Arbeitgeber trägt Vergütungsrisiko für eigene Quarantäneanordnung
Plötzlich wird der Urlaubsort zum Risikogebiet: Seit Beginn der Coronapandemie stehen Arbeitgeber immer wieder vor neuen Fragen. Auch die Problematik, wie damit umzugehen ist, wenn ein Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zurückkehrt, bleibt weiter aktuell. Ist der Arbeitgeber dann im Fall einer Quarantäne zur Lohnfortzahlung verpflichtet? Das Arbeitsgericht Dortmund hatte einen Fall zu beurteilen, bei dem das Robert-Koch-Institut (RKI) im März 2020 den Urlaubsort eines Beschäftigten während dessen Urlaub als Risikogebiet einstufte. Der Arbeitgeber ordnete vorsorglich eine Quarantäne des Mitarbeiters an, eine behördliche Anweisung erfolgte jedoch nicht.
Arbeitszeitabzug für Quarantäne nach Risikogebiet-Urlaub rechtmäßig?
Der Arbeitnehmer verbrachte seinen Urlaub in der Zeit vom 11. bis zum 15. März 2020 im österreichischen Tirol in einer Ferienwohnung. Am 13. März 2020 erklärte das RKI Tirol zum Risikogebiet. Der Arbeitgeber wies den Arbeitnehmer an, sich nach der Rückkehr für zwei Wochen in häusliche Quarantäne zu begeben und den Betrieb nicht aufzusuchen. Eine behördliche Anordnung der Quarantäne durch das zuständige Gesundheitsamt erfolgte nicht. Der Arbeitgeber zog die Zeit der Quarantäne vom Positivsaldo des Arbeitszeitkontos des Mitarbeiters ab. Hiergegen wehrte sich der Arbeitnehmer vor Gericht.
Quarantäne: Muss der Arbeitgeber die Arbeitszeit vergüten?
Der Arbeitnehmer machte geltend, dass das RKI bei Beginn seiner Reise Tirol noch nicht als Risikogebiet eingestuft habe. Zudem habe ein niedriges Risiko bestanden, da er in einer Ferienwohnung mit Selbstversorgung untergebracht war. Vor Gericht beantragte er eine Gutschrift der zu Unrecht abgezogenen Arbeitszeit von 62 Stunden und 45 Minuten auf dem Arbeitszeitkonto. Der Arbeitgeber war überzeugt, dass er zur Verrechnung der Positivstunden berechtigt war, da der Arbeitnehmer für die 14 Tage Quarantäne keinen Anspruch auf Vergütung habe. Die Gefahr von Reisen nach Tirol sei bekannt gewesen, aus seiner Sicht habe der Beschäftigte grob fahrlässig gehandelt.
Arbeitgeber trägt Vergütungsrisiko für seine Quarantäneanordnung
Das Arbeitsgericht Dortmund entschied, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters 62 Stunden und 45 Minuten gutzuschreiben.
Wenn ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb beschließt, seinen Betrieb zu schließen oder einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Schutz der restlichen Belegschaft in Quarantäne zu schicken, trägt er nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko. Dies gilt nach Auffassung des Arbeitsgerichts Dortmund nach den dem Rechtsgedanken des § 615 S. 3 BGB entnommenen Grundsätzen selbst dann, wenn die Störung – wie im Fall des Coronavirus SARS-CoV-2 – nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt.
Anderes gilt bei Quarantäneanordnung durch das Gesundheitsamt
Eine andere Risikoverteilung wäre laut Arbeitsgericht Dortmund nur dann denkbar, wenn der Arbeitgeber mit der Anordnung der Quarantäne oder Betriebsschließung nichts zu tun hat und diese durch die zuständige Gesundheitsbehörde vorgenommen wird.
Das Gericht schloss vorliegend zudem aus, dass der Arbeitnehmer wissentlich entgegen einer Einstufung des RKI ein Risikogebiet aufgesucht hat, um dort Urlaub zu machen. Es wies darauf hin, dass in solchen Fällen möglicherweise etwas anderes gelte. Nach der Gefahrensphärentheorie könne hier eine überwiegende Verantwortlichkeit des Beschäftigten angenommen werden, was dazu führen könne, dass dieser das Vergütungsrisiko für den Arbeitsausfall zu tragen hätte.
Hinweis: ArbG Dortmund, Urteil vom 24.11. 2020, Az: 5 Ca 2057/20
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