Projektmanagement: Wohnungsunternehmen müssen agiler werden
Das Thema Projektmanagement ist nicht neu. Ingenieure und Softwareentwickler setzen schon seit vielen Jahren Methoden aus dem Projektmanagement erfolgreich ein. Projektarbeit erhält seit einigen Jahren auch immer stärkeren Einzug in andere Branchen und hat sich zu einer ganzheitlichen Managementdisziplin weiterentwickelt. Aktuelle Studien zeigen, dass der Anteil der Projekttätigkeit in Deutschland über alle Wirtschaftsbereiche hinweg in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.
Innovation, Geschwindigkeit und Umsetzungsstärke
In der heutigen VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity und ambiguity) ist flexible Anpassung und Reaktionsschnelligkeit von Unternehmen gefordert. Die gegenwärtigen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen haben starken Einfluss auf Prozesse, Produkte, Kundeneingangskanäle und Geschäftsmodelle der Wohnungswirtschaft. Um dauerhaft erfolgreich zu bleiben, müssen sich Wohnungsunternehmen mit dynamischen und komplexen Herausforderungen (Digitalisierung, demografischer Wandel et cetera) auseinandersetzen.
Die Arbeit in Projekten ermöglicht es, besonders schnell auf Veränderungen zu reagieren. Klassische Hierarchien werden im Projekt aufgebrochen. Ihre Organisation mit interdisziplinären Teams erhöht die Flexibilität. Projektteams bieten zudem die Chance, über das Silodenken in Abteilungen hinaus innovative Lösungen für die gestiegenen Anforderungen und Erwartungen der Kunden zu entwickeln. Insbesondere agile Projektmanagementmethoden können zielführend für die Beantwortung von komplexen Fragestellungen genutzt werden.
Projektstrukturen als Ergänzung klassischer Linienorganisation
Ein Erfolgsfaktor für die Einführung von (agilen) Projektmanagementmethoden in Wohnungsunternehmen ist die passende Organisationsstruktur. Die Arbeit in den klassischen Abteilungen wird durch die Arbeit in teamübergreifenden Projekten ergänzt. In diesem Zusammenhang wird oft von einer temporären Organisationseinheit gesprochen.
In Unternehmen, in denen die Projektarbeit bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hat, stehen Mitarbeiter vor der Herausforderung, das Tagesgeschäft parallel zum Projektgeschäft zu bewältigen – keine leichte Aufgabe. Während Abläufe und Vorgehensweisen des Tagesgeschäfts seit Jahren erprobt und geübt sind, stellen Projektaufträge die Beteiligten vor neue Anforderungen. Agile Vorgehensweisen wie das Arbeiten in Sprints und die Retrospektive verlangen ein Umdenken und ein neues (agiles) Mindset.
Warum Projekte scheitern
In vielen Fällen scheitern Projekte nicht aufgrund eines Wissens- oder Erkenntnisproblems, sondern vielmehr an einem Umsetzungsproblem. Die Ursachen sind hierbei vielschichtig. Klassische Gründe für das Scheitern sind:
• keine Verbindlichkeiten,
• kein iteratives Vorgehen,
• keine klaren Verantwortlichkeiten,
• vermeintlich keine Ressourcen (nicht genügend Zeit/Geld) und
• keine einheitlichen Projektvorgaben.
Da die Projektarbeit häufig abteilungsübergreifend organisiert ist, sind die Verantwortlichkeiten nicht immer eindeutig geregelt. Die Projektarbeit findet "unter dem Radar" statt. Es fehlt der Überblick über laufende Projekte und ihre Ergebnisse. Zur Stärkung der Projektarbeit empfiehlt es sich daher, ein zentrales Projektbüro einzurichten, das alle Projekte bündelt und die zentrale Steuerung übernimmt.
Aufbau eines Projektbüros
Die Einrichtung eines solchen Büros gibt der Projektarbeit in Wohnungsunternehmen einen neuen Stellenwert. Mit dieser Instanz, die häufig als Stabsstelle organisiert ist, wird die Möglichkeit geschaffen, unabhängig von Abteilungen die Projektarbeit zentral zu steuern. Der Aufgabenbereich, der hier gebündelt wird, kann dabei beliebig ausgestaltet werden. Typische Aufgaben sind:
• Schaffung von Transparenz: Dokumentation und Controlling der laufenden Projekte,
• Steuerung der Meta-Struktur und Gesamtkoordination des Projektgeschäfts,
• Verwaltung des Berichtswesens und gegebenenfalls des Projektmanagementtools,
• Etablierung eines Projektmanagementstandards,
• Weiterentwicklung der Qualität von Projekten anhand der Sammlung von Erfahrungen und Best-Practice-Beispielen,
• Entwicklung von einheitlichen Vorlagen und Templates, die die Arbeit unterstützen,
• Aufbau einer Projektmanagementkompetenz.
Neue Kompetenzanforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte
Nicht zuletzt haben die Projektbeteiligten einen maßgeblichen Einfluss auf den erfolgreichen Projektabschluss. Jeder Beteiligte hat eine bestimmte Rolle und Verantwortung für das Gesamte. Insbesondere Führungskräfte müssen darauf vorbereitet und dafür sensibilisiert werden, an definierten Stellen "Macht" abzugeben. Innerhalb eines Projekts trifft der Projektleiter die Entscheidungen, wie ein Projektauftrag realisiert wird – und diese Rolle muss nicht zwangsläufig eine Führungskraft einnehmen. Vertrauen in die Mitarbeiter und "loslassen können" von alten Strukturen und Machtmustern sind zwei wesentliche Erfolgsfaktoren für die Etablierung von Projektarbeit.
Eine gute Fachkraft ist nicht gleichzeitig ein guter Projektleiter oder ein gutes Projektmitglied. Hierzu gehört mehr als die fachliche Expertise. Neben der klassischen und agilen Methodenkompetenz sind Selbstverantwortung, Teamfähigkeit, Selbstorganisation und Umsetzungsstärke gefragt.
Praxisorientierte Workshops, die über die Vermittlung von Methodenwissen hinausgehen, helfen Unternehmen bei den ersten Schritten in Richtung projektorientierter agiler Organisation. Im Fokus stehen Themen wie Changemanagement, Führung und Zusammenarbeit sowie die Entwicklung eines agilen Mindsets. Besonders gut geeignet sind interaktive Teamübungen, in denen die Teilnehmer die agilen Werte und Prinzipien sowie die unterschiedlichen Rollen im agilen Projektmanagement selbst erleben. Die Teilnehmer lernen durch spielerisches Ausprobieren die Vorteile und Chancen des iterativen Vorgehens sowie der Teamarbeit kennen und stehen dem auch im gewohnten Arbeitsalltag offener gegenüber.
Arbeitgeberattraktivität: Fach- und Führungskräfte gewinnen und binden
Flexible Arbeitsformen und selbstorganisiertes Arbeiten in Teams werden insbesondere von der Generation Y immer häufiger als Erwartung an den Arbeitgeber formuliert. Tradierte Linienstrukturen und starre Hierarchien entsprechen nicht mehr den Anforderungen an ein attraktives Arbeitsumfeld. Auch intern müssen sich daher viele klassisch aufgestellte Unternehmen in der Arbeitswelt 4.0 neu ausrichten und attraktive Formen der Zusammenarbeit schaffen. Zudem steht ambitionierten Fachkräften mit der Entwicklung zum Projektleiter eine weitere Karriereperspektive in Aussicht, die mindestens gleichwertig mit einer Karriere in der Linienorganisation zu bewerten ist. So schaffen Arbeitgeber attraktive Entwicklungsmöglichkeiten abseits der klassischen Führungskarrieren in Unternehmen.
Die komplexen Rahmenbedingungen und Anforderungen in der VUCA-Welt erfordern Lösungen, die im Kollektiv und interdisziplinär entwickelt werden. Die fokussierte Arbeit in Projekten bricht mit den tradierten Mustern und Strukturen und kann ein Ansatz für die Förderung von mehr Agilität im Unternehmensalltag sein. Die Entwicklungen zu mehr Projektarbeit läuten einen Kulturwandel in Wohnungsunternehmen ein. Mitarbeiter begeben sich auf teils unbekanntes Terrain. Die Anforderungen wandeln sich – die Transformation beginnt. Insbesondere in dieser Veränderungszeit ist es unerlässlich, Mitarbeitern einen Orientierungsrahmen für die Projektarbeit zu geben und sie bei der Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Eine einheitliche Projektmanagementmethodik sowie transparente "Projektspielregeln" sorgen für Struktur, Sicherheit und Halt.
Das Kerngeschäft von Wohnungsunternehmen wird bleiben, dennoch erfordern gestiegene Kundenerwartungen und der technologische Fortschritt die Auseinandersetzung mit neuen Themen in Projekten. Durch den Aufbau eines Projektbüros und klarer Projektstrukturen steigt der Stellenwert von Projektarbeit und wird zum integrativen Bestandteil im Unternehmensalltag. Projekt- und Tagesgeschäft agieren auf Augenhöhe. Nicht zuletzt bieten die neuen Strukturen neben der klassischen Führungskarriere interessante Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter und erhöhen die Arbeitgeberattraktivität.
Der vollständige Artikel erschien im Magazin "DW Die Wohnungswirtschaft", Ausgabe 06/2019.
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