"Das AGG hat deutliche Spuren hinterlassen"
Neu geschaffene Gesetze sind wie neugeborene Kinder: Man erkennt bereits ihre Veranlagungen, doch erahnt nur mühsam, wie sie sich entwickeln werden und was aus ihnen einmal wird. Das AGG wurde vor nun zehn Jahren geschaffen, weil anfangs sich niemand so recht etwas darunter vorstellen konnte.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: Ein Regelwerk gegen Diskriminierung
Den zugrunde liegenden Richtlinien stimmte Deutschland zu (damals galt noch das Erfordernis der Einstimmigkeit), weil man davon ausging, dass es damit zu keiner Änderung der Gesetzgebung kommen werde (Financial Times Deutschland vom 19.10.2000, EU beschließt Regelwerk gegen Diskriminierung: „In Deutschland werde die Richtlinie keine Änderung der Gesetzgebung bringen“). Auch Olaf Scholz begründete das Gesetz in seiner ersten Lesung im Bundestag damit, dass es ein anständiger Bürger gar nicht lesen bräuchte und trotzdem wisse, was zu tun ist. Ein Rechtsanwalt sei nicht erforderlich (Bundestags-Plenarprotokoll 15/152). Er irrte sich ebenso wie sich diejenigen irrten, die den sicheren und sofortigen Untergang des Abendlands vorhersagten. Wir haben ein Gesetz, das nicht zur Umdeutung aller Werte geführt hat, aber doch deutliche Spuren im Arbeitsrecht und der Personalpraxis hinterlassen hat.
AGG wirkt gegen Altersdiskriminierung
Was ist nun aber aus dem Gesetz geworden? Zunächst hat es sich zu einem wirksamen Mittel gegen Benachteiligungen wegen des Alters entwickelt. Unsere aktuelle Debatte über die längere Lebensarbeitszeit und die bessere Integration Älterer in den Arbeitsmarkt wird durch das AGG machtvoll gestützt. Das ist gut so.
10 Jahre Gleichbehandlungsgesetz: Das AGG hat einen festen Platz im Normengerüst des Arbeitsrechts eingenommen.
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Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch zahlreiche Entscheidungen, über die man den Kopf schüttelt: Ist es tatsächlich eine Diskriminierung, wenn das Grundgesetz Frauen nicht zum Dienst mit der Waffe zulassen wollte? Kann eine türkische Bank wirklich nicht ein legitimes Interesse daran haben, dass ihr Geschäftsführer ein Türke ist (LG Frankfurt vom 7.3.2001, Az. 3-13 O 78/00 – damals noch vor Geltung des AGG)? Ist das Verbot religiöser Zeichen am Arbeitsplatz wirklich eine Herabstufung von Gläubigen oder nicht vielleicht doch legitime Geschäftspolitik? Selbst beim EuGH ist man hier uneinig, wie die jüngsten Anträge der Generalanwältinnen Juliane Kokott und Eleanor Sharpston offenbaren (C-157/15 und C-188/15).
Die Debatte um Chancengleichheit geht weiter
Die Debatte um Diskriminierung und Ausgrenzung, Integration und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt wird auch nach diesem zehnten Geburtstag weitergehen. Das AGG hat einen festen Platz im Normengerüst des Arbeitsrechts eingenommen und den wird es behalten. Gerichte, Wissenschaft und Politik werden es auf ihrem weiteren Weg begleiten.
Lohngleichheitsgesetz soll dem AGG flankierende Schützenhilfe geben
Denn neue Regelungen zeichnen sich schon ab: Das Lohngleichheitsgesetz soll dem im AGG enthaltenen Gebot der Lohngleichheit flankierende Schützenhilfe geben. Der jetzt vorliegende Entwurf ist handwerklich auffällig mangelhaft und inhaltlich sehr weitreichend. Man schafft Auskunft und Darlegungspflichten, die vielleicht nicht zu einem Mehr an Lohngerechtigkeit führen werden, sicherlich aber zu einem Mehr an Bürokratie. Man will gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit durchsetzen, ohne so recht zu wissen, wie diese zu bestimmen ist. Eine intensive Diskussion ist zu wünschen, damit wir bei diesem Gesetz dann vielleicht etwas besser wissen, was künftig aus ihm werden könnte.
Mehr zum Jubiläum des AGG lesen Sie im Personalmagazin Ausgabe 9/2016, das am 23. August erscheint.
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