Sachgrundlose Befristung ist auch bei einer Vorbeschäftigung vor 15 Jahren unmöglich
Die Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber, einem Autozulieferer, bereits vom April 1999 bis Ende Juli 2000 angestellt. Im Jahr 2014 bewarb sich die Frau erneut beim selben Arbeitgeber. In ihrem Lebenslauf war die Vorbeschäftigung nicht aufgeführt. Im Personalbogen, den sie bei der Einstellung ausfüllte, kreuzte die Arbeitnehmerin bei der Frage "Waren Sie schon in einem Betrieb der B.-Gruppe beschäftigt?" jedoch das Kästchen mit der Antwort "Ja" an.
Klage auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
Es kam zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, zunächst von Dezember 2014 bis Ende April 2015. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, mit welcher die Beschäftigte bestätigte, bisher in keinem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden zu haben. Das Arbeitsverhältnis wurde durch mehrere Fortsetzungsverträge bis Ende September 2018 jeweils befristet verlängert. Nach Auslaufen der letzten Befristung erhob die Arbeitnehmerin beim Arbeitsgericht Klage und wehrt sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Befristungsablauf. Sie vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis wegen der Vorbeschäftigung im Jahre 1999 schon nicht mehr sachgrundlos befristen können.
Verschweigen der Vorbeschäftigung schädlich?
Das Arbeitsgericht Reutlingen gab anschließend der Entfristungsklage statt. Zwar seien die einzelnen Befristungen auch über mehrere Jahre hinweg nach dem geltenden Tarifvertrag durchaus zulässig gewesen. Jedoch seien sachgrundlose Befristungen unwirksam, wenn zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
Im Berufungsverfahren trug der Arbeitgeber vor, die Beschäftigte könne sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass ihre Befristung unwirksam gewesen sei. Sie habe nämlich nicht nur im Lebenslauf ihre Vorbeschäftigung verschwiegen, sondern mit ihrer Unterschrift im Arbeitsvertrag sogar ausdrücklich eine falsche Erklärung diesbezüglich abgegeben.
Befristung von Anfang an nicht möglich
Das LAG Baden-Württemberg stellte zunächst einmal fest, dass die mehrfachen Befristungsverlängerungen des Arbeitsverhältnisses vorgenommen werden durften, weil es nach dem einschlägigen Tarifvertrag zulässig sei, eine Befristung höchstens für sechs Jahre mit insgesamt maximal neun Verlängerungen festzulegen. Die Tarifvertragsparteien hätten sich in diesem Tarifvertrag an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehalten. Die mehrfache Verlängerung der sachgrundlosen Befristung sei damit dem Grunde nach zulässig gewesen. Allerdings sei die sachliche Befristung schon von vornherein nicht mehr möglich gewesen, denn mit der Arbeitnehmerin habe zuvor schon ein Arbeitsverhältnis bestanden. Dieses liege auch noch nicht "sehr lange" zurück. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in einem Urteil von April 2019 bereits einen Zeitraum von 15 Jahren als "nicht sehr lang" bewertet.
Bestätigungsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam
Zwar habe die Arbeitnehmerin im Arbeitsvertrag schriftlich bestätigt, bisher in keinem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden zu haben. Darauf könne sich der Arbeitgeber jedoch nicht berufen, weil eine solche Vertragsklausel eine allgemeine Geschäftsbedingung darstelle und als solche gemäß § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB unwirksam sei. Nach § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, die die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändern, indem der Verwender den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt.
Arbeitgeber hätte über Vorbeschäftigung Kenntnis erlangen können
Außerdem hatte die Arbeitnehmerin wahrheitsgemäß angegeben, bereits früher in der B.-Gruppe beschäftigt gewesen zu sein. Wäre dem Arbeitgeber die Vermeidung einer unzulässigen sachgrundlosen Befristung wichtig gewesen, hätte es nahegelegen, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass der Einstellungsbogen in der Personalabteilung vor Einstellung noch einmal angeschaut wird und die Angaben der Beschäftigten im eigenen System überprüft werden.
Die "Lücke" im Lebenslauf über die Vorbeschäftigung sei zwar unschön, aber noch keine positive Falschauskunft, zumal sie nach den Angaben der Arbeitnehmerin im Einstellungsbogen durch Nachfrage oder Nachforschen noch hätte behoben werden können. Dass der Arbeitgeber ein solches Nachfragen trotz entsprechendem Anlass unterlassen hat, ist zumindest fahrlässig und schließt eine Schutzwürdigkeit seines Vertrauens in die Vollständigkeit der arbeitnehmerseitigen Angaben aus. Demzufolge wurde der Arbeitgeber zur unbefristeten Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin verurteilt.
Hinweis: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.03.2020, Az:4 Sa 44/19
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