt Urs Markus Taube
Kritisch äußert sich auch Rechtsanwalt Urs Markus Taube aus Fürth. Der Gesetzentwurf verabschiede sich von zwei zentralen Rechtsgrundsätzen im Zusammenhang mit Eigentümerversammlungen, nämlich dem Recht zur Teilhabe an der Entscheidungsfindung in der Eigentümerversammlung sowie vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit.
Ergänzend verweist Taube darauf, dass Videokonferenzen selbst bei jüngeren und technikaffinen Teilnehmern, die solche Formate gewöhnt seien, anstrengend und ermüdend wirkten. Auch erforderten virtuelle Eigentümerversammlungen keinen geringeren Aufwand in Vorbereitung und Durchführung als Präsenzversammlungen. Der hypothetischen Kostenersparnis für eine Anmietung eines Versammlungsraums stünden die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb eines Videokonferenzsystems, einschließlich der Lizenzkosten für Software und der Schulungskosten, gegenüber.
Schließlich sei angesichts dessen, dass eine virtuelle Eigentümerversammlung hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein müsse, mit der Zunahme von Nichtigkeits- und Beschlussanfechtungsklagen zu rechnen, falls während der Versammlung technische Störungen auftreten und hierdurch Miteigentümer von der Teilnahme und Beschlussfassung ausgeschlossen werden, eine Versammlung nicht fortgesetzt oder gar nicht erst begonnen werden könne.
Stellungnahme Bundesrechtsanwaltskammer
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hält es für sinnvoll, die Durchführung reiner Online-Versammlungen beschließen zu können und verweist darauf, dass die geplante Ausgestaltung des Gesetzes die Präsenzversammlung als Regelfall beibehalte. Gleichzeitig regt die BRAK an, im Gesetz aus Datenschutzgründen auch Anforderungen an die für die Online-Versammlung verwendete Software zu definieren.
Offener Brief pro Online-Eigentümerversammlung
Ursprünglich sollte bereits im Laufe des Jahres 2022 eine gesetzliche Regelung für reine Online-Eigentümerversammlungen auf den Weg gebracht werden. Da der angekündigte Entwurf bis Anfang Dezember noch nicht vorlag, hatten sich neun Immobilien- und Verwaltungsunternehmen in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gewandt und sich nachdrücklich für reine Online-Eigentümerversammlungen ausgesprochen.
Ihr Ansinnen begründen die unterzeichnenden Unternehmen, die nach eigenen Angaben mehr als 500.000 Wohnungen verwalten, mit einem praktischen Bedürfnis und den anstehenden Aufgaben bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes. Zudem habe die Erfahrung gezeigt, dass sich dort, wo Online-Eigentümerversammlungen ungeachtet der derzeitigen Rechtslage bereits durchgeführt werden, mehr Eigentümer einbrächten und beteiligten. Die Unterzeichner des offenen Briefs sind Bietigheimer Wohnbau, Ecowo, Frank-Gruppe, Kunze-Gruppe, Reanovo, Treubau Immobilienverwaltung, Schaefer & Wunsch Immobilienmanagement sowie Verwey.
Offener Brief vom 7.12.2022 zu Online-Eigentümerversammlungen
Die Argumente derjenigen, die sich gegen die Möglichkeit reiner Online-Eigentümerversammlungen aussprechen, seien aus Sicht der Praxis unbegründet. Damit wenden sich die Unterzeichner des offenen Briefs gegen Bedenken, die hauptsächlich der Wohnungseigentümerverband "Wohnen im Eigentum (WiE)" vorbringt. Nach Meinung des WiE könnte die Erlaubnis reiner Online-Eigentümerversammlungen zur Folge haben, dass online nicht versierte Eigentümer, zum Beispiel ältere Wohnungseigentümer, künftig von Eigentümerversammlungen ausgeschlossen werden.
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