Wohnungsneubau ja, aber nicht auf meinem Acker?
Es soll eines der größeren Wohnungsbauprojekte in Frankfurt am Main werden, falls es jemals dazu kommt. Geplant, diskutiert, untersucht wird seit rund zwei Jahren: 190 Hektar eines insgesamt 550 Hektar großen Areals im Nordwesten der Stadt seien Bauland, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) bei Vorstellung der Pläne im Juni 2017. Geplant sind im neuen Stadtteil entlang der Autobahn 5 dem Rathaus zufolge Straßen, Parks, Schulen, Kindertagesstätten und 8.000 bis 12.000 Wohnungen für maximal 30.000 Bewohner, 30 Prozent davon gefördert.
Steht der Frankfurter Stadtteil auf der Kippe?
Derzeit führt die Stadt Gespräche mit dem Regierungspräsidium in Darmstadt und dem Regionalverband Rhein-Main. Auch die Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer wird aktuell geprüft. Die Stadt könne über das Bauvorhaben nicht alleine entscheiden, sagte Mark Gellert, Sprecher von Planungsdezernent Mike Josef (SPD). In den Gesprächen gebe es Fortschritte, im November könne man voraussichtlich einen neuen Stand verkünden.
In der Regionalplanung ist das Bauvorhaben nicht vorgesehen. Deshalb muss Frankfurt eine "Zielabweichung" in der Regionalversammlung Südhessen erreichen, deren 99 Mitglieder die Kommunen sind, darunter auch Steinbach, eine Gemeinde, die massiv mobil macht gegen den neuen Stadtteil. Eine Abstimmung wird frühestens im Herbst 2019 erwartet.
Bereits heute fehlen nach Angaben der Stadt 40.000 Wohnungen, um den steigenden Bedarf in der wachsenden Metropole zu decken, 90.000 Wohnungen könnten es bis zum Jahr 2030 sein. Nicht nur in Frankfurt, auch in anderen deutschen Großstädten wie Berlin oder Hamburg gibt es immer wieder Demonstrationen für mehr bezahlbaren Wohnraum. Das steht in einem Widerspruch zu den Protesten, die den Wohnungsneubau verlangsamen, der für eine Entspannung am Markt sorgen könnte.
Bündnis führt Klimawandel gegen "Josef-Stadt" an und plädiert für Nachverdichtung
Auch gegen das Bauvorhaben im Nordwesten von Frankfurt regt sich heftiger Widerstand – in der Politik, den angrenzenden Gemeinden und von Anwohnern.
So hat etwa die Bürgerinitiative "Heimatboden Frankfurt" am 15. September unter dem Motto "Grün statt Grau – kein Klima-GAU" zu einer Protestaktion in Form einer Menschenkette aufgerufen, um ein "Mahnzeichen gegen die Betonwut und Zerstörung wertvoller Agrarflächen" zu setzen. Mehr als 3.000 Demonstranten sind gegen das im Volksmund als "Josef-Stadt" betitelte Bauvorhaben (benannt nach Planungsdezernent Josef) auf die Straße gegangen. Anfang des Jahres hatten bereits zirka 16.000 Bürger eine Online-Petition der Initiative gegen den neuen Stadtteil unterzeichnet.
Karl-Josef Rühl, der Sprecher der Initiative, kritisierte, der Stadtteil solle auf besten Ackerböden und in Trinkwasserschutzgebieten entstehen. Angesichts des Klimawandels dürften "Ackerböden nicht einfach so verbraten werden". Stattdessen solle neuer Wohnraum durch Aufstockung und Umwandlung entstehen.
Auch Nachverdichtung birgt Konfliktpotenzial
Doch auch bei Nachverdichtung im Bestand gibt es häufig Widerstand von Anwohnern und lokalen Initiativen.
Durch Nachverdichtung etwa in den großen Frankfurter Wohnsiedlungen könnten Josef zufolge Tausende neue Wohnungen entstehen. Vorbild könnte die Platen-Siedlung in Ginnheim sein, wo der städtische Wohnungskonzern ABG bereits mit der Nachverdichtung begonnen hat, aber auf Protest von Anwohnern stößt. Insgesamt sollen dort 680 neue Wohnungen entstehen. Nach Angaben des Stadtplanungsamtes hat Josef vor Kurzem 30 Millionen Euro Fördergelder für das Projekt bewilligt. Gegen die geplante Nachverdichtung der Wohnbaugenossenschaft (WBG) Frankfurt im Ostend ging eine Nachbarschaftsinitiative juristisch vor. Mittlerweile liegt laut WBG eine Baugenehmigung vor, im Frühjahr 2020 soll mit dem Bau von 14 Mietwohnungen, weniger als ursprünglich geplant, im Innenhof begonnen werden.
Hilft eine frühzeitige Beteiligung der Bürger?
Ob eine frühzeitige Beteiligung der Bürger geeignet ist, Konflikte zu vermeiden, ist noch nicht abschließend garantiert. Damit sich Projekte durch kontroverse Debatten nicht endlos verzögern, hat Berlin vor Kurzem neue Leitlinien für eine Beteiligung von Bürgern an der Stadtentwicklung vorgestellt. Auch Frankfurt am Main sieht die städtebauliche Entwicklung als Gemeinschaftsaufgabe und will seine Bürger "über das gesetzliche Mindestmaß hinaus" frühzeitig in die Prozesse einbinden, so eine der Zielsetzungen im integrierten Stadtentwicklungskonzept Frankfurt 2030+.
Bürgerbeteiligung beim Thema Wohnen ist vor allem im dynamisch wachsenden Berlin ein zweischneidiges Schwert: Zwar besteht auch hier die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum, doch auch hier kommt es etwa immer wieder zu heftigem Widerstand von Anwohnern und Initiativen, der zu Verzögerungen bei wichtigen Bauvorhaben führt. Exemplarisch zeigten das die Bürgerproteste gegen die Randbebauung des Tempelhofer Feldes; ein Projekt, das seit Jahren in den Seilen hängt.
Widerstand gab es auch in Freiburg im Breisgau gegen das geplante neue Stadtquartier "Dietenbach", das derzeit aus Wiesen und Ackerflächen besteht. Dort hatten die Gegner des Bauvorhabens ähnlich wie in Frankfurt unter anderem den Wegfall landwirtschaftlicher Gebiete kritisiert. Letztlich wurde ein Bürgerentscheid erwirkt, mit dem Ergebnis, dass das Dietenbach-Areal bebaut werden darf.
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