Wohnen als Produkt: Never change a running system?


Zukunft Immobilienwirtschaft: Never change a running system?

Küche, Bad, Schlafzimmer, Wohnzimmer, je nach Familiengröße noch ein oder mehrere Kinderzimmer: So wohnen die meisten Deutschen. Seit Jahrzehnten verändert sich das Produkt "Wohnen" kaum. Während jeder vor der Entscheidung steht, ob er ein Auto fahren soll oder nicht, fragt niemand, ob es adäquat wäre, eine Wohnung zu bewohnen.

Aus dieser Perspektive betrachtet könnte sich die Wohnungswirtschaft entspannt zurücklehnen. Während im Zeitalter der Digitalisierung andere Branchen mit disruptiven Veränderungen kämpfen, die ihr gesamtes Geschäftsfeld ins Wanken bringen, wo Produkte komplett vom Markt verdrängt werden und selbst namhafte Unternehmen auf der Strecke bleiben, ist eine solche Entwicklung für das Produkt "Wohnen" aktuell nicht zu erwarten. Also: Lassen wir alles so wie es ist – nach dem Motto "Never change a running system"?

Das wäre aus meiner Sicht der völlig falsche Ansatz. Denn zwar wird sich das Wohnen an sich so schnell nicht verändern. Das unterscheidet die Wohnungswirtschaft von anderen Branchen. Denken Sie etwa an die Automobilindustrie: Die muss sich derzeit mit existentiellen Fragestellungen beschäftigen. Damit, ob künftig jeder noch ein eigenes Auto besitzt oder ob es hauptsächlich Carsharing gibt. Mit welcher Technologie Autos angetrieben werden? Und wie die Entwicklung und die Nutzung von autonom fahrenden Autos voranschreiten wird?

Das Geschäftsmodell "Wohnen" wird sich ändern

Andere Branchen haben einen solchen Wandel schon vollzogen. Heute streamen wir Musik anstatt CDs zu kaufen und chatten anstatt zu telefonieren und kaufen online anstatt im lokalen Einzelhandel. Dass ein solch radikaler Umbruch für das Geschäftsmodell "Wohnen" nicht zu erwarten ist, sehe ich als Riesenvorteil für die Branche, und dies bringt sie in eine komfortable Position. Doch das heißt nicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Verändern werden sich im Zuge der Digitalisierung die Prozesse in den Wohnungsunternehmen – und aus diesem Grund müssen sich Wohnungsunternehmen unbedingt intensiv mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen.

Vor allem bei der Bewirtschaftung der Immobilie werden Aufgaben zunehmend digital und automatisiert ablaufen: die Vermietung, die Mietenbuchhaltung, die Abrechnung der Betriebskosten, das Beauftragen von Handwerkern. Dabei werden auch viele klassische Jobs in der Wohnungswirtschaft wegfallen. Untersuchungen haben ergeben, dass etwa in der Buchhaltung 90 bis 95 Prozent der Arbeiten im Zuge der Digitalisierung wegfallen werden. Auch in der Immobilienverwaltung werden viele Aufgaben automatisiert werden können.

Erfahrungen zeigen zudem, dass es auch in der Immobilienbranche Entwicklungen geben kann, mit denen niemand rechnet. Ein Beispiel ist der Hotelmarkt: Da ging man davon aus, dass es immer Reisende geben wird, die unterwegs eine Übernachtungsmöglichkeit benötigen – doch das war vor Airbnb. Die Wohnungswirtschaft tut also gut daran, sich bestmöglich aufzustellen, um auf Entwicklungen reagieren zu können - auch an solche, an die heute noch niemand denkt.

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Weil andere Bereiche der Gesellschaft digital funktionieren, erwarten die Mieter auch von ihrem Wohnungsunternehmen, dass sie etwa einen Wasserschaden per App rund um die Uhr melden können. Mitarbeiter wünschen sich mehr Flexibilität, was Arbeitszeit und -ort angeht – auch das geht nur mit entsprechenden IT-Systemen.

Veränderung gelingt nicht ohne Unterstützung der Mitarbeiter

Beim Thema „Digitalisierung“ geht es um viel mehr, als darum, neue Softwarelösungen einzuführen: Es geht um die Veränderung der gesamten Arbeitswelt, von Prozessen und Organisationsstrukturen. Sie ist nur erfolgreich, wenn damit eine Veränderung der Unternehmenskultur einhergeht. In diesen Veränderungsprozess müssen Sie Ihre Mitarbeiter unbedingt miteinbeziehen. Wichtig ist dabei, sich ein klares Bild zu verschaffen, wo die Reise hingehen soll und wie Sie Ihr Unternehmen zukünftig aufstellen wollen. Dabei gilt es, Stärken der eigenen Arbeit zu identifizieren und zu schauen, welche Bereiche ausgebaut werden können. Diese Fragen sollten Sie gesamtheitlich im Blick haben - weshalb sie meiner Meinung nach unbedingt auf der Managementebene angeordnet sein sollten.

Die Haufe Group hat seit über zehn Jahren Erfahrung mit dieser Transformation, ich spreche also aus Erfahrung. Waren wir früher vor allem ein Anbieter von Loseblattsammlungen zu rechtlichen und steuerlichen Themen, sind wir inzwischen ein digitales Medien- und Softwareunternehmen, das den Großteil seines Umsatzes mit digitalen Produkten macht. Früher haben wir Informationen zu Buchhaltungsthemen geliefert, in den 1990er Jahren haben wir begonnen Buchhaltungssoftware zu verkaufen und heute bieten wir Buchhaltung als Online-Service an. Auf unserem Weg haben wir die Unternehmenskultur komplett verändert: Inzwischen haben wir flachere Hierarchien. Gearbeitet wird mehr in Projektstrukturen, Teams setzen sich aus Mitarbeitern verschiedener Funktionsbereiche zusammen, Teams und einzelne Mitarbeiter haben größere Entscheidungs- und Verantwortungskompetenz übernommen.

Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Haben Sie bereits Erfahrungen mit Digitalisierungsprozessen gemacht? Wie ergeht es Ihnen dabei? Teilen Sie Ihre Beispiele gerne über die Kommentarfunktion mit. Ich freue mich über Rückmeldungen.


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