Wie man am besten Energie verschwendet

Gebäude werden flächendeckend schlecht betrieben, findet Aedifion-Gründer Dr. Johannes Fütterer. Dabei gibt es viele und große Stellschrauben. 3 Fragen zu schwingenden Regelkreisen, taktenden Wärmepumpen und Gebäuden, die sich der Natur anpassen.

Herr Dr. Fütterer, welches sind bei der Optimierung des technischen Gebäudebetriebs die größten Stellschrauben, an denen Immobilienunternehmen drehen können?

Dr. Johannes Fütterer: (…) Gebäude werden flächendeckend schlecht betrieben und die einfachsten Sachen werden leider nicht richtig gemacht – daher sind das auch die größten Stellschrauben. Wenn man sich etwa eine Heizung anguckt, muss man sich fragen, ob die Heizkurve richtig eingestellt ist. In den meisten oder in vielen Fällen ist sie flach. Das heißt, egal welche Außentemperatur ich habe: Das Heizsystem heizt auf 65, 70, vielleicht sogar 75 oder 80 Grad. Besser kann ich Energie nicht verschwenden.

Zweiter Punkt: Es gibt teilweise keine Nachtabsenkung. Es wird in der Nacht durchgeheizt. Ganz schlimm ist es auch bei der Sommerabschaltung: Am Ende des Frühjahrs werden die Heizungen teilweise nicht runtergeregelt und immer wieder gehen sie im Sommer in der Nacht an, obwohl ich das nicht brauche. Es sind wirklich absolute low-hanging fruits, die man erst mal heben muss, und es sind Laufzeiten von raumlufttechnischen Anlagen, wenn zum Beispiel ein Shoppingcenter oder ein Bürogebäude am Wochenende in der Nacht belüftet werden.

Wenn ich das alles auf den tatsächlichen Bedarf angepasst habe, dann geht es runter auf die Systemebene: schwingende Regelkreise, Temperaturspreizung in Heizkreisen, taktende Wärmepumpen, taktende Erzeuger. Das sind Punkte, da läuft es oft nicht optimal.

Wenn ich dann noch weitergehe, kann man natürlich mit prädiktiver Steuerung den Gebäudebetrieb noch viel effizienter machen. Das heißt, ich bilde ein Modell davon, wie sich das Gebäude verhält – insbesondere bilde ich die thermische Kapazität ab. Dazu erstelle ich Nutzerprofile darüber, wie sich der Nutzer verhalten wird, und das verbinde ich mit einer Wettervorhersage. Dann kann ich das Objekt prädiktiv aussteuern. (...)

Wie viel Flexibilität steckt im Energiesystem?

Sie sagen, dass Gebäude Teile der Energieinfrastruktur sein müssten, des Energieversorgungssystems von morgen. Dass sie eine große Lastflexibilität hätten, wenn man sie mit Speichern, Wärmepumpen und Ladesäulen ausrüstet und gemeinsam denkt?

(...) Jedes Nichtwohngebäude, übrigens auch jedes Privatgebäude, hat eine bestimmte Flexibilität. Fangen wir beim privaten Haushalt an: Ich kann mir überlegen, wann ich meine Waschmaschine laufen lassen. Ich kann mir nicht ganz so genau überlegen, wann ich mein Abendessen koche, da habe ich vielleicht nur eine Viertelstunde Flexibilität. Der Punkt ist: Bestimmte Anwendungen kann ich postponieren oder eben vorziehen. Oder es ist mir egal und die Waschmaschine kann irgendwann in der Nacht laufen.

Genau das Gleiche gilt auch in Nichtwohngebäuden: Wir können die thermische Masse eines Objekts ausnutzen, um es vorzuheizen, um es gegebenenfalls auch mal ein bisschen auskühlen zu lassen und dann später wieder aufzuheizen.

Wenn ich eine Wärmepumpe habe, wird der Strom direkt in Wärme gewandelt. Das geht aber auch, wenn ich einen Gaskessel habe. Dann verzichte ich auf die Pumpenergie, die ich gerade brauche, und stelle mal für 15 Minuten das komplette Heizsystem ab. Das merkt der Nutzer unter Umständen gar nicht. Auch bei raumlufttechnische Anlagen, deren Stromverbrauch relativ hoch ist, weil Luft befördert werden muss, kann ich die Leistung auch kurzzeitig reduzieren. Der Mensch empfindet das unter Umständen sogar als angenehm (…), denn er ist ja von der Natur von außen dynamische Randbedingungen gewohnt. Das Gebäude passt sich innen dann wieder der Natur an.

Energieverbrauch: Das Wann zählt

Es gibt also sehr viele Flexibilitäten, die ich ich digital "enablen" muss. Das tun wir jetzt und danach können wir sie ausbauen. Beispielsweise, indem man zur Flexibilität und zum Tarif passende Hardwarenachrüstungen vornimmt, etwa die Integration eines Batteriespeichers oder den Ausbau von Photovoltaik, Ladesäulen und auch Wärmepumpen, um das System dann ganzheitlich noch flexibler zu machen.

Am Ende des Tages wird nicht mehr entscheidend sein, wie viele Kilowattstunden insgesamt verbraucht werden, sondern wie viel Energie wann verbraucht wird.

Wohin geht der Weg bei der Gebäudeautomation?

Ich habe die Hoffnung, dass wir weiter das 1,5-Grad-Ziel verfolgen. Ich habe auch die Hoffnung, dass wir ordentliche CO2-Preise bekommen. Das ist meines Erachtens das beste Steuerungsmittel.

Aus einer technologischen Perspektive: Gebäude brauchen datenbasierte Bewirtschaftung, sie brauchen eine Cloud-Plattform. Wenn ich das nicht habe, kann ich sie nicht zukunftsorientiert betreiben im Energiesystem von morgen – was kommen wird.

Wir werden nicht mehr die Möglichkeit haben, komplett fixe Stromtarife zu günstigen Preisen zu erwerben. Das heißt, die Flexibilität wird kommen. Wir haben zudem ein eklatantes Fachkräfteproblem im Facility Management. Aufgrund von datenbasierten Strukturen kann ich viel effizienter wirtschaften: Ich fahr nur noch dann zum Gebäude, wenn es wirklich sein muss. Ich warte das System dann, wenn es droht kaputt zu gehen. Ich wechsele den Filter einer raumlufttechnischen Anlage, wenn er verstopft ist – und nicht alle drei bis sechs Monate. (…)