WEG kann unzulässige Gaststätte auch nach Jahren schließen lassen
Hintergrund
In einer Wohnungseigentumsanlage, die laut Teilungserklärung aus 24 Läden, Praxen und Büros, 14 Wohnungen und 49 Tiefgaragenstellplätzen besteht, betreibt ein Eigentümer in seiner Teileigentumseinheit im Erd- und Kellergeschoss seit dem Erwerb eine Gaststätte. Der Eigentümer hat die Einheit 2004 per Zwangsversteigerung erworben. Bereits seit 1986 befindet sich in den Räumen eine Gaststätte. Seit 2014 erstreckt sich deren Betrieb auch auf eine mit einem Zelt umgrenzte Außenterrasse, die auf städtischen Grund liegt und etwa 50 Plätze aufweist.
Die Eigentümergemeinschaft verlangt nun, die Nutzung der Teileigentumseinheit als Gaststätte zu unterlassen. Zuvor hatten die Eigentümer in einer Eigentümerversammlung den Beschluss gefasst, einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zu beauftragen.
Entscheidung
Die Unterlassungsklage hat Erfolg. Der Betrieb einer Gaststätte in der Teileigentumseinheit ist nicht zulässig und der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verwirkt.
Maßgeblich für die zulässige Nutzung ist die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung. Laut Teilungserklärung dürfen die Teileigentumseinheiten als Laden, Büro oder Praxis genutzt werden. Unter einem Laden werden Geschäftsräume verstanden, in denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten werden, bei denen aber der Charakter einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund steht. Den Betrieb einer Gaststätte umfasst dies regelmäßig nicht. Auch eine mögliche Nutzung als Büro oder Praxis lässt den Betrieb einer Gastronomie nicht zu.
Zwar kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verwirkt, auch wenn der Teileigentümer in den Räumen seit mehr als 10 Jahren die Gaststätte betreibt und die Gaststätte schon seit 1986 besteht.
Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zum Zeitablauf (Zeitmoment) müssen besondere, auf das Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment).
Hier ist trotz der langjährigen Nutzung als Gaststätte schon das Zeitmoment nicht erfüllt. Am Zeitmoment fehlt es nämlich, wenn eine neue, eigenständige Störung einen neuen Unterlassungsanspruch auslöst.
Wird eine Wohnungs- oder Teileigentumseinheit über einen langen Zeitraum zweckwidrig genutzt, begründet eine darauf bezogene neue Willensentscheidung des Eigentümers der Einheit eine solche Zäsur. Diese schließt es aus, einen Unterlassungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer wegen der neuen beziehungsweise erweiterten Nutzung als verwirkt anzusehen. Es fehlt dann an dem Zeitmoment in Gestalt einer langjährigen Duldung.
Der BGH hat dies bislang bei der Ausweitung der Öffnungszeiten einer Gaststätte und bei einer Neuvermietung der Einheit angenommen. Für die - hier erfolgte - Erweiterung einer Gaststätte um eine Außenterrasse gilt nichts anderes.
Daher kann hier eine Verwirkung des Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung der Außenterrasse zum Betrieb der Gaststätte schon mangels langjähriger Duldung durch die übrigen Wohnungs- und Teileigentümer nicht angenommen werden. Die Erweiterung des Gastronomiebetriebes in den Außenbereich hinein führt aufgrund der Anzahl von rund 50 Sitzplätzen und dem damit verbundenen Lärm zu einer im Vergleich zu der bis dahin erfolgten Nutzung erhöhten Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer und damit zum Entstehen eines diesbezüglichen Unterlassungsanspruchs.
Es ist unerheblich, dass sich die Terrasse auf öffentlichem Boden befindet. Diese ist untrennbar mit der Gaststätte verbunden und die davon ausgehenden Störungen gehen auf die zweckwidrige Nutzung der Teileigentumseinheit zurück.
Außer dem Zeitmoment fehlt es hier auch am Umstandsmoment. Die übrigen Eigentümer haben nicht durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben, dass sie ihren Unterlassungsanspruch nicht mehr durchsetzen wollen. Eine bloße Untätigkeit über einen längeren Zeitraum - hier 11 Jahre - reicht nicht aus.
(BGH, Urteil v. 15.12.2017, V ZR 275/16)
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