Städtebauförderung: Programm "Soziale Stadt" unter der Lupe

Damit sie benachteiligte Quartiere aufwerten, fördert der Bund mit dem Programm "Soziale Stadt" seit mehr als 20 Jahren Länder und Kommunen – in diesem Jahr fließt die Rekordsumme von 200 Millionen Euro in die Projekte. Eine Bestandsaufnahme des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).

Um das Städtebauprogramm "Soziale Stadt" des Bundesinnenministeriums umzusetzen – gefördert werden von den sozial schwachen Wohnquartieren die am stärksten benachteiligten –, sind Informationen über die Lebensverhältnisse der Menschen in den geförderten Gebieten wichtig.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat dafür jetzt unter anderem untersucht, wie sich die Bevölkerung in den geförderten Stadtvierteln im Vergleich zu nicht geförderten benachteiligten Quartieren zusammensetzt und wie sich die Lebenssituation unterscheidet. Ausgewertet wurden 56 Großstädte auf Grundlage von Stadtteildaten der Innerstädtischen Raumbeobachtung (IRB) für den Zeitraum 2012 bis 2017.

Nur in Ausnahmefällen kommt es der Analyse zufolge dazu, dass Quartiere sozial auf-­ oder absteigen – in der Mehr­heit der Quartiere bleibt die ursprüngliche Zusammensetzung der Bevölkerung erhalten.

Die Sozialen-Stadt-Gebiete sind überdurchschnittlich jung

Mehr als jeder fünfte Bewohner der Stadtteile, die im Programm Soziale Stadt gefördert werden, hat laut BBSR im Jahr 2017 Sozialleistungen empfangen. Der BBSR-Analyse zufolge betrifft Armut insbesondere junge Bewohner. Das liegt dem Bundesinstitut zufolge vor allem am höheren Anteil von ausländischen Bewohnern, deren Durchschnittsalter zirka 4,5 Jahre unter dem der deutschen Bevölkerung liegt.

Der Anteil der Kinder unter zehn Jahren ist in Soziale-Stadt-Gebieten im Vergleich zu den nicht geförderten Wohngebieten ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Während sich die Anteile bei der deutschen Bevölkerung zwischen den Stadtteiltypen nicht signifikant voneinander unterscheiden, sind sie bei den Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowohl in West-­ als auch in Ostdeutschland mehr als doppelt so hoch wie in den sonstigen Gebieten. Die Werte in benachteiligten Stadtteilen ohne Förderung liegen dem BBSR zufolge sehr nahe bei jenen von Soziale­-Stadt­-Quartieren.

Außerdem sind Haushalte mit drei oder mehr Kindern sowie Haushalte von Alleinerziehenden in den Fördergebieten deutlich überrepräsentiert. Dabei zeigte sich, dass eine Förderung von Bildungseinrichtungen im Jugendbereich, wie Kitas oder Grundschulen, die Quartiere besonders effektiv unterstützen kann.

Deutlich mehr ausländische Bewohner in Bereichen der Sozialen Stadt

Insgesamt hat seit Beginn des Betrachtungszeitraums im Jahr 2012 die Zahl der ausländischen Bewohner in benachteiligten Quartieren zugenommen. Dies liegt dem BBSR zufolge an der durch die Ost­-Erweiterung innerhalb der Europäischen Union höhere Zuwanderung aus Südosteuropa sowie an den Folgen des Krieges in Syrien und im Irak.

Der BBSR geht davon aus, dass sich die ausländische Bevölkerung in ostdeutschen Städten stärker auf die Gebiete der Sozialen Stadt konzentriert als in den westdeutschen Städten. Allerdings verzerrt Berlin die Zahlen: Ohne Berlin schwächt sich dieser Effekt ab. In den westdeutschen Städten hat sich die Zahl der Ausländer in Soziale­-Stadt-Gebieten von knapp 275.000 im Jahr 2012 auf rund 365.000 im Jahr 2017 erhöht. Damit stieg der Ausländeranteil in diesen Quartieren laut BBSR um fünf Prozent mehr als in den sonstigen Stadtteilen. In den ostdeutschen Städten sind die Veränderungen noch stärker ausgeprägt, da hier die Zahl der Ausländer im 2012 ein geringeres Ausgangsniveau aufwies.

In Ostdeutschland wuchs der Anteile ausländischer Bevölkerung am stärksten in den benachteiligten Quartieren ohne Förderung. Der BBSR erklärt das unter anderem damit, dass in den ostdeutschen Städten häufig innenstadtnahe Altbauquartiere Gebietskulissen im Programm Soziale Stadt bilden. Diese haben sich mittlerweile zu attraktiven Wohnstandorten mit hohen Mietpreisniveaus entwickelt und verzeichneten somit geringere Zuwanderungsraten.

Zentrales Problem: Hohe Arbeitslosigkeit

Ein zentrales Problem sozial be­nachteiligter Quartiere ist laut BBSR die hohe Konzentration von Arbeitslosigkeit. Das Programm Soziale Stadt nutzt hier Partnerprogramme wie BIWAQ (Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quar­tier), um Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitssuchende zu qualifizieren und zu unterstützen.

In Westdeutschland lag die Arbeitslosenquote im Jahr 2017 in den benachteiligtigten Gebieten mit Förderung bei rund 10,44 Prozent (Ostdeutschland: rund 9,2 Prozent), in denen ohne Förderung bei knapp 9,6 Prozent (Ostdeutschland: neun Prozent) und in den sonstigen Vierteln bei rund 4,3 Prozent (Ostdeutschland 4,6 Prozent).

Die Beschäftigungsquote – Anteil der sozialversicherungspflich­tig Beschäftigten von 15 bis unter 65 Jahren am Wohnort an der gleich­altrigen Wohnbevölkerung – lag in Soziale­-Stadt­-Gebieten in Westdeutschland bei rund 49,3 Prozent im Jahr 2017, bei 51,4 Prozent in den benachteiligten Stadtgebieten ohne Förderung und bei rund 56,7 Prozent in den sonstigen Stadtteilen. In Ostdeutschland war das Verhältnis: Rund 52,5 Prozent (geförderte benachteiligte Gebiete; rund 55,7 Prozent nicht geförderte benachteiligte Gebiete und knapp 61 Prozent (sonstige Stadtteile).

Der Anteil der Menschen ohne Job hat sich laut BBSR in den Fördergebieten zwischen 2012 und 2017 leicht verringert – in West­- als auch in Ostdeutschland. Diese Entwicklung ist allerdings von einer starken wirtschaftlichen Dynamik in Deutschland geprägt. Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung im Rahmen der Sozialen Stadt fallen hier nicht so stark ins Gewicht. Trotzdem leisten sozialräum­liche Programme wie etwa BIWAQ einen wichtigen Beitrag, um arbeits­lose Menschen vor Ort mit Qualifi­zierungsmaßnahmen zu erreichen, so der BBSR.

2020: Das Jahr für noch mehr Nachbarschaft im Quartier

Bis Ende 2018 hat der Bund in 533 Kommunen mit rund 1,9 Milliarden Euro insgesamt 934 Gesamtmaßnahmen gefördert. In der ab 2020 neuen Programmstruktur der Städtebauför­derung wird der Ansatz der Sozi­alen Stadt im Programm "Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten" fortgeführt und weiterentwickelt. In diesem Jahr wird der Rekordbetrag von 200 Millionen Euro bereit gestellt.

"Wir haben noch einen langen Weg vor uns", sagt BBSR-Leiter Markus Eltges. Zwar bleibe auch in der ab 2020 neuen Programmstruktur der Städtebauförderung der integrative Ansatz der Sozialen Stadt ein Schwerpunkt der Förderung, doch es werde ressortübergreifenden Strategien eine größere Bedeutung zukommen – etwa die Strategie "Nachbarschaften stärken, miteinander im Quartier", die im August 2016 vom Bundeskabinett beschlossen wurde.

BBSR-Analyse "Wer lebt in den Gebieten der Sozialen Stadt?"



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