Immobilienbranche: Ist das Personal fit für die Zukunft?
Die Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sehen in den Megatrends Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung die gegenwärtig größten Herausforderungen für die Branche. Das wird in der aktuellen EBZ-Personalentwicklungsstudie deutlich.
Diesen Herausforderungen ist die Immobilienbranche auch bereit, sich stellen. Gleichzeitig werfen die Umfrageergebnisse die Frage auf, wie sich die Branche dafür fit machen kann. Denn während sich aus den technischen Erfordernissen der drei genannten Megatrends ein wachsender Bedarf an Mitarbeitern mit entsprechendem Know-how ergibt, ist ein überwältigender Teil der Unternehmen überzeugt, dass die Rekrutierung von technischen Führungs- (84 Prozent) und technischen Fachkräften (88 Prozent) immer schwieriger wird.
Megatrends der Immobilienbranche als Impulsgeber
Die Personalentwicklungsstudie, die das Forschungsinstitut InWIS im Auftrag des EBZ seit 2005 alle zwei Jahre erstellt, erfasst Trends und Tendenzen in der beruflichen Bildung und Personalentwicklung in der Immobilienbranche. An der Befragung nahmen im September und Oktober dieses Jahres 318 Unternehmen der Branche teil.
Neben einschlägigen Themen – Bedeutung bestimmter Qualifikationen und Abschlüsse, Anforderungen an Aus-, Fort- und Weiterbildung oder Bedarfe für Bildung und Ausbildung – werden auch Zukunftsthemen aufgegriffen. Die Erkenntnisse darüber, welche Trends als Impulsgeber angesehen werden, liefern wichtige Hinweise darauf, welche Anforderungen sich für Bildung, Weiterbildung und Personalentwicklung ergeben werden. Aktuell gehört auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Immobilienwirtschaft dazu.
Welche Megatrends sind für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft bis 2030 von prägender Relevanz? Hier ergibt sich eine klare Schwerpunktsetzung: Digitalisierung (86 Prozent) sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit (84 Prozent) finden sich ganz oben auf der Liste. Auch Demografie (74 Prozent) und E-Mobilität (62 Prozent) stehen hoch im Kurs, während Diversität (20 Prozent) als weniger einflussreich eingeschätzt wird. So weit, so erwartbar.
Nicht unbedingt erwartbar sind die Antworten auf die Frage, welche Themen für das eigene Unternehmen in den kommenden drei Jahren besonders wichtig werden. Auch hier wird mit weitem Abstand zuerst Digitalisierung und Technik (61,9 Prozent) genannt, allerdings schätzen die Unternehmen die Auswirkungen einiger Megatrends für sich selbst nicht gerade als hoch ein: 57,5 Prozent sehen beim Thema Klima und Nachhaltigkeit keinen Handlungsdruck – knapp 60 Prozent nicht beim Thema Personalrecruiting und -bindung.
Als "Stolpersteine" bei der Bewältigung dieser Herausforderungen werden am häufigsten politische Vorgaben (65,1 Prozent) genannt – auf Platz zwei landet der Fachkräftemangel (55 Prozent).
Vor dem Hintergrund der ehrgeizigen politischen Klima- und Nachhaltigkeitsziele liegt es auf der Hand, dass die Branche mit einer Fülle von Anforderungen und Investitionen rechnet. Damit die Umsetzung gelingt, sind aus Unternehmenssicht Beratungsangebote (66 Prozent) – zum Beispiel zu den Möglichkeiten der Fördermittelakquise – wichtig. Die Schaffung von Netzwerken zum Erfahrungsaustausch (51 Prozent) und spezielle Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten (50 Prozent) sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Relevant sind auch die Unterstützung bei der Akquise von Fach- und Führungskräften (15 Prozent) oder der Zugang zu Forschungsergebnissen (37 Prozent).
Von E-Bilanz bis Social Networking: Technische Problemstellungen rücken in den Fokus
Aus Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung und Dezentralisierung der Energieversorgung resultieren vornehmlich technische Problemstellungen. Solche Anforderungen ergeben sich auch aus der Digitalisierung. Sie betreffen den beruflichen Alltag genauso wie Geschäftsprozesse. E-Bilanz, E-Zahlungssysteme, E-Personalwesen, Cloud Computing, Big Data, Künstliche Intelligenz (KI) und soziale Netze sind in der Immobilienbranche längst keine Zukunftsthemen mehr.
Die Digitalisierung hat in der Zeit des Corona-bedingten Lockdowns einen Schub erlebt. Offensichtlich sind hierbei überwiegend gute Erfahrungen gemacht worden: Zwei Drittel der Befragten sind überzeugt, dass sich innerhalb der nächsten Jahre eine Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten in der Immobilienbranche durchsetzen wird. Mehr als die Hälfte glaubt, dass die Automatisierung von Prozessen zunehmen wird, und knapp 40 Prozent rechnen mit einem hohen Anstieg von Homeoffice-Zeiten. Rund 60 Prozent der Befragten vertreten überdies die Ansicht, dass Betriebskostenabrechnungen künftig automatisiert und von IT und KI übernommen werden, bei der Vermietung und der Kundenkommunikation sind dies jeweils ein Drittel. Knapp die Hälfte der Unternehmen gab an, in nächster Zeit IT und KI etablieren zu wollen – in den genannten Bereichen.
Wie eingangs erwähnt, scheinen die zukunftsorientierten, technikbejahenden Absichten ihre Grenzen im Bereich der Personalentwicklung zu finden. Hiermit korrespondiert die Einschätzung, dass sich der Bedarf an Weiterbildungen erhöhen wird, wobei spezielle Skills – wie partizipative Fähigkeiten und emotionale Kompetenzen – immer wichtiger werden. Hier "grüßen" die digitalen Erfahrungen aus der Pandemie, wie Führung auf Distanz sowie Zoom und MS Teams als Ersatz für den Arbeitsplatz im Unternehmen.
Auch das Themenfeld Qualifikation und Qualifikationsanforderungen ist betroffen. Die am meisten vermissten Skills bei Mitarbeitern sind den den befragten Unternehmen zufolge die IT- beziehungsweise Technologiekompetenzen - neben der Veränderungsbereitschaft. Bei Fachkräften kommen zusätzlich felendes unternehmerisches Denken und eigenverantwortliches Handeln hinzu, bei Führungskräften soziale Kompetenzen. Auch Fachkompetenz wird bei Bewerbern häufig vermisst.
Fazit: Ansprüche an berufliche Bildung und Personalentwicklung steigen
Die aktuelle EBZ-Personalentwicklungsstudie zeigt deutlich, dass die von den Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als relevant eingeschätzten Megatrends einen erheblichen Handlungsdruck auf die Branche ausüben. Die weitreichenden Folgen dieser Entwicklungen schlagen bis auf die Ebene der beruflichen Bildung und Personalentwicklung durch. Der Fachkräftemangel als langfristiger Engpass scheint sich zu vertiefen und erhält mit der Komponente technischer Qualifikationen eine weitere Facette. Deshalb wachsen die Ansprüche an die berufliche Bildung und Personalentwicklung, die entsprechende Angebote in den Bereichen Digitalisierung, Technik sowie Klima und Nachhaltigkeit vorhalten sollte.
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Interview: "Personalentwicklung muss Chefsache werden"
Klaus Leuchtmann, der Vorstandsvorsitzende des EBZ erklärt, welche Ergebnisse der Personalentwicklungsstudie besonders relevant sind – und er betont, dass es einen Masterplan brauche, damit der Fachkräftemangel nicht zum Investitionshemmnis wird. Das Interview führte DW-Redakteur Olaf Berger.
Herr Leuchtmann, Fachkräftemangel ist set langem ein Thema. Was ist neu an den Resultaten der aktuellen EBZ-Personalentwicklungsstudie?
Leuchtmann: Die Trends der vergangenen Jahre setzten sich ungebrochen fort. Die Unternehmen suchen händeringend nach Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Im Bereich Technik schätzen 84 Prozent die Chance, technische Mitarbeiter zu finden, als schwierig ein. Bei technischen Führungskräften ist die Situation inzwischen dramatisch. Aber auch im kaufmännischen Bereich spitzt sich die Lage weiter zu. Dabei stehen wir erst am Anfang. Die Situation wird sich noch einmal spürbar verschlechtern, wenn die Boomer sich dem Ruhestand nähern. 55 Prozent der Unternehmen nennen heute schon den Fachkräftemangel als Investitionshemmnis. Der Handlungsdruck ist erneut gestiegen.
Wie reagieren die Unternehmen? Sind die Botschaften angekommen?
Das Problembewusstsein ist gestiegen, das können wir sicherlich feststellen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Lösungsinstrumente schon stimmen. 53 Prozent erwarten eine Entlastung durch die Digitalisierung. Dann könnte das vorhandene Personal für höherwertige oder zusätzliche Ausgaben qualifiziert werden. Dazu sind die Budgets aber zu niedrig. 43 Prozent der Unternehmen haben ein Weiterbildungsbudget von weniger 500 Euro pro Jahr und Mitarbeiter. Aber auch der Durchschnittswert von knapp 850 Euro bei Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften ist sehr knapp bemessen. Makler geben fast das Doppelte aus. So ist zu wenig zu bewegen in einer Welt, in der sich Wissen und Kompetenzen sehr dynamisch entwickeln. Eine Reaktion ist eher der Wunsch nach zusätzlichem Personal: 71 Prozent glauben, dass die wachsenden Erwartungen der Kunden mehr Personal erfordern.
Was ist denn nun zu tun? Was sind die richtigen Instrumente?
Zunächst sollten wir uns klar machen, wie unglaublich hoch der Zeitdruck ist. Die Klimaschutzziele sind zeitlich sehr ambitioniert, die Uhr tickt schneller als die dazu notwendige Personalrekrutierung und -entwicklung. Hinzu kommt die der Wohnungswirtschaft eigentlich gut bekannte demografische Entwicklung. Zu viele Menschen werden im nächsten Jahrzehnt in den Ruhestand gehen. Wir brauchen ein unternehmensübergreifendes Employer-Branding-Konzept der Branche, ein Unternehmen kann das allein für sich kaum stemmen. Die Azubikampagne ist wichtig, aber nicht mehr ausreichend. Wir müssen im technischen Bereich ein eigenes Aus- und Weiterbildungssystem aufbauen beziehungsweise weiterentwickeln. Wir brauchen Aufbruchsstimmung, Personalentwicklung muss Chefsache werden.
Viele werden jetzt denken: "Das EBZ will nur seine Angebote an den Markt bringen".
Das EBZ ist eine gemeinnützige Stiftung. Umsatzwachstum oder Rendite sind nicht unser Stiftungszweck. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Branche in einer schwierigen Situation mit Know-how und guten Bildungsangeboten zu unterstützen. Dazu gehört es auch, die Rolle des Mahners zu übernehmen. Gerade im Klimaschutz ist so unglaublich viel Geld im Umlauf – nicht jedoch für die dazugehörige Personalentwicklung, ein fatales Mismatch. Die Klimaschutzziele werden jedoch in Gefahr geraten, wenn die Mittel für Ausbildung und Personalentwicklung zu knapp bemessen sind. Wir müssen im Zweifel mit weniger Menschen deutlich mehr erreichen. Es braucht einen Masterplan.
Zum Download der EBZ-Personalentwicklungsstudie
Dieser Artikel ist im Fachmagazin DW Die Wohnungswirtschaft, Ausgabe 12/2021, erschienen.
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