LAG Hessen: Streik um Tarifsozialplan rechtmäßig
Der Autozulieferer NHG gehört seit Jahresbeginn zur bosnisch-deutschen Prevent-Gruppe. Das Management will das Leipziger Werk mit 700 Beschäftigten Ende 2019 schließen. Im Stammwerk Saarbrücken mit rund 1.500 Beschäftigten wird ein Abbau von 300 Jobs erwogen.
Die rund 2.200 Beschäftigten beider Werke streiken seit ungefähr einem Monat für höhere Abfindungen und Beschäftigungsgesellschaften im Fall von Entlassungen. Das Unternehmen scheiterte nun in zweiter Instanz mit dem Versuch den Streik gerichtlich untersagen zu lassen.
Unzulässiger Streik aufgrund illegaler Streikziele?
Die Arbeitgeberseite warf der IG Metall vor, mit dem Streik illegale Ziele zu verfolgen, weshalb der Streik unzulässig sei. Konkret machte der Arbeitgeber in dem Eilverfahren geltend, dass es bei den Streiks nicht (oder nicht vorrangig) um einen Tarifsozialplan ginge. Vielmehr wolle die IG Metall in erster Linie die Prevent-Gruppe als Gesellschafter treffen und eine Schließung des Werks in Leipzig verhindern.
Dieser Auffassung folgte das LAG Hessen in seinem Urteil nicht. Das Gericht stellte zunächst fest, dass Gewerkschaften nach gängiger BAG-Rechtsprechung bei Massenentlassungen für den Abschluss von Tarifsozialplänen streiken dürfen. Der Abschluss eines Tarifsozialplans sei grundsätzlich ein zulässiges Streikziel, erläuterten die Richter. Sie machten deutlich, dass der Gewerkschaft nicht einfach unterstellt werden dürfe, tatsächlich andere, unzulässige Streikziele zu verfolgen.
Übermaßverbot: Verbot des ruinösen Arbeitskampfes
Grundsätzlich ist ein Arbeitskampf nur zulässig, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten wird. Dabei gilt das Verbot des Übermaßes: Erst wenn ein sogenanntes "evidentes Missverhältnis" gegeben ist, kann das Übermaßverbot verletzt sein und der Arbeitskampf ist als unverhältnismäßig einzustufen. Das Gericht hatte daher nicht zu prüfen, ob die Streikforderungen sich in einem angemessenen und wirtschaftlich vertretbaren Rahmen bewegen, sondern nur, ob ein evidentes Missverhältnis zwischen dem Streikmittel und dem allgemeinen Ziel des Streiks besteht. Hierzu zählt insbesondere das Verbot eines ruinösen Arbeitskampfes. Das Unternehmen darf also nicht aufgrund des Streiks wirtschaftlich ruiniert werden.
Verhältnismäßigkeit gewahrt
Vorliegend bestätigten die Richter, dass der Streik verhältnismäßig sei: Da der Arbeitgeber nicht bereit sei, auf die Gewerkschaft zuzugehen, müsse der Streik als letztes Mittel geführt werden, um Verhandlungen über Ausgleichsleistungen für den Verlust der Arbeitsplätze wegen der angekündigten Werksschließung in Leipzig für die Arbeitnehmer zu erreichen. Die streikbedingten Folgen seien nicht existenzgefährdend.
Bereits die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Frankfurt, entschied in diesem Sinne. Die Höhe der Streikforderung mache den Streik nicht prinzipiell rechtswidrig, entschied bereits das Arbeitsgericht. Eine Übermaßkontrolle der Streikforderung durch die Gerichte finde nicht statt. Auch bezüglich des Streikziels bestanden bereits in erster Instanz keine Bedenken. Für die Frage, ob dieses rechtmäßig sei, sei aus Gründen der Rechtssicherheit maßgeblich auf den formellen Streikbeschluss abzustellen.
Keine Revision im Eilverfahren
Gegen die aktuelle Entscheidung des LAG kann das BAG nicht angerufen werden. Damit steht die Entscheidung, da eine Revision in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zulässig ist.
Hinweis: Hess. LAG, Urteil vom 16.07.2018, Az. 16 SaGa 933/18; Vorinstanz: ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.07.2018, Az. 6 Ga 70/18
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