Kontinuierliches Lernen löst klassische Trainings ab
Herr Bursik, warum braucht die Welt neue Bildungsformate?
Bursik: Durch die Digitalisierung veraltet unser Wissen immer schneller. Ein Programmierer muss zum Beispiel kontinuierlich dranbleiben. Das lässt sich schwer mit klassischen Weiterbildungsformen bewerkstelligen, weil das viel zu ineffizient wäre. Besser ist kontinuierliches Lernen. Lernen als Teil des Arbeitens.
Wie kann das aussehen?
Indem Sie als Unternehmen zum Beispiel immer wieder zu wichtigen Themen kleine Lernanstöße geben. Lassen Sie Kollegenteams sich ihre Skills an konkreten Themen im Projekt erarbeiten. Das bringt mehr als ein Seminar für jeden.
Was spricht gegen Seminare?
Grundsätzlich nichts. Aber nach dem 70/20/10-Lernmodell stammen nur zehn Prozent unseres Wissens aus formalem Lernen etwa durch Seminare. 20 Prozent lernen wir über und durch andere. Der Großteil, 70 Prozent, stammt aus Learning on the job. Die Personalabteilungen konzentrieren sich zurzeit nur auf die ersten zehn Prozent. 90 Prozent bleiben so in vielen Unternehmen komplett unberührt. Unser Ziel ist, auch dieses Potenzial zu heben und zu steuern.
Wie stellen Sie das an?
Wir haben eine Learning Experience-Plattform entwickelt, die den Lernenden ins Zentrum stellt. Wir gehen weg von klassischen Trainings hin zum 'Ermöglichen von Lernerfahrungen'.
Klingt etwas abstrakt.
Lernen soll nicht mehr isoliert im Klassenzimmer stattfinden, sondern stärker im Arbeitsprozess. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter muss ein größeres Projekt managen und stellt fest, dass im Team das Know-how dafür fehlt. Er könnte jetzt klassisch einen Kurs besuchen. Dann fehlt er drei, vier Tage im Betrieb und muss das Gelernte auch noch in seinen Arbeitsalltag transferieren. Alternativ könnte man auf selbstgesteuertes Lernen setzen.
"Microlearning ist ein großer Trend"
Wie funktioniert selbstgesteuertes Lernen?
Die Idee ist, einen digitalen Lernraum zu kreieren, aus dem sich unterschiedlichste Inhalte abrufen lassen. Genau dann, wenn man sie braucht. Der Lernende übernimmt das Ruder. Die Angebote speisen sich zum Beispiel aus standardisierten Trainings, die eingespielt werden, oder Dingen, die von Kollegen kommen – eventuell ergänzt um ein Mentorenkonzept: Wer sich auskennt, steht den anderen zur Verfügung. Heinrich von Pierer hat mal gesagt: „Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß.“ Dieses firmeninterne Know-how sicht- und nutzbar zu machen, findet in Unternehmen noch viel zu wenig statt.
Wie können neue digitale Formate aussehen?
Statt dem reinen Frontalunterricht mit dem Computer als Gegenüber, wie es früher beim E-Learning war, kann ein ganzer Strauß an Formaten zum Einsatz kommen, durch die man geleitet wird. Videos, Multiple Choice, kleinere Lerneinheiten, Serien – inspiriert von Netflix und Youtube. Microlearning ist ein großer Trend: Ein Thema gesplittet in kleine Einheiten, die man nach und nach durchspielt. Snippets orchestriert zu einem Gesamtkunstwerk. Die neuen digitalen Formate erlauben es, die klassische Linearität des Lernens aufzugeben. Sie können springen, wiederholen, auslassen oder Bausteine individuell zuordnen.
Und wo steht, Ihrer Meinung nach, die Immobilienbranche beim digitalen Lernen?
In der Branche setzen sich solche Trends traditionell ein bisschen langsamer durch. Aber das kann plötzlich auch ganz schnell gehen, wenn etwa ein neuer Player vorstösst. Wir kennen das aus anderen Bereichen. Man denke nur an ImmoScout oder Immowelt. Der Druck durch neue Wettbewerber steigt. Zudem will man ja auch als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Die junge Generation ist ganz anders sozialisiert. Die stehen dem Teilen von Wissen ganz anders gegenüber. Für die ist das normal. Und das sollte man sich als Arbeitgeber zunutze machen.
Der Artikel ist erschienen im Magazin "Immobilienwirtschaft", Ausgabe 10/2019.
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