DW-ZP: Kaifu-Nordland – Mit Kompass auf Erfolgskurs

Innerhalb weniger Jahre hat die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft Kaifu-Nordland eG eine neue Unternehmenskultur geschaffen. Auf dem Weg dahin erarbeitete sie ein Leitbild, etablierte eine Beteiligung der Belegschaft und schuf attraktive Arbeitsbedingungen.

Vor allem ein Erlebnis ist Sandra Balicki bis heute in Erinnerung geblieben: Kurz nachdem sie 2018 als Prokuristin zur Kaifu-Nordland eG (kurz Kaifu) gekommen war, kehrte eine Mutter aus der Elternzeit auf ihre Arbeitsstelle zurück und sagte Balicki mit Tränen in den Augen: "Ich muss Vollzeit arbeiten und weiß nicht, wie ich das hinbekomme" – Teilzeitarbeit, begründete sie das, sei doch gar nicht möglich.

Von "keine Zukunftsfähigkeit" zu "Top Company"

Die Anekdote steht sinnbildlich für die Arbeits­atmosphäre, die noch vor wenigen Jahren bei der traditionsreichen Hamburger Genossenschaft herrschte. "Aus HR-Sicht hatte die Kaifu-Nordland eG damals keine Zukunftsfähigkeit", blickt Sandra Balicki zurück, die als Leiterin der Bereiche Human Resources, Organisationsentwicklung sowie IT & Digitalisierung den nun preisgekrönten Change-Prozess zusammen mit den Vorständen Dennis Voss und Ditmar Baaß maßgeblich geprägt hat. "Es gab", sagt Balicki, "keine strategische Ausrichtung, keine strategische Personalentwicklung, keine Personalabteilung, keine kooperative Führung und insgesamt kein angenehmes Miteinander." Entsprechend schlecht sei der Ruf der Genossenschaft gewesen, wenn es darum ging, neue Mitarbeitende zu finden.

Nur sechs Jahre später stellt sich die Situation gänzlich anders dar. Innerhalb kurzer Zeit hat die Kaifu die Zahl der Belegschaft auf über 70 erhöht und damit nahezu verdoppelt. Das Durchschnittsalter ist deutlich gesunken und das Wohnungsunternehmen trägt den Titel "Top Company 2024", wurde zudem 2023 als "Great Place to Work" ausgezeichnet. Auch die Mitarbeiterbewertungen auf der Plattform Kununu fallen seit Beginn des Change-Prozesses sehr gut aus – aktuell wird das Unternehmen mit 4,1 von 5 Sternen bewertet. Eine Person schreibt dort, ihr gefalle die Haltung, "etwas verändern und zu den Besten der Branche gehören zu wollen". Eine andere gibt zu Protokoll: "Ich finde mich mit einem Lächeln auf dem Weg zur Arbeit!"

"Wegweiser für Kopf und Herz"

"Unsere Genossenschaft", zieht Sandra Balicki Bilanz, "hat sich ganzheitlich gewandelt und trotz einer sehr herausfordernden Ausgangslage zu einem zukunftsfähigen Unternehmen entwickelt."

Doch wie ist das gelungen? Ein zentraler Bestandteil des Change-Prozesses war die Erarbeitung eines Leitbildes, des sogenannten Kompasses. Dieser formuliert sieben Werte, welche die Leitlinien der Unternehmenskultur bilden: Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt, Gemeinschaft, Offenheit, Zuverlässigkeit und Verantwortung. Damit dient er als "Wegweiser für Kopf und Herz, mit dem wir ein harmonisches, zufriedenes, erfolgreiches Miteinander gestalten wollen", wie Dennis Voss und Ditmar Baaß, die Vorstände der Kaifu, in ihrem Kompass-Vorwort schreiben.

Vorstellung der Kompass-Werte - Kaifu

Der Kompass wurde jedoch nicht von oben dekretiert, sondern von der Basis erarbeitet. "Wir haben immer explizit auf Beteiligung gesetzt", betont Balicki. Zu Beginn des Prozesses ließ die aus den beiden Vorständen und der Prokuristin bestehende Lenkungsgruppe deshalb die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einem externen Beratungsunternehmen befragen. Als nächster Schritt folgte eine Reihe von drei aufeinander aufbauenden Workshops. "Dabei ging es darum, herauszufinden, was gut lief und was weniger gut, wobei wir auf eine große Offenheit und eine positive Aufbruchstimmung stießen", berichtet Balicki. "Die Mitarbeitenden sollten also von Anfang an den Wandel aktiv begleiten sowie konkrete Vorschläge für das zukünftige Miteinander einbringen und umsetzen."

Doch bekanntlich ist die Theorie das eine und die Praxis das andere. Die praktische Umsetzung des auf diese Weise entwickelten Kompasses im Tagesgeschäft erwies sich als "Kraftakt", wie Balicki sagt. "Wir hatten innerhalb kurzer Zeit extrem viel zu analysieren und extrem viel zu ändern. So mussten wir eine ganze Reihe von neuen Abteilungen – Personal, Prozessmanagement, IT, Projektentwicklung, Marketing und Sozialmanagement – aufbauen und die Personalkapazitäten im Kerngeschäft erhöhen."

Wie nimmt man die Mitarbeitenden mit?

Die Reaktionen der dienstälteren Angestellten fielen unterschiedlich aus. "Manche Mitarbeitenden gaben uns zu verstehen, dass ihnen der Prozess zu lange dauere und sie es nicht schaffen würden, diesen langen, steinigen Weg mitzugehen", sagt Balicki. Andere wiederum hätten klargemacht, dass sie an diesem Prozess des Wandels nicht teilnehmen wollten. "Wir mussten uns leider auch von Mitarbeitenden trennen, die aktiv gegen den Prozess arbeiteten."

Dass diese Übergangszeit nicht einfach war, verschweigen die Verantwortlichen nicht. "Durch eine so harte Phase kommt man nur, wenn man ein klares Zielbild hat, Transparenz schafft und versucht, alle auf dem Weg mitzunehmen", erklärt Sandra Balicki. Geholfen habe außerdem, dass der Vorstand immer am Zielbild festgehalten habe und das Führungsteam sich gegenseitig unterstützt habe – "sonst hätten wir das nicht geschafft".

Entscheidend: Neue Büroräume für New-Work-Konzept

Ein weiterer wesentlicher Baustein der Transformation war der Umzug in neue Büroräumlichkeiten. Die alten waren in die Jahre gekommen, technisch nicht auf dem neuesten Stand und unzureichend mit Besprechungsräumen ausgestattet. Ganz anders präsentiert sich die neue Geschäftsstelle am Rande des Bezirks Eimsbüttel in Hamburg, die Ende 2020 bezogen wurde. Mit vielfältigen Raumkonzepten, bunten Farben, großen Glaswänden, unterschiedlichen Sitzmöbeln und einer schicken Mitarbeitenden-Lounge erfüllt sie alle Anforderungen an zeitgemäße New-Work-Konzepte und verkörpert gleichzeitig Transparenz und Gemeinschaft, zwei zentrale Werte der Kaifu. Auch die neue Bürolandschaft wurde nicht am grünen Tisch entwickelt, sondern in Workshops unter Beteiligung einer Innenarchitektin.

Verglaste Büros_Kaifu

In einer anderen Beziehung hat die Genossenschaft ebenfalls aufgerüstet. "IT-technisch sind wir jetzt auf dem neuesten Stand", sagt Sandra Balicki. "Die Arbeitsplätze sind technisch modern ausgestattet, und wir sind heute ganz anders miteinander vernetzt. Das ist wichtig, weil IT-Infrastruktur und -Sicherheit die Basis eines solchen Prozesses sind und viele Neuerungen und Veränderungen überhaupt erst ermöglichen."

Der Kulturwandel bleibt im stetigen Prozess

Der Change-Prozess schafft nach Überzeugung der Verantwortlichen der Kaifu eine gute Grundlage, um künftige Herausforderungen zu bewältigen. "Als Genossenschaft haben wir zwar keine ausschließliche Renditeorientierung", stellt Sandra Balicki fest. "Aber wir sind trotzdem ein Wirtschaftsunternehmen, das vor riesengroßen Herausforderungen steht. Dafür brauchen wir Fachkräfte, die eine soziale Komponente mitbringen, gern sinnstiftend arbeiten und vom genossenschaftlichen Prinzip überzeugt sind." Diese Fachkräfte findet die Genossenschaft tatsächlich – in nur drei Jahren gelang es ihr, 35 neue Kolleginnen und Kollegen einzustellen. Dazu beigetragen haben Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitgebermarke wie beispielsweise die neugestaltete Website sowie eine verstärkte Präsenz auf dem Businessnetzwerk LinkedIn.

DWZK_Kaifu_Aareon_award-Winners_2024

Wirklich abgeschlossen ist der Prozess des Kulturwandels nicht und wird es wohl auch nie sein. Derzeit führt die Genossenschaft wieder eine Workshopreihe durch, die der Frage nachgeht, was bisher erreicht wurde, was gut gelingt und was es braucht, um noch besser zu werden. Etabliert hat sich darüber hinaus die Informationsreihe "Kaifu Inside", die sicherstellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei wichtigen Themen, wie etwa der Verfolgung des Klimapfads oder der Umsetzung von Modernisierungsmaßnahmen, auf dem gleichen Informationsstand sind.

Auf jeden Fall erreicht ist eine Flexibilisierung der Arbeit: "Die Teilzeitmodelle sind individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden zugeschnitten, und wir ermöglichen auch mobiles Arbeiten", sagt Sandra Balicki. Wegen verordneter Vollzeit müssen also keine Tränen mehr fließen.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 08/2024 der DW Die Wohnungswirtschaft.


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