Vertragliche Ausschlussklausel: Unwirksam, wenn sie den Mindestlohn nicht ausnimmt
Spätestens nachdem das BAG urteilte, dass eine arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unwirksam ist, wenn sie auch den in der Pflegebranche vorgesehenen Mindestlohn erfasst, stellte sich die Frage, ob eine allgemeine Ausschlussklausel zwischen den Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn und sonstigen Ansprüchen unterscheiden muss.
Arbeitsrechtliche Ausschlussklausel insgesamt unwirksam?
Die Gerichte beurteilten seither unterschiedlich, ob eine solche Klausel insgesamt oder nur in Bezug auf die Mindestlohnansprüche unwirksam ist. Das LAG Nürnberg urteilte, dass Ausschlussklauseln nur bezüglich des Mindestlohns unwirksam sind. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hielt dagegen eine Klausel wegen MiLoG für insgesamt unwirksam. Jetzt haben die obersten Arbeitsrichter die Frage geklärt und dazu entschieden. Danach kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an: Jedenfalls wenn der Arbeitsvertrag nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurde, ist eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, insgesamt unwirksam. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann dagegen nur in Bezug auf die Mindestlohnansprüche unwirksam sein, ergab unlängst eine BAG-Entscheidung.
Der Fall: Vertragliche Ausschlussklausel nimmt Mindestlohn nicht aus
Der Arbeitsvertrag eines als Fußbodenleger beschäftigten Arbeitnehmers, beinhaltete eine vertragliche Ausschlussklausel. Darin war festgelegt, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Geschlossen wurde der Arbeitsvertrag am 1. September 2015, also nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG). Mindestlohnansprüche nahm die Klausel nicht davon explizit aus.
Ausschlussklausel: Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen?
Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer, woraufhin es zu einem Kündigungsrechtsstreit kam, der mit einem Vergleich endete. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, das am 15. August 2016 endete, innerhalb eines Monats ordnungsgemäß abzurechnen. Da die Abrechnung, die der Arbeitnehmer im Oktober erhielt, keine Urlaubsabgeltung für den August 2016 auswies, klagte der Arbeitnehmer im Januar 2017 vor dem Arbeitsgericht. Zu spät, meinte der Arbeitgeber, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, da er nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht wurde.
BAG: Vertragliche Ausschlussfrist ist insgesamt unwirksam
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das LAG Hamburg wies sie dagegen auf die Berufung des Arbeitgebers ab. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Arbeitnehmer nun Erfolg. Der neunte Senat entschied zu seinen Gunsten und gewährte den Anspruch auf die Abgeltung von 19 Urlaubstagen mit 1.687,20 Euro brutto. Nach Auffassung der Erfurter Richter war die Ausschlussklausel im Vertrag unwirksam. Daher sei der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet gewesen, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen.
Arbeitgeber muss Ausschlussklausel transparent gestalten
Das BAG urteilte, dass die vertragliche Ausschlussklausel gegen das Transparenzgebot von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt. Da sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt, sei sie für den Arbeitnehmer nicht klar und verständlich formuliert. In der Begründung wiesen die Richter darauf hin, dass § 3 Satz 1 MiLoG weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach, die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einschränkt. Insofern sei es gemäß § 306 BGB auch ausgeschlossen, dass die Klausel „nur insoweit“, wie sie Mindestlohnansprüche ausschließt, unwirksam ist und ansonsten für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten wird.
Hinweis: BAG, Urteil vom 18. 09. 2018, Az: 9 AZR 162/18; Vorinstanz: LAG Hamburg, Urteil vom 31. 01. 2018, 33 Sa 17/17
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