BAG-Urteil zu ärztlichen Hintergrunddiensten

Ein Oberarzt scheiterte mit seiner Klage auf bessere Vergütung vor dem Bundesarbeitsgericht. Das Gericht entschied, dass Zeiten, in denen sich der Arzt für die Arbeit bereithalten muss, rechtmäßig als Rufbereitschaft und nicht als Bereitschaftsdienst vergütet werden.

Ärzte leisten regelmäßig neben ihrer regulären Arbeitszeit sogenannte ärztliche Hintergrunddienste. Im vorliegenden Fall war ein angestellter Oberarzt der Ansicht, dass diese Dienste wegen der damit verbundenen Einschränkungen und des Arbeitsaufwandes als Bereitschaftsdienst vergütet werden müssten. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte seine Klage keinen Erfolg.

Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst?

Der für das Arbeitsverhältnis geltende Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken unterscheidet zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Je nachdem ist die Vergütung bemessen. Die Dienste des betroffenen Arztes werden als Rufbereitschaft eingestuft und dementsprechend geringer als Bereitschaftsdienst vergütet. Er muss während der Dienste telefonisch erreichbar sein. Gelegentlich kann es im Rahmen dieser Dienste zu Einsätzen in der Klinik kommen, überwiegend muss der Arzt jedoch außerhalb der Klinik telefonisch tätig werden.

Keine Vorgaben zum Aufenthaltsort oder Frist zur Arbeitsaufnahme

Der Arbeitgeber macht für den Hintergrunddienst keine Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer der Arzt seine Arbeit im Klinikum aufnehmen muss. Wenn der Arzt jedoch ein telefonisches Angebot für Organtransplantationen der Firma Eurotransplant bekommt, muss er nach Vorgabe von Europlant innerhalb von 30 Minuten reagieren, damit das Angebot nicht als abgelehnt gilt. Hierzu muss er Daten überprüfen und telefonisch den zuständigen Dialysearzt sowie die in Frage kommenden Patienten kontaktieren. Die nötigen Informationen entnimmt er einem Ordner, den er während des Dienstes mit sich zu führen hat.

Wegen Einschränkungen Bereitschaftsdienst?

Nach Auffassung des klagenden Arztes liegen die tariflichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rufbereitschaft nicht vor. Die Hintergrunddienste seien aufgrund der mit ihnen verbundenen Beschränkungen sowie der Anzahl und des zeitlichen Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahmen Bereitschaftsdienst und als solcher zu vergüten. Er verlangte vor Gericht die Differenz zwischen der gezahlten Rufbereitschaftsvergütung und der für den Bereitschaftsdienst tariflich vorgesehenen besseren Vergütung in Höhe von 40.032,76 Euro brutto.

BAG: Hintergrunddienst ist Rufbereitschaft im Sinne des Tarifvertrags

Die Revision des Arbeitgebers hatte Erfolg. Die Vorinstanz hatte dem Arzt noch eine Vergütungsdifferenz von knapp 40.000 Euro brutto zugesprochen. Das BAG entschied jetzt, dass der Hintergrunddienst, den der Arzt ableistet, als Rufbereitschaft einzustufen ist. Demnach hat er keinen Anspruch auf die Vergütungsdifferenz.

Der Senat wies darauf hin, dass es in Bezug auf die Vergütung eines nach Ärzte-Tarifvertrag angeordnetem Bereitschaftsdienst oder einer Rufbereitschaft allein auf nationales Recht ankommt. Dies hat der EuGH erst kürzlich in einem aktuellen Urteil zum Bereitschaftsdienst ausgeführt.

Nach der tariflichen Definition liegt dann Rufbereitschaft vor, wenn der Arbeitnehmer sich nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Maßgeblich sei also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung. Dies hielt das BAG vorliegend für zutreffend.

Geringe Einschränkungen auch bei Rufbereitschaft hinzunehmen

Es stellte klar, dass der Arbeitnehmer auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei sei. Vielmehr dürfe er sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort zügig aufnehmen könne.

Im konkreten Fall sei der Arbeitnehmer verpflichtet, bei dem von der Klinik angeordneten Hintergrunddienst einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen. Damit sei jedoch weder eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden, noch bestünden Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit. Nach Überzeugung des Gerichts steht es auch im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft, dass der Arbeitnehmer nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortsetzen muss.

Arbeitgeber hätte Hintergrunddienste nicht anordnen dürfen

Allerdings stellte das BAG fest, dass der Arbeitgeber die Rufbereitschaft so nicht hätte anordnen dürfen. Denn der Tarifvertrag sieht vor, dass der Arbeitgeber Rufbereitschaft nur anordnen darf, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Der Arzt wurde in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu vier Prozent aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. Aus Sicht des Gerichts war dies in der Gesamtschau der Umstände nicht zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers kommt es bei der Beurteilung nicht nur auf die Arbeitseinsätze an, die dann in der Klinik fortzusetzen sind.

Eine höhere Vergütung konnte der Arzt dennoch nicht erstreiten. Die Erfurter Richter führten aus, dass ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent sei. Die Tarifvertragsparteien hätten damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen habe der Senat respektiert.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. März 2021, Az: 6 AZR 264/20; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 4. März 2020, Az: 3 Sa 218/19 


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