"Die Hauptstadtregion ist Deutschland im Brennglas"


75 Jahre DW Die Wohnungswirtschaft – Interview Maren Kern

Das Fachmagazin DW Die Wohnungswirtschaft feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. Aus allen Regionalverbänden des GdW lassen wir die Verbandsdirektorinnen und -direktoren zu Wort kommen. Den Anfang macht Maren Kern, seit 2009 Vorstandsmitglied des BBU.

Der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. ist der älteste wohnungswirtschaftliche Verband Deutschlands.

Iris Jachertz: 2022 feierte der BBU seinen 125. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Der Verband blickt auf eine sehr bewegte Geschichte zurück – wie die Deutsche Einheit. Dennoch ist der BBU auch ein Verband der Gegensätze: Vom urbanen Berlin versus ländliche Regionen Brandenburgs, von Wohnungsknappheit einerseits versus Leerstand anderseits und vieles mehr. Wie gehen Sie mit diesen Gegensätzen um?

Maren Kern: Unser Jubiläum im vergangenen Jahr war für uns tatsächlich besonders. Bundestagspräsident a.D. Prof. Dr. Norbert Lammert sagte dazu: "eine Organisation, die über einen so langen Zeitraum besteht, hat bewiesen, dass sie gebraucht wird." Ich finde, das kann man bei aller Bescheidenheit tatsächlich so stehen lassen.

Der BBU und seine Mitglieder in Berlin und Brandenburg haben in dieser Zeit sehr viele große Herausforderungen gemeistert. Die Wiedervereinigung gehörte dabei sicherlich zu den prägendsten Ereignissen. Die Überführung der kommunalen Gesellschaften und Genossenschaften in eine neue Rechts- und Wirtschaftsordnung habe ich damals aus nächster Nähe intensiv begleitet. Natürlich gibt es nach wie vor regionale Unterschiede – die aber längst nicht mehr an den Landesgrenzen Halt machen: Außerhalb des "Speckgürtels" stehen viele Wohnungen leer – während in Berlin und seinem Umland Wohnungen knapp sind. Einheit bedeutet aber aus meiner Sicht nicht, dass alles gleich ist – sondern dass man sich als ein Team versteht und mit einer Stimme spricht. Das tut der BBU für seine Mitglieder in Berlin und Brandenburg.

Die Hauptstadtregion ist in gewisser Weise "Deutschland im Brennglas". Vieles von dem, was andernorts diskutiert wird, haben wir bereits erlebt und können auf Erfahrungen und Lösungsansätze zurückgreifen. Diese Erfahrungen geben Zuversicht, auch heutige Herausforderungen meistern zu können. Allerdings stelle ich schon fest, dass es einen Unterschied zur Wende-Zeit gibt: Damals hat Politik und Verwaltung der Einschätzung von Experten vertraut, sie berücksichtigt und zügig umgesetzt. Heute habe ich häufig den Eindruck, dass vor allem eine festgelegte politische Sichtweise in den Mittelpunkt gestellt wird. Das halte ich für unser Gemeinwesen für nicht hilfreich – und es macht auch die Bewältigung der Klimakrise, der Energiekrise oder der Pandemiefolgen schwieriger.

Eine Mehrheit hat 2021 im Rahmen eines Volksentscheids in Berlin für den Plan gestimmt, große Wohnungskonzerne der Stadt mit insgesamt 240.000 Wohnungen zu Gemeineigentum zu machen. Was bedeutet der Volksentscheid für die Unternehmen?

Der BBU hat dazu eindeutig Position bezogen. Für uns ist völlig klar, dass Instrumente wie ein "Mietendeckel" oder die Enteignung der völlig falsche Weg sind. Denn sie sind undifferenziert und lösen das Problem nicht. Beispiel Enteignung: Man kann doch das Problem, dass Wohnungen fehlen, nicht dadurch lösen, dass ein Teil des Bestandes den Eigentümer wechselt. Wohnungen entstehen nur durch mehr Neubau, und der wiederum geht nur mit entsprechenden Rahmenbedingungen und Vertrauen in politische Entscheidungen.

20.000 Wohnungen pro Jahr – so lautet das ehrgeizige Ziel beim Neubau in der Hauptstadt. Bundesweit sollen es 400.000 Wohnungen sein. Dass diese Ziele derzeit erreicht werden können, scheint angesichts der aktuellen Lage wie steigende Zinsen, Inflation, Fachkräfte- und Materialengpässe und vieles mehr aussichtslos. Sind die Gründe für das Verfehlen der Neubau-Ziele in Berlin ähnlich wie auf Bundesebene?

Es sind die gleichen Gründe, die Sie gerade für die Bundesebene genannt haben – dazu kommen die speziellen Berliner Diskussionen um Mietendeckel und Enteignung sowie der nicht klar genug artikulierte politische Wille, dass Neubau notwendig ist. Das macht die Lage beim Neubau so schwierig. Dabei können nur im engen Schulterschluss zwischen Politik und Wohnungswirtschaft die Probleme gelöst und die ambitionierten Ziele erreicht werden.

Welche Ihrer Forderungen sollten bei den Politikern unbedingt Gehör finden?

Wir sind mit Blick auf die Energiekrise in einer Ausnahmesituation, in der schnelle Entscheidungen nötig sind. Wo so gehandelt werden muss, hilft aber keine Tunnelblick-Politik, sondern es sollte die vorhandene Expertise eingebunden werden. Das passiert aus meiner Wahrnehmung viel zu wenig, vor allem im Bundeswirtschaftsministerium. Das beste Beispiel hierfür ist die Pflicht zum hydraulischen Abgleich, der in der Mittelfristverordnung EnSimiMaV enthalten ist. Die geforderte Durchführung von Millionen Abgleichen bis 2024 ist einerseits sehr teuer und andererseits auch wegen des Handwerkermangels unmöglich. Wir haben mit dem GdW und den anderen Regionalverbänden deutlich darauf hingewiesen. Unsere Forderungen sind aber ignoriert worden. Und es ist nur ein Beispiel einer Reihe, die sich weiterführen ließe.

Worauf sollten die Unternehmen gerade jetzt aus wirtschaftlichen und/oder sozialen Aspekten unbedingt einen Fokus legen, um während und nach der Zeitenwende zu bestehen?

Unsere Mitglieder reagieren mit guter Kommunikation und im engen Austausch mit ihren Mieterinnen und Mietern. Nehmen wir das Beispiel der stark steigenden Energiepreise: Unsere Mitglieder haben bereits ganz frühzeitig durch Flyer et cetera über die Situation aufgeklärt, geben Hilfestellungen zum Energiesparen und haben zugesichert, dass niemand wegen Energieschulden die Wohnung verlieren wird. Gleichzeitig optimieren unsere Wohnungsunternehmen ihre Anlagentechnik und werden bei all dem intensiv vom BBU unterstützt. Wir raten unseren Mitgliedern weiterhin dazu, durch Optimierungen die individuell größten Einsparpotenziale zu heben.

Was konnte das Förderprogramm "Stadtumbau Ost" bisher für Ihre brandenburgischen Mitglieder erreichen?

Die Bilanz hängt sehr davon ab, wie diese Mittel vor Ort eingesetzt wurden. Es gibt viele Beispiele, wo eine weitsichtige Stadtpolitik gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen an einem Strang gezogen hat. Wo das passiert ist, sind durch Abriss, Umnutzungen und Neubau viele positive Impulse für die Stadtentwicklung gesetzt worden. Das wäre ohne das Förderprogramm nicht möglich gewesen. Deshalb ist es aus meiner Sicht eine Erfolgsgeschichte – die fortgeführt werden muss.

Scheitert das Erreichen der Klimaziele mancherorts vielleicht auch daran, weil die Wohnungsunternehmen noch ganz andere Probleme haben?

Mit durchschnittlichen Bestandsmieten pro Quadratmeter zwischen 5,06 Euro im weiteren Metropolenraum und 6,41 Euro in Berlin ist der Investitionsspielraum sehr begrenzt. Wenn dazu auch noch Altschuldenverpflichtungen kommen, geht das sehr schnell an die Substanz. Dass diese Unternehmen zum Teil dennoch in Zukunftsthemen wie Digitalisierung oder Mieterstrom investieren, liegt auch daran, dass sie vom Erfahrungsaustausch mit den anderen BBU-Mitgliedern profitieren. Diesen Austausch zu organisieren, betrachte ich als eine unserer Schlüsselaufgaben in der Verbandsarbeit.

75 Jahre DW Die Wohnungswirtschaft – auch wir waren und sind immer ganz nah dran an der Branche und ihren Akteuren. Was macht das Fachmagazin für Sie besonders lesenswert?

Der DW gelingt eine hervorragende Mischung: Sie ordnet große Entwicklungen ein und gibt fachliche Expertise. Sie teilt Wissen und gibt Rat. Sie bezieht Position. Und sie präsentiert gute Beispiele, aus denen sich für die eigenen Themen viele Anregungen ziehen lassen. Das schätze ich sehr an der DW und sollte auch weiterhin ihr Markenzeichen bleiben.

Ich wünsche der DW, dass sie weiterhin das Leitmedium der Branche bleibt – mit Innovation, Dynamik, Kreativität und einem großartigen Team. Meine ganz herzlichen Glückwünsche zum Jubiläum!


Schlagworte zum Thema:  Wohnungswirtschaft, Berlin