Wer in Vorträgen oder Besprechungen immer wieder die gleichen Schlagwörter, die Buzzwords hört, fühlt sich an das populäre Glücksspiel erinnert. Als Persiflage stellen genervte Zuhörer Tafeln mit den Buzzwords auf und streichen weg, was genannt wird. Bingo!
Die Bingo-Anfälligkeit ist hoch
Das Thema Digitalisierung ist in unseren Tagen besonders bingo-anfällig, so viele digitale Begriffe fliegen durch den Raum: Artificial Intelligence, Machine Learning, Internet of Things, Augmented Reality, Virtual Reality, Plattformökonomie, Blockchain, Agile, Data Lake, Big Data, Smart Data, Smart Metering, Chatbots, Digital Twin, Open Source, Micro Services, Containers, Continuous Delivery, Bring your own device, Virtualisierung, Enterprise Content Management, Quantum Computing, 5G, 64 bit – und das ist längst nicht alles. Ist das Bullshit? – Ja. Und nein.
Die digitale Transformation nimmt mehr und mehr Fahrt auf. Wer mit seinen Leistungen, Prozessen, Organisationen und Mitarbeitern auch künftig erfolgreich sein will, muss vielfältige Veränderungen auf den Weg bringen. Wir werden überrollt von immer neuen Technologien und Anwendungen.
Private Cloud, public Cloud oder doch "gehostete Lösung"?
Aber wer hat genau verstanden, wozu man einen "Data Lake" nutzt, was der Unterschied ist zwischen Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, warum Software jetzt agil entwickelt wird oder wie sich private Cloud, public Cloud und eine sogenannte "gehostete Lösung" unterscheiden? Welche Potenziale stecken in der Block Chain-Technologie, was kann sie nicht? Und … muss ich das überhaupt wissen? – Ja. Und nein.
Technologie ist die Basis der Digitalisierung. Den Anwendern wird der Zugang und die Nutzung durch intuitive Bedienung und ergonomische Benutzeroberflächen so leicht wie möglich gemacht, so dass bei ihnen kein technisches Verständnis erforderlich ist (ich möchte nicht verschweigen: Bei den Oberflächen spricht man auch von "User Interface" oder gleich "UI") …
Know-how für Technologien unabdingbar
Müssen Sie die Auswahl und Investitionen in Software und Hardware einschätzen, ist ein gewisses Know-how und Verständnis für die Technologien und ihre Anwendung unabdingbar. Mit der Auswahl einer Software, der Ausstattung mit bestimmter Hardware, dem Abschluss von Hosting- und Lizenzvereinbarungen binden sich die Nutzer wirtschaftlich und beeinflussen ihre Prozesse, Leistungen und Folgekosten unter Umständen für Jahre.
Damit sind auch weitreichende Konsequenzen für die Arbeitsweise der Mitarbeiter, Abläufe im Unternehmen sowie Art, Umfang und Ausgestaltung von Leistungen zum Kunden, zu Partnern wie Lieferanten, Dienstleistern und zur öffentlichen Verwaltung betroffen. Oft gibt es Unsicherheiten über die Zukunft technischer Entwicklungen, Nutzerverhalten und Marktakzeptanz. Die Abhängigkeiten verschiedener Einflüsse untereinander mit zum Teil widersprüchlichen Effekten auf die Komplexität sind enorm.
Wenn aus Buzzwords Bullshit wird
Für kleine und mittlere Unternehmen, die sich keine eigenen Experten im Unternehmen leisten können, ist dann guter Rat teuer – besonders wenn sie Fehlentscheidungen getroffen haben. Besonders schwierig wird es, weil viele Anbieter von Software und Services das Buzzword Bingo noch mit eigenen Begriffskreationen erweitern. Dann ist die Verwirrung komplett, und aus den Buzzwords wird endgültig Bullshit, weil auch Fachkundige nicht verstehen können, was sich hinter diesen Kreationen eigentlich verbirgt.
Was hilft? Wer an dieser Stelle klare Handlungsanweisungen erwartet oder zumindest ein paar Tipps, wie man Vorgehen sollte, den muss ich enttäuschen. Berater können Auswahlprozesse strukturieren, professionalisieren und begleiten, vorausgesetzt sie sind unabhängig. Verbände halten sich zurück, weil die Entscheidungen von vielen spezifischen, unternehmensindividuellen Faktoren abhängen.
Case Studies und Praxisbeispiele können helfen, zu lernen und Insights zu gewinnen. Ohne ein gewisses technisches Verständnis geht es dabei aber nicht. Das müssen die Entscheider selbst aufbauen oder rekrutieren. Maßstab für die Bewertung der technischen Möglichkeiten ist der Nutzen für interne Prozesse und Leistungen zum Kunden.
Wichtig: Weit springen ...
Aber Vorsicht: Wer hier zu kurz springt, verbaut sich langfristige Potenziale. Digitalisierung heißt ja nicht, dass Belege eingescannt, am Bildschirm bearbeitet und in einem digitalen Archiv abgelegt werden.
Digitalisierung macht aus Belegen Datensätze, die, einmal erzeugt – ob nun durch eine Bestellung, einen Auftrag, eine Kundenanfrage, einen Zahlungsvorgang oder Messwerte eines Gaszählers – über Datenverbindungen übermittelt und so weit wie möglich automatisiert verarbeitet werden. Welche Daten dabei übermittelt werden und welche Datenverarbeitungen automatisch möglich sind, wird sich in den nächsten Jahren mit Hilfe der Verfügbarkeit und Anwendbarkeit neuer Technologien rasant weiterentwickeln.
Wer heute in seiner Technologie und Infrastruktur die Weichen richtig stellt, wird von den technischen Entwicklungen auch in Zukunft profitieren. Ist das Grundverständnis hier einmal da, werden Sie auch erkennen: Nicht jede vermeintlich "smarte" Lösung aus der "Cloud" hält, was die Buzzwords suggerieren – aber das ist ja schon wieder fast eine Plattitude …