Krisen-Modell "Homeoffice": Blaupause für das digitale Büro?
Herr Brehme, die Einschränkungen im Zuge der Coronakrise haben gezeigt, dass Unternehmen entgegen mancher Erwartung in der Regel auch im Homeoffice handlungsfähig bleiben. Ob sie daraus Lehren ziehen werden?
Timo Brehme: Viele Unternehmen haben es geschafft, die Umstellung aufs Homeoffice situationsbedingt gut zu meistern. Dies betrifft meist diejenigen, welche sich bereits vor der Krise mit Themen rund um New Work und agilem Arbeiten beschäftigt hatten. Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass eine ebenso große Anzahl an Unternehmen bei der Thematik Homeoffice und Digitalisierung an ihre Grenze gestoßen ist.
An was hat es gefehlt?
Das waren oftmals ganz banale Dinge wie fehlende High-Speed-Internet-Verbindungen, fehlende Hardware, etwa ausreichend Laptops, oder eine angemessene ergonomische Arbeitsausstattung in Form von Bürostühlen zum Beispiel. Ein ebenso alarmierender Aspekt ist das Unwissen vieler Mitarbeiter über Nutzungsmöglichkeiten bestehender PC-Programme, die bisher keine Relevanz für deren täglichen Berufsalltag hatten. Die Geschwindigkeit, mit der die Umstellung erfolgt ist, hat Unternehmen klare Grenzen und auch Schwachstellen aufgezeigt. Mit welchen Learnings ein Unternehmen zum Office zurückkehrt, ist sehr individuell.
Nach der Krise wird jedenfalls niemand mehr sagen können, die Digitalisierung war nur ein Hype.
Wir appellieren an jedes Unternehmen, sich die Zeit zu nehmen und eine genaue Analyse bezüglich Strukturen, Arbeitsabläufen und Kommunikationswegen zu machen – die Devise lautet, ungenutzte Potenziale zu eruieren und neue Wege einzuleiten. Kein Unternehmen wird um das Thema New Work herumkommen. Dies intelligent und langfristig sinnvoll umzusetzen, ist die oberste Priorität. Als Planer konzipieren wir das Büro als Möglichkeitsraum, ein Werkzeug, das den Nutzern dabei hilft, neue Visionen zu entwickeln und zu verwirklichen. Unser Interesse ist es, Impulse zu geben und Prozesse anzustoßen, die die Arbeitswelt verbessern. Viele Prozesse und Routinetätigkeiten werden künftig vereinheitlicht und im nächsten Schritt von Künstlicher Intelligenz abgelöst.
Kommen wir auf digitale Lösungen zu sprechen. Kann die Krise den Immobiliensektor diesbezüglich verändern?
Viele Unternehmen und Behörden, die beim Aspekt der Digitalisierung noch hinterher sind, werden die Lücke über kurz oder lang schließen müssen. Sowohl von Seiten der physischen Infrastruktur als auch in Form von Schulungen für die Mitarbeiter. Genaue Analysen und Change-Management-Prozesse werden dabei unumgänglich sein. Neben der Einführung von erprobten digitalen Prozessen wird auch der Weg für innovative digitale Lösungen in einem höheren Tempo als je zuvor geebnet. So erproben wir bei CSMM im Bau- beziehungsweise Immobiliensektor in der Krisenzeit verstärkt Technologien wie BIM oder digitalisierte Bauabnahmen mit Hilfe von speziellen Software-Anbietern. Lösungsansätze dieser Art wären vor der Krise mit wesentlich geringerem Tempo eingeführt worden. Krisenzeiten sind auch Innovationszeiten.
Wird sich auch der Büroimmobilienmarkt durch die neuen Arbeitswelten verändern?
Von der Grundfläche wird sich der Büroimmobilienmarkt nicht grundlegend verändern. Wer sich vor der Krise an die Arbeitsstättenrichtlinien gehalten hat, wird auch bei der Rückkehr ins Büro keine Probleme haben. Die Richtlinien sind mit ausreichend Abstand bemessen. Schlecht beraten sind diejenigen, die sich an dem Prinzip der Flächeneinsparung orientiert haben. Das wird mit eineinhalb Metern Hygieneabstand nicht funktionieren. Hier wird man die Arbeitsplätze entzerren und gegebenenfalls Mitarbeiter auf eine Ausweichfläche platzieren müssen. Ob dies dann ein rotierendes System ist, bei dem Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen, ins Homeoffice zu gehen, oder zusätzlich flexible Flächen bei Fremdanbietern angemietet werden, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Eine einheitliche, gangbare Lösung wird es hier nicht geben.
And the winner is?
Gewinner werden auf alle Fälle diejenigen sein, die das Wertschöpfungspotenzial ihrer Mitarbeiter erkennen und fördern. Das wird nicht durch Flächeneinsparungen passieren, indem man die Mitarbeiter nun einfach ins Homeoffice schickt. Dieser Ansatz wird im ersten Schritt zwar Kosten sparen, jedoch keine nachhaltige Lösung darstellen.
Das Homeoffice bleibt nur Teilaspekt agiler Büroarbeit sozusagen ...
... eine Ergänzung der anderen Raumszenarien. Vielmehr muss in den Büroräumlichkeiten eine Grundlage zur freien Gestaltung zur Verfügung gestellt werden. Einander ergänzen werden sich die Bereiche für rein konzentrierte Arbeit und die für den informellen oder interdisziplinären Austausch sowie die sozialen Treffpunkte. Das Büro als physischer Ort wird bleiben.
Darauf müssen sich Wohnungs- und Immobilienunternehmen erst mal einstellen.
Wir bieten diesbezüglich umfassende Hilfestellung an und erarbeiten dazu gerade ein Konzept. Dazu gehören neben der Gestaltung des Büroalltags und der Bürostruktur mit digitalen Hilfsmitteln wie Change-Management-Workshops auch die Nachrüstung von bestehenden Büroräumen mit Hygienemaßnahmen oder die Beratung zur Einhaltung der Mindeststandards bezüglich Abstands- und Hygieneregelungen. Auch sollte ein agiles und unternehmensspezifisches Raumkonzept erarbeitet werden, das wohl mittel- als auch langfristig Bestand hat.
Zum Abschluss noch eine politische Frage: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) strebt ein generelles Recht auf Homeoffice nach derPandemie an. Ist das praktikabel?
Es gibt eine Großzahl an Branchen oder Berufsbildern, wo es einfach keinen Sinn ergäbe, im Homeoffice zu arbeiten. Zum einen geht es um die Vertraulichkeit von Dokumenten, die im Homeoffice nicht gewährleistet werden kann, oder um physische Ablagen, die mit Kollegen geteilt werden müssen – die Anwesenheit im Büro ist für viele Bereiche unumgänglich. Homeoffice ist zwar in manchen Bereichen machbar, erschwert aber den Arbeitsalltag und ist oftmals ineffizient.
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