Pauschale Überstundenvergütung durch Betriebsvereinbarung ist unwirksam
Grundsätzlich ist Vertrauensarbeitszeit ein Modell, um Arbeitszeit und Arbeitsort flexibler zu gestalten. Aufgrund des EuGH-Urteils vom 15. Mai 2019 zur Arbeitszeiterfassung und der Pflichten für Unternehmer, wird zurzeit häufig das Ende der Vertrauensarbeitszeit diskutiert. Doch auch bislang sind bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes sowie Dokumentationspflichten zu beachten.
Für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Vergütung für Überstunden gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie in Arbeitszeitsystemen mit Zeiterfassung. In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG eine Überstundenregelung bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit in einer Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der Gewerkschaft Verdi und ihrem Gesamtbetriebsrat gekippt. Sie genügte aus Sicht des Gerichts weder dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitssatz noch dem Gebot der Normenklarheit.
Betriebsvereinbarung sieht Ausgleichstage vor
Im konkreten Fall verlangte der Arbeitnehmer eine Überstundenvergütung in Höhe von rund 9.300 Euro. Diese habe er während vier Monaten abgeleistet, in denen er neben seinen sonstigen Aufgaben in einem Projekt arbeitete. Als Gewerkschaftssekretär war er bei der Gewerkschaft Verdi mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt, zudem war Vertrauensarbeitszeit vereinbart. In Bezug auf Mehrarbeitsausgleich galt für das Arbeitsverhältnis aufgrund der als Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossenen „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (AAB), Folgendes: „Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, erhalten als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr.“ Eine darüber hinausgehende Überstundenvergütung war nicht vorgesehen.
Andere Mitarbeiter- andere Überstundenregelung
Für die Arbeitsverhältnisse mit anderen Beschäftigten war dagegen eine Überstundenregelung vorgesehen: Danach haben Mitarbeiter für jede geleistete Überstunde Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und achtzehn Minuten (= 30 Prozent Überstundenzuschlag) oder auf eine entsprechende Überstundenvergütung. Vor Gericht machte der Gewerkschaftssekretär insgesamt über 250 Überstunden geltend. Dabei berief er sich auf Zeiterfassungsbögen, die sein Vorgesetzter in den vier Monaten abgezeichnet hatte.
Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass sämtliche Überstunden des Gewerkschaftssekretärs gemäß der Regelung in der Betriebsvereinbarung durch die neun Ausgleichtage abgegolten seien. Gewerkschaftssekretäre teilten sich ihre Arbeitszeit selbständig ein und leisteten Dienste höherer Art, so dass eine Vergütungserwartung für Mehrarbeit nicht bestünde. Zudem bestritt die Gewerkschaft den Umfang der abgeleisteten Überstunden sowie diese angeordnet, gebilligt oder geduldet zu haben.
BAG: Pauschale Überstundenregelung für regelmäßige Mehrarbeit unwirksam
Nachdem die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg hatte, gab der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts dem Gewerkschaftssekretär Recht. Die Richter hielten eine Pauschalvergütung für Überstunden von Gewerkschaftssekretären für unwirksam und erklärten die AAB für teilunwirksam. Zur Begründung führten sie an, dass die Formulierung gegen das Gebot der Normenklarheit verstoße. Für Beschäftigte sei danach nicht klar ersichtlich, wann regelmäßige Mehrarbeit vorliege und wann nicht, argumentierten die Richter.
Regelung verletzt Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Regelung entspricht aus Sicht des Senats auch nicht den Anforderungen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Nach diesem müssen Arbeitgeber und Betriebsrat darüber wachen, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten wird und nicht einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen willkürlich benachteiligt werden. Eine wie auch immer geartete „Regelmäßigkeit“ von Überstunden sei kein taugliches Kriterium zur Differenzierung dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschal oder aber genau nach den tatsächlich geleisteten Überstunden gezahlt werde.
BAG: Arbeitgeber hat Vergütungspflicht für Überstunden
Die obersten Arbeitsrichter erkannten daher, dass der Gewerkschaftssekretär dem Grundsatz nach einen Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsstunden habe – zuzüglich des in der AAB für alle anderen Beschäftigten vorgesehenen Zuschlags von 30 Prozent.
Der Senat verwies die Sache zurück an das zuständige Landesarbeitsgericht, da er anhand der bisher getroffenen Feststellungen über die Höhe der Überstundenvergütung nicht entscheiden konnte. Das LAG Nürnberg wird nun die tatsächliche Anzahl der Überstunden feststellen müssen.
Hinweis: BAG, Urteil vom 26.06.2019, Az: 5 AZR 452/18; Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 12. 04. 2018, Az: 3 Sa 221/17
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