Darf der Arbeitgeber Beziehungen am Arbeitsplatz verbieten?
Axel Springer hat seinen Code of Conduct geändert und regelt nun in diesem Verhaltenskodex, dass alle Mitarbeitenden mit fachlicher und/oder disziplinarischer Personalverantwortung enge persönliche Beziehungen zu Kollegen, Führungskräften oder Mitarbeitenden offenlegen müssen, um Interessenkonflikte transparent zu machen.
Ursprünglich war in der ersten medialen Aufregung um die Reichelt-Affäre sogar angekündigt worden, man werde Liebesbeziehungen im Unternehmen künftig generell verbieten. Ein solches Verbot hätte jedoch kaum Bestand gehabt. Für derart weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre gibt es in Deutschland keine Rechtsgrundlage, auf die sich ein derartiges Verbot stützen ließe.
Beziehungsverbote halten arbeitsrechtlicher Überprüfung nicht stand
Gerade international operierende Unternehmen haben oft Verhaltensregeln, die weltweit Gültigkeit beanspruchen. In den USA können Verhaltensvorschriften für Mitarbeitende deutlich rigoroser sein, als es nach deutschem Recht zulässig wäre. Rollt ein multinationales Unternehmen seine Regelungen auch in Deutschland aus, ist dies nicht nur wegen kultureller Verschiedenheiten, sondern auch wegen der anderen Rechtslage nicht ohne Weiteres möglich.
Im Jahr 2005 musste sich der weltweit tätige US-amerikanische Einzelhandelskonzern Walmart vom LAG Düsseldorf belehren lassen (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2005 - 10 TaBV 46/05), dass man in einer Ethikrichtlinie in Deutschland Beziehungen zwischen Mitarbeitenden nicht verbieten kann. Deutsche Arbeitsgerichte halten daran fest, dass "die Anknüpfung und Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen (auch) am Arbeitsplatz grundsätzlich Privatsache der Beteiligten bleibt" (so z. B. Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 27.02.2015 - 28 Ca 16939/14).
In den USA sind Ethikregeln weithin üblich
Erlässt ein Unternehmen Compliance-Regeln in Deutschland, muss es sich an diese Grenzziehung halten. International, vor allem in den USA, haben die Unternehmen teilweise weitreichendere Befugnisse, Beziehungen von Mitarbeitenden zu verbieten. Im Jahr 2018 hat der Fall von Brian Krzanich, CEO des Chipherstellers Intel, für Aufsehen gesorgt. Krzanich musste wegen einer Liebesbeziehung mit einer Mitarbeiterin zurücktreten, weil er damit gegen den unternehmensinternen Verhaltenskodex verstoßen hatte. Auch Steve Easterbrook, CEO von Mc Donald's, musste 2019 wegen einer betriebsinternen Liebesbeziehung seinen Hut nehmen.
Problem: Entstehen von Interessenkonflikten
Eine Beziehung an sich wäre – weil Privatsache der Beteiligten – in Deutschland nicht das Problem. Problematisch wird es aber dann, wenn dadurch Interessenkonflikte im Unternehmen entstehen oder gar hierarchische Macht missbraucht wird, um sexuelle Beziehungen zu begründen. Oder wenn es aufgrund der Beziehung zu ungerechtfertigter Bevorzugung bei Beförderungen oder sonstigen Leistungen kommt. Steve Easterbrook hatte seiner Geliebten Aktienoptionen im Wert von mehreren hunderttausend Dollar gewährt. Solchen Gefahren wollen die Unternehmen vorbeugen.
Compliance-Regelungen möglich?
Compliance-Regeln wie der Code of Conduct bei Axel Springer sind nur dann rechtmäßig, wenn auch die Interessen der Arbeitnehmenden angemessen berücksichtigt werden. Das betriebliche Interesse des Arbeitgebers, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern, der missbräuchlichen Ausnutzung von Machtpositionen entgegenzuwirken und unsachliche Begünstigungen oder Vorteilsgewährungen aufgrund von Liebesbeziehungen zu verhindern, ist abzuwägen gegen das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden, das eine Einmischung des Arbeitgebers in deren Intimsphäre verbietet. Ein pauschales Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz ist daher nicht möglich. Auch die Frage, ob Liebesbeziehungen gemeldet werden müssen, ist rechtlich heikel. Der Arbeitgeber kann niemandem Vorschriften machen, welche Partner er oder sie wählt. Das geht ihn nichts an und deswegen wäre auch eine pauschale Meldepflicht wohl kaum haltbar.
Ob die von Axel Springer gewählte Variante, nur dort eine Meldepflicht zu regeln, wo es zu Interessenkonflikten wegen einer Liebesbeziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden kommen kann, vor den Arbeitsgerichten Bestand hat, muss sich im Streitfall erweisen. Eine Verletzung dieser Meldepflichten wird man vor dem Hintergrund der berechtigten privaten Interessen der Arbeitnehmenden aber wohl als nicht so schwerwiegend ansehen können, dass sie scharfe arbeitsrechtliche Sanktionen wie etwa eine Kündigung rechtfertigen könnte. Es bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte solche Fälle entscheiden werden.
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