LAG zeigt Grenzen der Mitarbeiterüberwachung auf
Was ist erlaubt, wenn der Arbeitgeber einen mehr oder weniger konkreten Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht? Vorliegend ließ ein Arbeitgeber aufgrund von Hinweisen eines flüchtigen Bekannten einen Logistikmitarbeiter von Privatdetektiven bespitzeln. Darüber hatte dann das LAG Thüringen zu befinden, denn der Arbeitnehmer forderte Schadensersatz.
Bei der Mitarbeiterüberwachung gibt es klare Grenzen: Eine dauerhafte Beschattung eines Mitarbeiters ist ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, betonte das Gericht. Letztlich gab es kein Urteil, denn die Parteien verglichen sich.
Der Fall: Arbeitgeber lässt Arbeitnehmer überwachen - nicht am Arbeitsplatz
Der Arbeitgeber, ein Logistikdienstleister einer großen Lebensmitteleinzelhandelsgruppe aus dem Erfurter Raum verdächtigte einen Arbeitnehmer, dass er seine zweimonatige Arbeitsunfähigkeit nur vortäusche, um in der Zeit sein Haus umzubauen, oder sich zumindest genesungswidrig verhalte. Er engagierte daraufhin Privatdetektive, die den Mitarbeiter über drei Tage observierten. Sie erstellten dabei ein Bewegungsprofil und fotografierten den Arbeitnehmer unter anderem in seinem im Umbau befindlichen Wohnhaus, welches er in dieser Zeit selbst nicht bewohnte.
Mitarbeiterüberwachung: Zuhause ist ein besonders geschützter Bereich
Das Thüringer Landesarbeitsgericht stellte klar, dass eine dauerhafte und intensive Beschattung von Mitarbeitern durch Privatdetektive einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Mitarbeiter darstellt. In der mündlichen Verhandlung wurde vor allem die Verhältnismäßigkeit des konkreten Ablaufs der Überwachung durch die Privatdetektive problematisiert. Die Privatermittler hatten den Mann drei Tage ununterbrochen beschattet und dabei auch Fotos von ihm im Haus – einem besonders geschütztem Bereich gemacht.
Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts?
Nach Ansicht der Kammer war ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters gegeben, weshalb er zumindest dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung habe, führte der Vorsitzende Richter noch im Vorfeld des Vergleichs aus. Auch der Staat dürfe nur in speziellen Fällen, etwa um Sprengstoffattentate oder ähnliche Gefahren zu verhindern, längerfristige Observationen durch die Polizei durchführen.
Vergleich trotz Mitarbeiterüberwachung: Arbeitsverhältnis besteht noch
Ein Urteil sprachen die Richter letztlich nicht. Denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer schlossen doch noch noch einen Vergleich. Darin wurde nun eine Entschädigung von 1.200 Euro für den Mitarbeiter festgehalten.
Der vorsitzende Richter hatte zuvor an beide Parteien appelliert, sich zu einigen. Im Sinne des weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses, sei das "Rauchen einer Friedenspfeife" sinnvoller. Denn der Arbeitnehmer hatte sich in der Vorinstanz erfolgreich gegen seine Kündigung gewehrt, weshalb er weiter bei dem Logistikunternehmen angestellt ist. In Berufung ging der Arbeitgeber wegen der Entschädigungszahlung.
Mitarbeiterüberwachung durch Privatdetektive: Erlaubt oder nicht?
Ein Arbeitgeber darf in der Regel nur dann einen Privatdetektiv einschalten, wenn ein begründeter Verdacht einer Straftat oder einer schweren arbeitsrechtlichen Verfehlung gegenüber eines Mitarbeiters vorliegt. "Es ist legitim, dass Arbeitgeber etwa in Fällen, mit negativen Einfluss auf den Betriebsfrieden, einem konkreten Verdacht nachgehen", sagte Raoul Classen, Präsident des Bundesverbands Deutscher Detektive (BDD) e.V., auf dpa-Anfrage. Grundsätzlich mache der Gesetzgeber aber klare Vorgaben darüber, wann es erlaubt sei, einen privaten Ermittler einzuschalten.
"Im konkreten Fall scheint mir die Observation fachlich nicht in Ordnung, sondern einen Tick zu übereifrig." Es handele sich um ein Beispiel, bei dem die Ermittler womöglich über das Ziel hinausgeschossen seien. Classen verwies darauf, dass Gerichte etwaige Beweisfotos aus Observationen ohnehin selten zuließen. "Ein Protokoll des Gesehenen reicht dafür meistens aus."
Hinweis: Thüringer Landesarbeitsgericht, Az.: 6 Sa 199/18; Vorinstanz: Arbeitsgericht Erfurt, Az.: 7 Ca 2571/16
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