GdW: Förderung der Seriellen Sanierung

Serielle und modulare Bauweisen sind längst Thema – serielle Sanierungen jedoch noch weitgehend unbekannt. GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser und Eco2nomy-Geschäftsführer Dr. Martin Handschuh sprechen darüber, wie diese Alternative gefördert werden kann.

GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser und Eco2nomy-Geschäftsführer Dr. Martin Handschuh arbeiten im Projekt "S3 – Standortbestimmung Serielle Sanierung" zusammen und erläutern Vorteile, Herausforderungen und Gelingensfaktoren der seriellen Sanierung.

Die serielle Sanierung ist noch ein relativ neues Phänomen. Warum ist das so? Und welche Vorteile bietet sie gegenüber einer konventionellen Sanierung?

Ingeborg Esser: Angesichts absehbarer Modernisierungs- und Klimaschutzbedarfe hat sich die Wohnungswirtschaft, nach einer Initiative der Dena, dem Volumendeal schon 2019 mit ersten Pilotprojekten aktiv an der Erprobung serieller Sanierungsvorhaben im Geschosswohnungsbau beteiligt. Nach Anfangsschwierigkeiten entstanden Projekte, aus denen Anbieter und Wohnungsunternehmen viel gelernt haben und noch lernen. Erst die Umsetzung in der wohnungswirtschaftlichen Praxis offenbart Potenziale und Herausforderungen.

Entscheidend ist: Die serielle Sanierung verspricht strukturelle Kostenvorteile unter anderem durch Modularisierung, Komplexitätsreduktion, Vorfertigung und industrielle Ansätze, die auf eine hohe Präzision und Qualität der Ausführung hindeuten. Das minimiert den Arbeitsaufwand am Ort der Baustelle. Wohnungsunternehmen werden unabhängiger von den Kapazitäten bei Handwerkern.

Über das Projekt "S3 – Standortbestimmung Serielle Sanierung"

Seit September 2023 arbeiten neun Wohnungsunternehmen aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg daran, sich ein gemeinsames Bild über die aktuelle Leistungsfähigkeit serieller Sanierung zu verschaffen.

In Zusammenarbeit mit dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V., dem Dekarbonisierungsdienstleister Eco2nomy GmbH und dem Energiesprong-Team der Deutschen Energieagentur (Dena) haben sie allesamt Quartiere identifiziert, die für eine serielle Sanierung geeignet sind.

Zur Schaffung von Markttransparenz konkretisieren sie gemeinsam mit relevanten Lösungsanbietern Sanierungsvarianten für ausgewählte Quartiere. In zwei Wellen stehen dabei neun Quartiere mit mehr als 450 Wohnungen und knapp 30.000 Quadratmeter beheizter Wohnfläche auf der Agenda.

Wohnungen seriell sanieren: Auch in bewohntem Zustand möglich 

Welche Gebäude eignen sich denn besonders gut für eine serielle Sanierung? Und kann sie im bewohnten Zustand durchgeführt werden?

Dr. Martin Handschuh: Gebäude mit einfacher Struktur und Kubatur mit umfassenden Modernisierungs- und Sanierungsbedarfen, die gut zugänglich sind und zwei bis acht Etagen aufweisen, eignen sich besonders. Natürlich darf kein Denkmal- oder Ensembleschutz vorliegen. Ab ein paar tausend Quadratmetern Wohnfläche im Gebäude oder Quartier können Größenvorteile wirkungsvoll ausgespielt werden.

Grundsätzlich kann auch im bewohnten Zustand seriell saniert werden. So ist die Außenwanddämmung inklusive Fenstereinbau seriell deutlich schneller und beeinträchtigt die Mieter weniger als eine konventionelle Sanierung. Auch die Errichtung neuer Stränge über die Außenfassade wird mit weniger Eingriffen in den Wohnungen verbunden sein als das ausschließliche Arbeiten im Gebäude. Kommen Maßnahmen wie Badsanierungen oder Maßnahmen an der Stromverteilung hinzu, ist die Durchführung im bewohnten Zustand – unabhängig von der Sanierungsmethode – schnell eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten.

Gibt es für die Wohnungswirtschaft Abschätzungen, wie hoch der Anteil geeigneter Gebäude ist? Von wie viel Wohnungen sprechen wir?

Esser: Wir gehen davon aus, dass die serielle Sanierung Stand heute für etwa 20 Prozent der Mehrfamilienhäuser in Deutschland von Relevanz ist. Bei 3,3 Millionen Mehrfamilienhäusern mit 22 Millionen Wohnungen in Deutschland sind das substanzielle Zahlen: 660.000 Gebäude und rund 4,4 Millionen Wohnungen.

Sind die einfach zu sanierenden Gebäude nicht zum großen Teil schon wegsaniert? Gibt es noch so viele "Worst Performing Buildings" oder gehen Sie davon aus, dass neben Vollsanierungen auch bereits teilsanierte Gebäude infrage kommen?

Esser: Aktuell liegt der Fokus der meisten Anbieter auf Vollsanierungen, bei denen Maßnahmen an zahlreichen Gewerken durchzuführen sind. Wir haben jedoch die klare Erwartung, dass im Rahmen dieser Entwicklungen auch weitere modulare Ansätze entwickelt werden, die es ermöglichen, auch bei fokussierten Einzelmaßnahmen schneller und leistungsfähiger zu werden. Damit wird sich der Einsatzbereich innovativer Lösungen und Ansätze weiter vergrößern.

Interview Ingeborg Esser und Dr. Martin Handschuh

Gibt es schon Erfahrungen, welche Lösungsvarianten sich für welchen Gebäudetyp oder welche Rahmenbedingungen gut eignen?

Esser: Serielle Sanierung entwickelt sich rasch. Die Vielfalt an Lösungen ist groß. Hinzu kommen unterschiedliche Kostenstrukturen und auch Preismodelle der Anbieter. Aus wohnungswirtschaftlicher Sicht empfiehlt es sich, für konkrete Projekte mit mehreren Anbietern zu sprechen, sich verschiedene Angebote unterbreiten zu lassen und genau zu vergleichen.

Handschuh: Das Gute ist: Anbieter, wie auch Wohnungsunternehmen, durchlaufen aktuell eine steile Lernkurve. Was sich bewährt, wird fortgeführt. Treten Probleme auf, werden Lösungen gesucht und in der Regel auch gefunden. Hinzu kommen Skaleneffekte. Mehr Volumen führt zu geringeren Kosten. 

Sind die Konditionen der angebotenen Lösungen überhaupt attraktiv? Und lohnt sich das serielle Sanieren schon? Beziehungsweise: Wann lohnt es sich und wann nicht?

Handschuh: Eine besonders gute Wettbewerbsfähigkeit hat die serielle Sanierung bei großen Quartieren mit großen Gebäudekörpern einfacher Kubatur. Bei kleineren Gebäuden mit zwei Geschossen kann sie ihre Vorteile nur in Ansätzen ausspielen.

Wie die optimale Strategie für Wohnungsunternehmen aussieht

Worauf müssen Wohnungsunternehmen bei der Auswahl achten? Welche Empfehlungen würden Sie den Unternehmen mit auf den Weg geben?

Esser: Wohnungsunternehmen haben Marktrelevanz und -macht. Die Zeiten eines Anbietermarkts mit Überauslastung in nahezu allen Segmenten der Bauwirtschaft sind vorüber. 

Wohnungsunternehmen sollten für sich klar definieren, wie eine optimale Sanierungsstrategie aus ihrer Perspektive aussieht: Dekarbonisierung, Wohnungs- und Gebäudeaufwertung, Nachverdichtung et cetera. Erst dann sollten sie Kontakt mit verschiedenen Anbietern aufnehmen und mehrere Angebote und Sanierungsvarianten sorgsam und strukturiert vergleichen. Eine Entscheidung sollte erst gefällt werden, wenn Klarheit über die geplanten Maßnahmen und die Kosten besteht.

Sträuben sich Anbieter, ein solches Vorgehen im Wettbewerb mit anderen Anbietern mitzugehen und pochen frühzeitig auf Exklusivität, sollten sich Wohnungsunternehmen nicht unter Druck setzen lassen. Auch kann es sinnvoll sein, sich mit anderen Wohnungsunternehmen zu vernetzen und deren Erfahrungen mit einzelnen Anbietern einzuholen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das serielle Sanieren noch relativ neu ist und bei den Anbietern auch deutliche Lernkurven erkennbar sind.

Und was müssen Anbieter und Hersteller tun, um für die Wohnungswirtschaft passende Produkte und Lösungen anbieten zu können?

Esser: Wir sind auf gutem Wege, aber noch nicht am Ziel. Das volle Potenzial kann die serielle Sanierung entfachen, wenn sie wirklich wie ein modulares Produktgeschäft funktioniert: mit klar definierten Leistungen, wohldefinierter Leistungserbringung, Preistransparenz, ...

Das stellt Anforderungen an die Anbieter hinsichtlich Vertrieb und Wertschöpfung. Wir haben bei zahlreichen Anbietern sehen müssen, dass sie noch immer stark im konventionellen Lösungsgeschäft gefangen sind. Das wird sich ändern müssen.

Das ist ein Auszug aus dem Interview von Olaf Berger aus der Ausgabe 05/2024 des Fachmagazins "DW Die Wohnungswirtschaft".

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Schlagworte zum Thema:  Gebäude, Sanierung, Klimaschutz, Energieeffizienz