Leerstand bei Lehrstellen: Fallende Zahlen, fehlende Bildung
Der Fachkräftemangel ist eklatant - noch immer. Freilich ist dies eine Entwicklung, die sich nicht über Nacht wird aufhalten lassen. Besorgniserregend bleibt aber dennoch, dass bislang keine Besserung abzusehen ist. Im Gegenteil: Das Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb) vermeldete jüngst, dass die Zahl der ausbildenden Betriebe von 2007 bis 2013 um 52.000 gesunken ist. Anders formuliert: Jeder zehnte Ausbildungsbetrieb hat sich seither aus der Lehre zurückgezogen. Somit sank die Quote der ausbildenden Betriebe im gleichen Zeitraum von 24 auf 21 Prozent.
Rückläufige Zahlen bei der Besetzung von Lehrstellen
Der zentrale Grund für die rückläufigen Zahlen sei laut einer repräsentativen Befragung des Bibb unter rund 3.500 Betrieben ein deutlicher Anstieg des Anteils von unbesetzten Ausbildungsstellen. Die Sonderauswertung ergab, dass innerhalb des gesamten Angebots an betrieblichen Ausbildungsplätzen der Anteil der unbesetzt gebliebenen Ausbildungsstellen von 19,6 Prozent im Jahr 2012 auf 27,7 Prozent 2014 zugenommen hat. Im Ausbildungsjahr 2013/2104 blieb damit beinahe jede vierte verfügbare Ausbildungsstelle vakant.
Kleinunternehmen geraten in Sachen Ausbildung zunehmend ins Hintertreffen
Das Fehlen von geeigneten Auszubildenden macht sich insbesondere bei den kleinen Betrieben (bis 19 Beschäftigte) bemerkbar: In diesen Unternehmen sind mittlerweile rund ein Viertel der verfügbaren Ausbildungsstellen unbesetzt – eine besorgniserregende Änderung gegenüber dem Jahr 2012, in dem lediglich 21,3 Prozent der Stellen offen blieben. Etwas besser steht es bei den mittelständischen (bis 200 Beschäftigte) und großen Unternehmen: Hier stieg der Anteil jeweils nur leicht auf 20,4 bei den mittleren und 7,8 Prozent bei den großen Betrieben.
Branchenspezifische Besetzungsprobleme
Gerade Betriebe aus den Branchen Hotellerie und Gastronomie, Landwirtschaft, Bergbau, Bauwirtschaft sowie dem Einzelhandel klagen über sinkende Ausbildungszahlen. Im Durchschnitt liegen die Werte in diesen Branchen zwischen 30 und 47 Prozent unbesetzter Lehrstellen. Am wenigsten betroffen sind wiederum Unternehmen aus den Bereichen Energie und Wasserversorgung, Chemie/Pharmazie, Forschung und Entwicklung sowie die Betriebe des Kfz-Gewerbes.
Vakanzen trotz Nachfrage
Als Gründe für den Rückgang bei den Neuabschlüssen von Ausbildungsverträgen nennen die Unternehmen Entwicklungen auf der Nachfrageseite – etwa die rückläufige Zahl an Bewerbungen von Schulabsolventen, die frühzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen, die fehlende Attraktivität der Ausbildungsangebote oder Bewerbungen von ungeeigneten Schulabsolventen. Zudem seien auch die gestiegenen Ausbildungskosten ein Problem, das Unternehmen dazu veranlasse, beim Abschluss von Ausbildungsverträgen vorsichtiger zu agieren. An der Menge der Bewerber kann es nämlich eigentlich nicht liegen: Obwohl deren Zahl aufgrund demografischer Entwicklungen generell zurückgeht, zeigt die Erhebung des Bibb-Qualifizierungspanels, dass noch hinreichend viele Bewerbungen bei den Firmen eingehen – selbst Betriebe, in denen viele Lehrstellen unbesetzt bleiben, können noch aus durchschnittlich drei Bewerbungen auswählen; Unternehmen ohne Besetzungsprobleme sogar aus sieben.
Die Jugend von heute: Schnittmuster der sozialen Schere
Was also stimmt nicht mit den Auszubildenden in spe? Die Bibb-Forscher vermuten, es seien mangelnde schulische Vorbildung sowie ungenügende schulische Leistungen, die Unternehmen letztlich abschrecken würden, die Kandidaten auszubilden. Eine Vermutung, die von der kürzlich erschienenen Shell-Jugendstudie gestützt wird: Auch im Rahmen der Befragung von etwa 2.500 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 stellten die Shell-Forscher fest, dass Jugendliche ohne Schulabschluss deutlich schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz und damit eine geregelte Erwerbstätigkeit haben – ein Fünftel derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen haben, gaben an, dass sie ihren Wunschberuf aufgrund fehlender Qualifizierung nicht haben aufnehmen können. Allerdings zeigen die Studienergebnisse auch den Kern des Problems: In Deutschland hänge der Schulerfolg nämlich so stark wie in keinem anderen Land von der jeweiligen sozialen Herkunft der Jugendlichen ab. Diesen Umstand scheinen die Jugendlichen auch wahrzunehmen, denn hinsichtlich der Einschätzung von Verwirklichungschancen bei der Berufswahl stellt die Shell-Studie eine deutlich pessimistische Haltung bei Jugendlichen aus den unteren Sozialschichten fest – nur 46 Prozent der Teilnehmer aus diesem Umfeld glaubten, ihre beruflichen Wünsche umsetzten zu können; bei den Jugendlichen aus den oberen Schichten waren es hingegen 81 Prozent.
Lösungsansätze für altbekannte Probleme
Zumindest am tertiären Bildungsbereich wurde in der Zwischenzeit bereits feinjustiert – die Einführung trialer Studiengänge ist hierfür Beispiel und richtungsweisendes Signal. Auch schient die Politik bemüht, Jugendliche zur Aufnahme einer Ausbildung motivieren zu wollen – beispielsweise wurden kürzlich die Bezüge im Rahmen des Meister-BAföG erhöht. Einen wichtigen Beitrag können aber auch die Betriebe selbst leisten, indem sie stärker auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen. Orientiert man sich hierbei an den Ergebnissen der Shell-Jugendstudie, rücken altbekannte Fragenkomplexe erneut in den Fokus: Zentrale Anliegen der Jugendlichen seien nämlich, so die Shell-Forscher, die „Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns im Erwerbsleben“, „die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“ und „die Möglichkeit einer kurzfristigen Anpassung der Arbeitszeit an die eigenen Bedürfnisse“ – sämtlich Anliegen, auf die das Personalmanagement bereits passende Antworten parat hat.
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